Treibstoff für die Krise

Simbabwe
Simbabwe steht auf der Kippe. Die wirtschaftliche Not treibt die Leute auf die Barrikaden, und die Regierung wittert eine Verschwörung aus dem Ausland. Doch der Präsident und sein Stellvertreter sind sich selbst nicht einig, wie es in dem Land weitergehen soll.

Zwölf Menschen wurden laut Human Rights Watch in Simbabwe bei den gewaltsamen Protesten im Januar von Sicherheitskräften des südafrikanischen Staates getötet. Anlass der Proteste, die von der Regierung mit der größten staatlichen Razzia seit Jahren beantwortet wurden, waren Treibstoff- und Bargeldmangel sowie eine Preiserhöhung für Benzin und verschiedene Grundnahrungsmittel.

Unter den Toten waren nach Regierungsangaben ein Polizist, der in Bulawayo, der zweitgrößten Stadt des Landes, erschlagen worden sein soll, und eine Reihe unbewaffneter Zivilisten, meist arbeitslose Jugendliche aus kleineren Ortschaften außerhalb der Hauptstadt Harare und dem westlich davon gelegenen Kadoma.

Vorwurf der Wahlfälschung steht im Raum

Über die wirtschaftliche Misere hinaus kursieren allerhand Begründungen für den Aufstand gegen Emmerson Mnangagwa. So wirft die Regierung der Opposition vor, dass sie noch immer das Wahlergebnis vom Juli 2018 anzweifelt – damals hatte sich Mnangagwa äußerst knapp mit 50,8 Prozent der Stimmen gegen seinen Hauptgegner Nelson Chamisa von der MDC Alliance durchgesetzt, der 44,3 Prozent der Stimmen erhielt. Aus Frust habe die Opposition mit Hilfe einiger westlicher Staaten, darunter Deutschland und Großbritannien, sowie nichtstaatlicher Organisationen die Proteste angefacht, um in Harare einen Regimewechsel zu bewirken.

Der Staatsminister für Nationale Sicherheit, Owen Ncube, ein politischer Verbündeter Mnangagwas, hat die Opposition und zivilgesellschaftliche Organisationen für die Gewalt verantwortlich gemacht. Rund 200 Menschen seien im Zusammenhang mit den Protesten festgenommen worden. Auch Präsident Mnangagwa hat die Demonstranten für die Gewalt verantwortlich gemacht.

Die Krise hat aber auch etwas mit den Machtkämpfen innerhalb der Regierungspartei Zanu PF zu tun und mit einem Streit zwischen Emmerson Mnangagwa und seinem Stellvertreter, Vizepräsident Constantino Chiwenga. Die beiden ringen um die Kontrolle der Treibstoff- und Energieindustrie des Landes. Laut südafrikanische Medien sind Mnangagwa und Chiwenga uneins in der Frage, ob Simbabwes Benzinversorgung neu organisiert und eine zweite Pipeline installiert werden soll.

Zankapfel Benzinversorgung

Mnangagwa, der zu den reichsten Geschäftsleuten in Simbabwe zählen soll, soll über eine Firma namens Zuva Petroleum mit der Benzinindustrie verbunden sein. Sie importiert den Treibstoff und gehört zu den wichtigsten Spielern der Industrie. Mnanangagwa, so heißt es, befürworte eine zweite Pipeline in das Land und werde dabei von einer südafrikanischen Firma unterstützt, die unter Mining Oil and Gas Services (Mogs) an der Börse gelistet ist. Die zweite Pipeline würde die Vorrangstellung eines bekannten simbabwischen Geschäftsmannes brechen, der momentan die Firma Sakunda Holdings führt, die zu den größten Benzinimporteuren des Landes zählt.

Sakunda Holdings hat eine Tochtergesellschaft namens Sakunda Energy, an der wiederum eine südafrikanische Tochter des internationalen Rohstoffkonzerns Trafigura beteiligt ist. Von Vizepräsident Chiwenga wird gesagt, er habe seine eigenen Interessen in der Branche, da der wohlhabende Eigentümer Sakunda Holdings zu seinen Verbündeten und Geldgebern zählt.

Simbabwes Treibstoffversorgung funktioniert so: Importeure wie Sakunda bringen das Benzin über die einzige Pipeline des Landes vom Hafen Beira in Mosambik nach Harare und verkaufen es dann an Großhändler. Die wiederum verkaufen es an die Einzelhändler. Den Importeuren mangelt es wie der gesamten simbabwischen Wirtschaft an Devisen, um das eingeführte Benzin zu bezahlen. Deshalb teilt ihnen die Regierung Devisen zu, wobei nicht klar ist, nach welchen Kriterien sie das tut.

