Faire Beschaffung unter Druck

Die Wirtschaft kritisiert sie als bürokratische Monster, die Zivilgesellschaft als zahme Tiger: die Vergabe- und Tariftreuegesetze, die in mittlerweile 14 Bundesländern die Beschaffungsstellen verpflichten, Waren und Dienstleistungen nach sozialen und ökologischen Kriterien einzukaufen. In Berlin streiten die Wirtschaftssenatorin und Fairtrade-Gruppen um eine Reform.

In der Hauptstadt soll das Vergabegesetz von 2010 erneuert werden. Darüber hatte Wirtschaftssenatorin Cornelia Yzer (CDU) sich im August mit Wirtschaftsverbänden abgestimmt. Im Land Berlin werden jährlich vier bis fünf Milliarden Euro für öffentliche Aufträge ausgegeben. Nach den Richtlinien müssen Firmen bevorzugt werden, die faire Produkte anbieten und Mindestlöhne zahlen. Beim bisherigen Prozedere mit „hohen bürokratischen Hürden“ hätten kleinere Firmen das Nachsehen, erläuterte Yzer auf einer Pressekonferenz. Das Vergabeverfahren solle deshalb vereinfacht und modernisiert werden.

Das FAIRgabe-Bündnis aus entwicklungs- und umweltpolitischen Gruppen und Gewerkschaften befürwortet zwar, dass das Gesetz entschlackt und innovative Produkte bevorzugt werden sollen, sofern diese den sozialen und ökologischen Richtlinien entsprechen. Das Bündnis kritisiert aber, dass der seit Ende Juni überfällige Bericht zur Evaluierung des Gesetzes nicht abgewartet wurde. Es sei zu befürchten, dass die Vorgaben aufgeweicht werden. Die Zivilgesellschaft müsse an der Reform beteiligt werden.

Juliane Kühnrich vom FAIRgabe-Bündnis kritisiert außerdem, dass die Grenze für Aufträge, die nicht ausgeschrieben werden müssen, weiter erhöht werden soll. Bereits 2012 sei den Beschaffungsstellen ermöglicht worden, statt 500 Euro bis zu 10.000 Euro ohne Ausschreibung nach Vergaberecht auszugeben. Freiwillig hielten sich nur noch wenige Senats- und Stadtbezirksverwaltungen an die alte Auftragsgrenze von 500 Euro – zumal die Beschaffungsstellen zu wenig Personal hätten, um die Angebote der Bieter zu kontrollieren.

Nach dem Vergabegesetz könnte zum Beispiel nur noch Dienstkleidung mit dem Siegel der Fair Wear Foundation eingekauft werden. Auch für Natursteine aus Asien, die zum Pflastern von Wegen verwendet werden, gebe es Zertifikate, dass sie nicht aus Kinderarbeit stammen. Diesen Nachweis verlangt laut Kühnrich aber keine Stelle in Berlin. In der Regel genüge es
den Behörden, wenn der beauftragte Zulieferer in einer sogenannten Eigenerklärung versichert, dass es für die betreffende Ware noch kein Siegel gibt.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2014: Hoffen auf die Mittelschicht
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