Wie christlich darf es sein?

Hilfswerke diskutieren über ihre Außendarstellung
Hilfswerke diskutieren über ihre Außendarstellung

Pax Christi in den Niederlanden heißt seit kurzem nur noch Pax. Der Bezug auf das Christentum sei hinderlich, um eine breitere Öffentlichkeit zu erreichen, lautete die Begründung. Geht es anderen kirchlichen Entwicklungsorganisationen wie Brot für die Welt und Misereor ebenso? Fast alle diskutieren darüber, wie christlich oder säkular sie sich nach außen darstellen sollen. Eines steht fest: Ihre Identität verstecken möchten sie nicht. Auch wenn eine christliche Gesinnung manche Spender abschrecken kann – vor allem Unternehmen und Stiftungen.

Vielleicht haben Katholiken es manchmal schwerer. Sobald es einen Skandal in der Kirche gibt wie unlängst im Bistum Limburg, hängen auch die katholischen Organisationen mit drin, obwohl sie nichts damit zu tun haben. „Als katholisches Hilfswerk merken wir schnell, wenn sich die Stimmungslage gegenüber der Kirche verändert“, sagt Ralph Allgaier, Pressesprecher bei Misereor. Dass es nach Limburg doch nicht zum befürchteten Spendeneinbruch gekommen ist, führt Allgaier auch darauf zurück, dass Misereor offensiv dazu aufgefordert habe, angesichts solcher Skandale nicht alle katholischen Institutionen über einen Kamm zu scheren. „Gerade in einer solchen Situation müssen wir zeigen, dass wir als katholisches Hilfswerk etwas Positives zu bieten haben.“

Das sieht auch Matthias Dörnenburg so, Marketingleiter beim katholischen Hilfswerk Fastenopfer in der Schweiz. Während die katholische Soziallehre durchaus fortschrittlich sei, stelle die rigide Sexualmoral und das traditionelle Familienbild, das von gewissen Kreisen in der katholischen Kirche vertreten wird, eine „echte Herausforderung“ dar. „Als Hilfswerk müssen wir deutlich machen, wofür wir stehen.“ Den Bezug zum Glauben sehe er aber nicht nur als Hemmschuh, sondern vor allem als Chance. Wenn es darum gehe, ungerechte Strukturen zu verändern, sei er eine positive Ressource. Um sich in einem säkularen Umfeld verständlich zu machen, brauche es aber eine neue Sprache: „Wir dürfen nicht in der Amtskirchensprache sprechen“, sagt Dörnenburg.

Das Christliche darf nicht versteckt werden

In fast allen christlichen Hilfswerken finden Diskussionen darüber statt, wie christlich oder säkular man sich nach außen darstellen soll. Einigkeit herrscht darüber, dass das Christliche nicht versteckt werden darf. „Es macht keinen Sinn, seine Wurzeln zu verleugnen“, sagt Cornelia Füllkrug-Weitzel, Präsidentin von Brot für die Welt im Evangelischen Werk für Diakonie und Entwicklung. Das Christliche sei schließlich der „Mehrwert“ im größer werdenden Kreis von Entwicklungsorganisationen. Von denen würden immer mehr ihre Arbeit als reines „social business“ sehen: als Geschäft, wenn auch als gemeinnütziges.

„Als christliches Werk handeln wir selbstlos, nicht gewinnorientiert, sondern wertebasiert und partnerorientiert“, sagt Füllkrug-Weitzel. Christen, die sich für Gemeinwohl, Gerechtigkeit, Menschenrechte und Frieden engagierten, seien lange verächtlich Gutmenschen genannt worden. Tatsächlich brauche die Welt viel mehr davon.

Bei Spendern hingegen kann die christliche Gesinnung zum Ausschlusskriterium werden. „Vor allem institutionelle Spender wie Unternehmen oder Stiftungen ziehen weltanschaulich neutrale Organisationen vor“, sagt Rainer Brockhaus, Direktor der Christoffel-Blindenmission (CBM). Bei Einzelspendern mache man jedoch die gegenteilige Erfahrung: „Sie schätzen es, wenn sie wissen, wofür wir stehen.“

Entscheidend sei das Ziel und der Zweck der CBM: Das Eintreten für Menschen mit Behinderungen in Entwicklungsländern. „Wenn aber jemand wissen will, warum wir das alles tun, komme ich auf unsere christliche Identität zu sprechen“, sagt Brockhaus. 

In religiös geprägten Regionen kann der Glaubens-Bezug viel bewirken

Ähnlich sieht es Beat Dietschy, Geschäftsführer bei Brot für alle in der Schweiz. „Dass wir unsere Identität nicht verstecken, ist klar. Wir tragen aber ,christliche Werte‘ nicht als Etikett vor uns her.“

So wie Beat Dietschy freut sich auch Jürgen Thiesbonenkamp, Vorstand der Kindernothilfe, dass seine Organisation einen selbsterklärenden Namen hat. „Wir setzen uns für Kinder ein, egal welcher Herkunft oder Religion.“ Anfangs sei das Logo noch ohne Kreuz gewesen, erst in den 1980er Jahren sei es hinzugefügt worden. Daran störten sich nicht einmal nichtchristliche Partnerorganisationen. „In Somaliland, das zu fast 100 Prozent muslimisch ist, arbeiten wir beispielsweise mit einem Partner zusammen gegen Genitalverstümmelung. Auf deren Plakaten erscheint auch unser Logo mit dem Kreuz. Da gibt es keine Berührungsängste.“

Rainer Brockhaus von der CBM geht sogar noch weiter. Gerade in muslimischen Ländern zeige sich, dass man es als christliches Hilfswerk einfacher habe als säkulare Organisationen. „Einem gläubigen Muslim kann ich mein Wertesystem erklären, und er kann es zu seinem eigenen Wertesystem in Verbindung bringen.“ Säkularen Organisationen dagegen werde häufig unterstellt, hinter ihrer Hilfe steckten wirtschaftliche Interessen.

„In religiös geprägten Gesellschaften kann der Bezug zum Glauben sehr viel bewirken“, sagt Beat Dietschy und nennt als Beispiel einen theologischen Fernkurs zum Klimawandel für Laien in Nigeria, den das Partnerwerk mission 21 durchgeführt habe. So könne der Klimawandel viel überzeugender als Folge menschlichen Verhaltens einsichtig gemacht werden. Würde man in religiös geprägten Gesellschaften versuchen, „Entwicklungsfragen religionsfrei anzugehen“, würde man die Leute viel schwerer erreichen.

Katja Dorothea Buck

Länder

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