Die Regierung ist in zwei Lager gespalten

Über diese wirtschaftlichen Interessengegensätze hinaus ist man sich in der Regierung auch über den Umgang mit der politischen und wirtschaftlichen Krise uneins. Außenpolitik, Kabinett, Parlament und Sicherheitskräfte sind in jeweils zwei Lager gespalten, die entweder Mnangagwa oder Chiwenga unterstützen. Nach außen hin bemühen sich beide Flügel um Einigkeit, um den wirtschaftlichen Kollaps zu verhindern, der das Ende ihrer Herrschaft bedeuten könnte.  Im Hintergrund aber betreibt Mnangagwa eine pro-westliche Außen- und Wirtschaftspolitik, während sein Stellvertreter nach Osten blickt und vor allem zu China und Russland Verbindung sucht.

Mnangagwa wird aus seiner Partei und aus Regierungskreisen vorgeworfen, seine Politik der Wiederannäherung an die Europäische Union (EU) und die USA bringe keine greifbaren Erfolge. Denn die westlichen Staaten fordern politische und wirtschaftliche Reformen, bevor sie Investitionsabkommen mit Harare schließen.

Autor

Itai Mushekwe

Itai Mushekwe ist Journalist und stammt aus Simbabwe. Er lebt in Köln und betreibt das Internetportal "Spotlight Zimbabwe".
Harare knüpft derzeit neue wirtschaftliche Beziehungen zu Weißrussland, Kasachstan und Aserbaidschan, was darauf hindeutet, dass sich Chiwengas Position durchzusetzen scheint. Moskau hat damit begonnen, in größerem Umfang in Simbabwes Diamant- und Platinabbau zu investieren. Mnangagwa hofft indessen, dass die EU und die USA ihre Sanktionen gegen Harare beenden und die Wirtschaft des Landes wieder hochfahren und modernisieren.

Außerdem wichtig für die weitere Entwicklung ist Südafrika. Um die Krise in Simbabwe lösen zu helfen und seine eigenen Wirtschaftsinteressen zu schützen, hilft das Land seinem Nachbarn Simbabwe mit einem Darlehen in unbekannter Höhe, das zwischen Mnanangagwa und seinem südafrikanischen Kollegen Cyril Ramaphosa ausgehandelt wurde. Pretoria hat eine ganze Reihe von Geschäftsinteressen in Simbabwe, vom Bergbau über Landwirtschaft, dem Einzelhandel, Medien und Telekommunikation.

Was kann Südafrika bewirken?

Ramaphosa traf sich im Dezember aber auch privat mit Oppositionsführer Chamisa in Simbabwe. Er hoffte, Mnanangagwa und die Opposition für Gespräche und eine mögliche politische Einigung in Form einer Regierung der nationalen Einheit an einen Tisch zu bekommen. Doch seine Bemühungen scheiterten daran, dass Mnanangagwa die Macht auf keinen Fall teilen will. In Südafrika leben rund drei Millionen Simbabwer, die auf der Suche nach einem besseren Leben die Grenze überquert haben und sich zumeist illegal in Südafrika aufhalten. Politische Stabilität in Simbabwe ist aus diesem Grund für Südafrika äußerst wichtig, denn es sollen nicht noch mehr Flüchtlinge ihr Heil im Nachbarland suchen.

Die kommenden Monate könnten weitere Streiks der Staatsbediensteten und auch der Opposition bringen. Da Armee und Sicherheitskräfte diesmal besser vorbereitet sind und die Demonstrationen von Anfang an klein halten werden, wird es aber vermutlich keine Gewalteskalation wie im Januar geben.

Mnangagwas Bemühungen um Zusammenarbeit mit und Investitionen aus Russland, Weißrussland, Kasachstan und Aserbaidschan könnten sich günstig auf die Wirtschaft auswirken, insbesondere in den Bereichen Bergbau und Landwirtschaft. Kasachstan interessiert sich für Weizen, Fleischprodukte und Tabak aus Simbabwe, während Russland ins Land kommt, um Platin und Diamanten abzubauen. Mnangagwa hat sich im Januar mit Präsident Wladimir Putin getroffen mit dem Ergebnis, dass Moskau seine Kredite an Harare verlängert, damit das Land seine internationalen Schulden bedienen kann.

Darüber hinaus hat Simbabwes Finanzminister Mthul Ncube angekündigt, es werde schon bald eine neue Landeswährung eingeführt. Seit 2015 verfügt Simbabwe nicht mehr über eine eigene Währung und greift stattdessen auf so genannte Bond Notes sowie US-Dollar, Euro, Rand und Yuan zurück. Wenn es gelingt, Simbabwe in den kommenden Monaten wirtschaftlich zu stabilisieren, dann könnte das auch die politische Lage entspannen.

Aus dem Englischen von Barbara Erbe.

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erschienen in Ausgabe 3 / 2019: Rassismus
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