Die Leiche im eigenen Keller

Das Folterverbot gilt absolut – und muss durchgesetzt werden

Das Folterverbot gilt absolut – und muss durchgesetzt werden

Der CIA-Folterreport und das Guantanamo-Tagebuch von Mohamedou Ould Slahi machen hilflos und wütend. Die öffentliche Empörung bleibt jedoch weitgehend aus. Doch sie wäre dringend nötig, um die Regierungen in den USA und Europa zum Handeln zu zwingen, meint „welt-sichten“-Redakteurin Gesine Kauffmann.

Schlafenzug, Zwangsernährung, sexuelle Übergriffe: Nüchtern und in allen Einzelheiten beschreibt Mohamedou Ould Slahi, wie er im US-amerikanischen Militärgefängnis Guantanamo gefoltert worden ist. So lange, bis er alles Mögliche erzählte, was sich in den Ohren seiner Peiniger gut anhörte – nur der Wahrheit entsprach es nicht. Sein Tagebuch, mit zehn Jahren Verspätung Mitte Januar erschienen, macht wütend und hilflos. Es gibt dem CIA-Folterreport ein Gesicht. Und man wünscht sich, Zehntausende würden endlich auf die Straße gehen und für die Abschaffung der Folter demonstrieren – so wie gegen den islamistischen Terror nach den Anschlägen in Paris. Aber das passiert nicht.

Die öffentliche Empörung beschränkt sich auf Medienberichte und Blogeinträge und wird sonst denen überlassen, die sich schon laut Mandat damit befassen: Amnesty international, dem Berliner Menschenrechtsanwalt Wolfgang Kaleck, der das deutsche Folteropfer Khaled al-Masri vertritt, oder dem früheren Linken-Politiker und Juristen Wolfgang Nescovic, der für die deutsche Übersetzung des CIA-Folterreports verantwortlich zeichnet. Ein Grund dafür könnte sein, dass der islamistische Terror plötzlich ganz nah scheint, während Folter in dunklen Geheimverliesen stattfindet, weit weg vom eigenen Alltag.

Die Europäer müssen ihre Beteiligung an den CIA-Programmen offenlegen

Hinzu kommt: Die Ansicht ist weit verbreitet, wer auf solche Weise behandelt wird, muss wohl irgendwie Dreck am Stecken haben. Die „speziellen Verhörmethoden“ der CIA im Kampf gegen den internationalen Terrorismus finden zwar unter Deutschen weitaus weniger Zustimmung als bei den Amerikanern. Doch immerhin 15 Prozent glauben laut einer aktuellen Forsa-Umfrage hierzulande, dass bei der Folter der Zweck die Mittel heiligt. Auch wenn im CIA-Report deutlich wird, dass die Quälerei ihren Zweck, verwertbare Informationen zu erhalten, um Anschläge zu vereiteln oder Diktatoren zu stürzen, gar nicht erfüllt.

Und selbst wenn sie es täten: Das Verbot der Folter gilt absolut. Denn sie missachtet die Würde des Menschen, die unantastbar ist. Dieses Verbot durchzusetzen, ist Aufgabe der Regierungen. Washington müsste die Verantwortlichen für die Folterpraktiken bestrafen; die Europäer müssten ihre Beteiligung an dem CIA-Programm offenlegen und Verantwortung dafür übernehmen. Doch bislang bewegt sich da wenig. Und auf öffentlichen Druck ist nicht zu hoffen.

Gesine Kauffmann

 

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