Drei große Krisen sind zu viel

Die humanitären Katastrophen überfordern die Helfer
Die humanitären Katastrophen überfordern die Helfer

Als „Level 3“ werden bei den Vereinten Nationen besonders schwere Katastrophen und Notfälle bezeichnet. Schon ein einzelner Konflikt oder eine Naturkatastrophe dieser Größenordnung stellt für die UN und andere Hilfsorganisationen eine riesige Herausforderung dar. Doch was geschieht, wenn zwei oder sogar drei gleichzeitig gemeistert werden müssen?

„Wir sind unweigerlich überfordert, das zu leisten, was notwendig wäre“, sagt Ralf Südhoff, Leiter des Berliner Büros des UN-Welternährungsprogramms (WFP), das sich derzeit in gleich drei Konflikten der Kategorie „Level 3“ engagiert:  in Syrien, im Südsudan und in der Zentralafrikanischen Republik. „Das ist einmalig in der Geschichte des WFP“, sagt Südhoff.

Immerhin: Auf den Philippinen, wo das WFP nach dem Taifun Haiyan Ende 2013 viele Notleidende versorgen musste, habe sich die Lage gebessert.

In den drei anderen Ländern ist das in absehbarer Zeit nicht zu erwarten. In Syrien handelt es sich „um die größte humanitäre Katastrophe aller Zeiten“, sagt Südhoff, der Hilfsbedarf sei einmalig. Bis zu zehn Millionen Syrer sind auf Unterstützung angewiesen. Das WFP, das sich aus freiwilligen Spenden finanziert, benötigt dafür allein in diesem Jahr zwei Milliarden Dollar. Fest zugesagt sei aber erst ein Fünftel davon.

Allein das WFP unterstützt mehr als vier Millionen Syrer im Land und weitere 1,5 Millionen Flüchtlinge im Libanon, Jordanien, der Türkei und in Ägypten - das kostet 40 Millionen Dollar die Woche. Dass die Finanzmittel so spärlich fließen, hat mehrere Gründe. „Grundsätzlich lässt sich maximal eine große Krise ins Zentrum der Aufmerksamkeit holen“, sagt Südhoff. Zudem gehe der Konflikt in Syrien ins vierte Jahr, das habe zu einer Müdigkeit mancher Geber geführt, die nicht mehr gewillt seien, jedes Jahr deutlich mehr Mittel bereitzustellen. Das Problem liegt aber nicht nur bei den Regierungen, sondern auch bei privaten Spendern, die sich erfahrungsgemäß zurückhalten, wenn es um kriegerische Konflikte geht.

Auch Martin Keßler, Leiter der Diakonie Katastrophenhilfe, weiß um die geringe Spendenbereitschaft bei Gewaltkonflikten. Während nach dem Taifun Haiyan acht Millionen Euro für die Philippinen gesammelt wurden, sind es beim Südsudan bislang nur 200.000 Euro. Dabei sei die Lage dort mit 900.000 Flüchtlingen besonders dramatisch.

Im Südsudan droht eine Hungersnot

Für Syrien hat die Diakonie Katastrophenhilfe in den ersten vier Monaten dieses Jahres 440.000 Euro gesammelt, im vergangenen Jahr waren es etwas mehr als zwei Millionen Euro. Aber auch hier gilt: „Wir würden gern mehr tun, doch es fehlen die Mittel.“

Auch Maria Klatte, Leiterin der Abteilung Afrika / Naher Osten bei Misereor, betont das besondere Ausmaß der drei großen humanitären Katastrophen. Brisant sei vor allem, dass es ausnahmslos Gewaltkonflikte sind, die die Funktionsfähigkeit von staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen gefährden. Das mache es schwieriger, die Hilfe zu organisieren, da die Partnerorganisationen von Misereor vor Ort zunehmend Gefahren ausgesetzt seien und vor logistische Herausforderungen gestellt würden. Die Auseinandersetzung im Südsudan berge die Gefahr, die Errungenschaften der Projektarbeit der letzten Jahre im Gesundheits- und Bildungsbereich zu zerstören. „Das, was wir eigentlich tun wollen, wird derzeit in Frage gestellt“, sagt Klatte. Andererseits hat Misereor zusammen mit seinen lokalen Partnerorganisationen gerade in fragilen Kontexten wie Syrien und Südsudan die Möglichkeit, zunehmend Nothilfe für Flüchtlinge zu leisten.

Problematisch ist, dass Organisationen wie das World Food Programme großen Vorlauf benötigen, um die Hilfe zu organisieren. Daher sei es wichtig, dass Geld so früh wie möglich zur Verfügung steht, damit genug Zeit bleibt, um Lebensmittel zu besorgen und ins Land zu bringen. Im Südsudan  sei schon jetzt absehbar, dass es in einigen Monaten eine Hungersnot geben könnte, wenn nicht gehandelt wird, sagt Ralf Südhoff. Denn wegen des Konflikts wurden die Felder nicht bestellt, die Ernte werde daher viel zu klein ausfallen. Die Level-3-Krise im Südsudan könnte noch schlimmer werden. (ok)

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