Frauenwahlkampf in Macho-Land

Es ist durchaus ein historisches Ereignis: Das katholische und patriarchale Mexiko wird demnächst höchstwahrscheinlich von einer Frau regiert. Doch bei Feministinnen kommt keine Euphorie auf.

Berlin, Mexiko-Stadt - Eines steht schon so gut wie fest: Mexiko wird demnächst von einer Frau regiert. Denn sowohl das regierende Linksbündnis als auch die Allianz führender Oppositionsparteien schicken für die Präsidentschaftswahlen am 2. Juni eine Kandidatin ins Rennen. Alles deutet darauf hin, dass Claudia Sheinbaum, die Kandidatin der Morena-Partei des amtierenden Staatschefs Andrés Manuel López Obrador, siegen wird. Umfragen sehen sie bei 55 Prozent der Stimmen, ihre Konkurrentin Xochitl Gálvez auf etwa 30 Prozent.

Dass eine Frau erstmals die Geschicke Mexikos lenken wird, ist Sheinbaum zufolge „ein Symbol für unser Land, für alle Mädchen und jungen Frauen, dass ihre Träume Wirklichkeit werden können“. Sie spricht von einem großen Schritt gegen den Machismus. Gálvez verweist derweil auf ihr Aufwachsen in einem von Gewalt geprägten Umfeld und verspricht „null Straflosigkeit für Vergewaltiger“.

Doch viele Feministinnen sind skeptisch. Sie rechnen nicht damit, dass die künftige Präsidentin die Frauenrechte stärken wird, wer auch immer die Wahl gewinnt. Natürlich sei es auch der Frauenbewegung zu verdanken, dass bald eine Präsidentin das Land anführe, sagt Lucia Lagunes von der feministischen Nachrichtenagentur Cimac. „Aber keine der beiden ist Feministin.“

Zudem steht hinter beiden Kandidatinnen laut der Professorin für Gender-Wissenschaften, Elvira Hernández, ein „patriarchales System“, das es ihnen gar nicht ermöglicht, unabhängig zu agieren. Zweifellos werden mächtige Militärs, einflussreiche Männer in den Beraterstäben und die männlich geprägten Strukturen im politischen Apparat den Spielraum einer Präsidentin einschränken. Genau da müsse eine künftige Staatschefin ansetzen, ist die feministische Anwältin Patricia Olamendi überzeugt: „Es würde ihnen guttun, wenn sie sich von den Machos um sie herum etwas befreien würden.“

Journalistin Lagunes erinnert an die Zeit Sheinbaums als Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt (2018-2023). Die Politikerin führte zwar ein Schutzsystem für bedrohte Frauen ein, ging Lagunes zufolge aber repressiv gegen Aktivistinnen vor, die gegen Frauenmorde demonstrierten. Inzwischen sei die 61-Jährige nicht mal mehr in Kontakt mit feministischen Organisationen.

„Sheinbaum sagt, dass sie die Politik López Obradors fortführen wird“, sagt Lagunes. Das lässt nicht nur sie zweifeln. Denn auch wenn sich der Präsident links verortet, propagiert er ein traditionelles Familienbild und greift Frauenrechtlerinnen verbal scharf an. Unter seiner Regierung seit Ende 2018 wurden die Mittel für Schutzräume reduziert, obwohl in Mexiko täglich mehr als neun Frauen getötet werden.

Warum also sollten sie Sheinbaum glauben, wenn sie mehr Frauenhäuser verspricht, fragen sich Feministinnen. Und die von ihr angekündigten Sonderstaatsanwaltschaften zur Verfolgung von Femiziden in allen Bundesstaaten? „Wir haben Gewaltenteilung, also obliegt das Thema dem Generalbundesanwalt“, erklärt Lagunes. „Und der hat sich bislang nicht gerade für Frauenrechte eingesetzt“.

Beide Kandidatinnen verteidigen grundsätzlich das Recht auf körperliche Selbstbestimmung, vermeiden das Thema Schwangerschaftsabbruch aber in der Öffentlichkeit. Denn obwohl das Oberste Gericht das Abtreibungsverbot als verfassungswidrig erklärt hat, ist der Eingriff in der katholisch geprägten Bevölkerung und innerhalb der Parteien stark umstritten. So setzen Sheinbaum und Gálvez eher auf mehr Unterstützung arbeitender Mütter und versprechen, Haus- und Pflegearbeit stärker im Blick zu haben.

Oppositions-Politikerin Gálvez verspricht zudem, sie werde gegen die „Feminisierung der Armut“ vorgehen. Kritiker bezweifeln dies aber. Die 61-Jährige inszeniert sich zwar im Wahlkampf als indigene Frau aus armen Verhältnissen, saß aber bislang als Senatorin für die rechte PAN im Senat - eine Partei, die eine konservative Familien- und eine marktorientierte Wirtschaftspolitik vertritt.

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