Korruption oder bloß ein „Steuerproblem“?

Eine Debatte über Rüstungsexporte auf dem Kirchentag
Eine Debatte über Rüstungsexporte auf dem Kirchentag

(4.5.2013) Tabak und Alkohol schaden der Gesundheit. Der Verkauf und der Konsum werden deshalb in vielen Ländern stark reguliert. Der Handel mit Waffen und Rüstungsgütern hingegen werde im Vergleich dazu viel zu wenig kontrolliert. „Rüstungsexporte sollten das am stärksten regulierte Geschäft sein, das wir uns denken können“, forderte der südafrikanische Journalist und Buchautor Andrew Feinstein bei einer Podiumsdiskussion auf dem Evangelischen Kirchentag in Hamburg.

Feinstein recherchiert seit vielen Jahren zum internationalen Waffenhandel und hat im vorigen Jahr ein dickes Buch dazu vorgelegt. In Hamburg erklärte er, es gebe praktisch kein Rüstungsgeschäft, bei dem nicht irgendwie Bestechung im Spiel sei. Laut Transparency International, der weltweiten Initiative gegen Korruption, fließen im internationalen Waffenhandel jährlich 20 Milliarden Dollar Schmiergeld. Laut Feinstein entfallen 40 Prozent der globalen Korruption auf Rüstungsgeschäfte. So habe etwa Thyssen-Krupp im Rahmen eines Waffendeals mit Südafrika vor einigen Jahren über einen Mittelsmann in Liberia 25 Millionen Dollar Schmiergelder gezahlt. Georg Adamowitsch, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie, wies diesen Vorwurf zurück. In der deutschen Rüstungsindustrie gebe es keine Korruption. Bei dem Fall von Thyssen-Krupp in Südafrika habe es sich um ein „Steuerproblem“ der südafrikanischen Behörden gehandelt.

Jan Grebe vom Internationalen Konversionszentrum in Bonn und Leiter der Fachgruppe Rüstungsexporte der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) sagte, die gegenwärtige Bundesregierung verschiebe die Prioritäten bei der Genehmigung von Rüstungsexporten: Sicherheitspolitische Aspekte seien heute wichtiger als früher. Einig waren sich Grebe und Adamowitsch jedoch darin, dass nicht von einer „Merkel-Doktrin“ gesprochen werden könne, nach der die Regierung versuche, Waffenlieferungen gezielt als Instrument zur Stabilisierung von unsicheren Regionen einzusetzen. „Rüstungsexporte sind kein Instrument der Friedenspolitik“, sagte Adamowitsch.

Der EKD-Vorsitzende Nikolaus Schneider sagt, der UN-Waffenkontrollvertrag sei „ein Hoffnungsträger“

Einig waren sich der Friedensforscher und der Rüstungslobbyist auch darin, dass bei der Entscheidung für oder gegen Waffenlieferungen die Regierung das Parlament besser informieren müsse. Mehr Transparenz sei nötig, sagte Adamowitsch, weil sich in der Öffentlichkeit stärker als früher die „Akzeptanzfrage“ stelle. Andrew Feinstein sagte, mehr Transparenz reiche aber nicht. Es müsse eine wirksame zivile Kontrolle von Waffengeschäften geben.

Auch Nikolaus Schneider, der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), forderte in seinem abschließenden Vortrag mehr parlamentarische Kontrolle von Rüstungsexporten. Und er plädierte dafür, Erfolge nicht kleinzureden: Der UN-Vertrag zur Kontrolle des internationalen Waffenhandels, den die Vereinten Nationen Anfang April verabschiedet haben, sei trotz seiner Mängel „ein Meilenstein und Hoffnungsträger“. (Tillmann Elliesen)

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