„Deutschland ist noch weit von Inklusion entfernt“

Ein Gehörloser schildert seine Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit
Ein Gehörloser schildert seine Erfahrungen in der Entwicklungszusammenarbeit

„Das Thema Behinderung steht in der Entwicklungspolitik dort, wo die Behinderten selbst stehen: weit unten“, schreibt Robert Remarque Grund in der Februar-Ausgabe von „welt-sichten“. Grund, Vorsitzender der Behindertenorganisation „Zusammen – Hamhung“, wurde gehörlos geboren. Er sagt: „Das Thema Behinderung beziehungsweise Gehörlosigkeit in der Entwicklungszusammenarbeit haben in der Regel Hörende besetzt, die sicher mit viel gutem Willen, aber allzu oft mit genauso viel Inkompetenz ihre gut gemeinten Ideen umsetzen dürfen.“

Grund schildert in „welt-sichten“ seine Erfahrungen als Gehörloser in der Entwicklungszusammenarbeit; seine Organisation plant ein Bildungszentrum für gehörlose, blinde und nichtbehinderte Kinder im nordkoreanischen Hamhung. Zudem vertritt Grund den Weltverband der Gehörlosen in Nordkorea.

Er sagt, die Zugangsbedingungen in der deutschen Entwicklungszusammenarbeit seien für Behinderte „um ein Vielfaches schwerer“ als für nicht Behinderte: „Für mich als Gehörlosen ist es sehr schwer und aufwendig, einen Projektantrag an die Europäische Union zu verfassen. Und wenn er dann endlich fertig ist, gelangt er in die Hände von Gutachtern, die keine Ahnung haben. Die Chancen für einen Gehörlosen sind unter diesen Bedingungen gleich Null.“

Grund fordert sogenannte Tandem-Projekte: „Gehörlose bekommen Zugangsbedingungen, die ihrer Behinderung entsprechen, das heißt bezahlte Arbeitsassistenz und Dolmetscher – genauso wie ein Rollstuhlfahrer seinen Rollstuhl gestellt bekommt und ein Blinder seinen Braille-Computer.“

 „Barrieren für jede einzelne Behinderung benennen und beseitigen“ 

Vorbild, auch bei der Schulbildung, seien die USA. „Gebärdensprache kann dort in der Schule gelernt werden, und viele Amerikaner beherrschen sie.“ Länder wie Finnland und Schweden hätten bereits Anfang der 1980er Jahre den Oralismus abgeschafft – die Spracherziehung, die auf Gebärdensprache weitgehend verzichtet und stattdessen die Bildung von Sprechlauten und das Ablesen vom Mund verlangt. In Deutschland hingegen habe unter dem Druck des Oralismus die Schulbildung bis zum Jahr 2010 „erheblich gelitten“. Grund sagt, es gebe „großen Bedarf an einer Infrastruktur“, die Inklusion tatsächlich umsetzt: „Barrieren für jede einzelne Behinderung genau ansehen und benennen. Nur so kann man sie beseitigen.“ (osk)

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