Signale der Hoffnung in Westafrika

Herausgeberkolumne
Die Bewegung „Bürgerbesen“ in Burkina Faso hat einen brutalen Diktator aus dem Amt gefegt. Im Land herrschen Trauer über die, die beim Aufstand ihr Leben verloren haben, aber auch Stolz über den Erfolg und Hoffnung, dass bessere Zeiten anbrechen. Jetzt müssen neue
demokratische Strukturen aufgebaut werden.

Vor einem halben Jahr konnten wir verfolgen, wie die Bevölkerung von Ouagadougou, der Hauptstadt von Burkina Faso, sich mit Massendemonstrationen gegen eine weitere Amtszeit von Präsident Blaise Compaoré erhob. Auch in anderen Städten kam es zu Protesten. Die Demonstranten nennen sich „Balai Citoyen“, zu Deutsch „Bürgerbesen“. In Ouagadougou brannten das Parlament und mehrere Villen, 30 Menschen verloren ihr Leben. Sicherheitskräfte hatten in die Menschenmenge geschossen. Dieser Verlust ist furchtbar. Jedes Opfer ist eines zu viel.

Die Protestierenden, darunter viele junge Männer und Frauen, Schüler und Studenten, haben eine brutale Diktatur gestürzt, die sich über 27 Jahre an der Macht gehalten hat. Der Präsident wollte die Verfassung ändern, um für eine weitere Amtszeit kandidieren zu können. Die Situation spitzte sich am Ende so zu, dass er schließlich zurücktrat und ins Exil ging.

Die Übergangsregierung unter Michel Kafando hat nun die Aufgabe, freie, faire und friedliche Wahlen vorzubereiten. Die nächsten Monate bis zu den Präsidentschaftswahlen im Oktober werden zeigen, inwieweit sich eine solide Demokratie entwickeln kann. Burkina Faso, eines der ärmsten Länder der Welt, befindet sich im Umbruch.

In Westafrika könnte sich Burkina Faso an Ländern wie dem Senegal oder Nigeria orientieren. Der Senegal hatte bisher vier Präsidenten. Keiner von ihnen wurde militärisch gestürzt, einer trat freiwillig zurück und zwei wurden demokratisch abgewählt. Die senegalesische Zivilgesellschaft hat Freiräume, die Opposition Rechte, die parlamentarische Vertretung funktioniert, die Presse arbeitet frei. Die Bewegung „J’en ai marre“, zu Deutsch „Ich habe genug“, hatte im Senegal 2011 den damaligen Präsidenten zwar nicht an einer erneuten Kandidatur gehindert, aber zu seiner Niederlage beigetragen. In Nigeria vollzog sich der jüngste Präsidentenwechsel trotz des Konflikts mit der islamistischen Terrorgruppe Boko Haram und der Auseinandersetzungen um Ressourcen einigermaßen reibungslos – immerhin.

Eine Generation fordert Perspektiven

Wie Burkina Faso steht eine Reihe weiterer westafrikanischer Länder vor großen Aufgaben, denn der Kontinent ist unglaublich jung. Im Niger liegt das Durchschnittsalter bei 15 Jahren, in Mali bei 16. Diese  Generation hat dank der Flut digitaler Bilder und des globalen Austauschs bisher nicht bekannte Möglichkeiten. Es ist eine Generation, die bislang von den Mächtigen ignoriert wurde und keine Chancen auf dem formellen Arbeitsmarkt hat. Eine Generation bislang ohne Zukunft, die Perspektiven einzufordern beginnt.

Zuweilen mangelt es in den Ländern an guter Regierungsführung, und immer wieder kommt es zu Versuchen, die Amtszeiten von Präsidenten über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus zu verlängern. Doch in einigen Ländern nehmen die Kontroversen über die verfassungsrechtlich festgeschriebenen Wahlperioden der Präsidenten zu. Das führt vielerorts zu Protesten, die in Burkina unvorhergesehen groß wurden und die es auch in der Demokratischen Republik Kongo und – derzeit mit besorgniserregender Gewalteskalation – in Burundi gibt. Die Gründe für die Protestbewegungen sind oft ähnlich: Frust darüber, dass einige wenige sich maßlos bereichern und sich keiner juristischen Kontrolle stellen müssen. Auch gegen diese Kultur der Straflosigkeit beginnen sich die Menschen aufzulehnen.

In Burkina Faso sind im gegenwärtigen Umbruch verschiedene Gefühle spürbar: Trauer über diejenigen, die ihr Leben verloren haben, Stolz auf die eigene Kraft und ihre Wirkung, Hoffnung darauf, dass sich Politik und Gesellschaft zu einer demokratischen Grundordnung bekennen und dass es zu einer umfassenden Strafverfolgung kommt, Wachsamkeit gegenüber Gefahren, die die gesamte Region betreffen, und gegenüber gefährlichen Trittbrettfahrern, die von innen das Geschaffene zerstören könnten.

Die Bürgerinnen und Bürger Burkina Fasos haben sich eine Chance erkämpft, die Politik ihres Landes mitzugestalten. Wichtig ist dabei auch, die Vergangenheit aufzuarbeiten, damit es in der Gesellschaft zu Heilung und Versöhnung kommt. Unser Anliegen hierzulande muss es sein, die Selbsthilfekräfte im Land zu stärken, damit die politischen, ökonomischen, sozialen und kulturellen Menschenrechte gewahrt werden. Nur so haben die Jugendlichen in Burkina Faso eine Zukunft.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2015: Den Frieden fördern, nicht den Krieg
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