Kein Frieden ohne die starken Männer

Mats Utas (Hg.)
African Conflicts and Informal Power. Big Men and Networks
Zed Books, 2012, 255 Seiten,
20,30 Euro

Die Autoren des Sammelbandes untersuchen, ob und wie ein Aufbau staatlicher Institutionen von außen gelingen kann. Den von der Diplomatie betriebenen State-Building-Ansatz sehen sie skeptisch.

Politik in Afrika funktioniert zu einem großen Teil über informelle Netzwerke. Zwar weisen viele Länder die Insignien der staatlichen Souveränität auf – Parlamente, eine nationale Armee, Gesetze und Gerichtsbarkeit zählen dazu –, doch sind Bindungen zwischen Untertanen beziehungsweise Bürgern und ihren Patronen von großer Bedeutung. Diese zwei Formen der Herrschaftsausübung mischen sich häufig und sind nicht voneinander zu trennen. Mit Bezug auf den Soziologen Max Weber wird diese Form der Macht als Neopatrimonialismus bezeichnet.

Der von dem schwedischen Sozialanthropologen Mats Utas herausgegebene Band beschäftigt sich intensiv mit den Personen, die sich als „Big Men“ in informellen Herrschaftsnetzwerken positionieren können und auf lokaler und nationaler Ebene großen Einfluss haben. Fünf Fallstudien, die auf Feldforschungen beruhen, beschäftigen sich mit Uganda, Sierra Leone, der Elfenbeinküste, Liberia und Mali. Hier geht es um die Beständigkeit militärischer Strukturen nach einem Friedensschluss, den Aufstieg „Big Men“ aus den Regionen in die formellen Strukturen des Staates oder die Verquickung von Sicherheits- und Geschäftsinteressen. Fünf weitere Beiträge behandeln unter anderem die Strategien von starken Männern gegenüber der internationalen Gerichtsbarkeit und die Kontrolle über Naturressourcen. Mit Hilfe der Netzwerk-Analyse wollen die Autoren stereotype Erklärungen für Gewalt und Konflikte, die vor allem ethnische Faktoren oder Kriminalität in den Blick nehmen, hinter sich lassen.

Die internationale Nothilfe- und Wiederaufbauindustrie, so Utas in seiner theoretischen Einleitung, begreife informelle Netzwerke lediglich als Gefahr für die Stabilität in kriegsgeplagten Staaten. Doch sie seien nicht einfach kriminell, sondern eine Ausweitung und Umgestaltung von Beziehungen aus dem Krieg, die im Frieden fortbestehen. Ein gutes Beispiel sind die Zustände, die Henrik Vigh in seinem Beitrag zum Geschäft mit südamerikanischem Kokain in Guinea-Bissau analysiert. Nicht der Kokainhandel habe den Staat und seine Strukturen untergraben, sondern die Drogenkartelle hätten sich Guinea-Bissau aufgrund seiner schwachen Staatlichkeit ausgesucht. Im ständigen Kampf um Einfluss und Geschäftsvorteile liegt für die meisten Einwohner Guinea-Bissaus der Unterschied zwischen Krieg und Frieden nur im Namen.

In allen Beiträgen geht es auch um die Frage, ob und wie ein von außen inszenierter Aufbau von Institutionen nach dem Zusammenbruch eines Staates überhaupt möglich ist. Die Autoren stehen dem von der internationalen Diplomatie betriebenen Ansatz des Staatsaufbaus skeptisch gegenüber. Klar wird nach der Lektüre dieses inspirierenden Buches, dass ohne die Einbeziehung der „Big Men“ und ihrer Netzwerke ein dauerhafter Frieden und halbwegs stabile Institutionen nicht zu haben sind. (Ruben Eberlein)

Erschienen in welt-sichten 10-2013

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