Öffnung für die Ökumene


Die Auseinandersetzung mit dem Apartheidregime in Südafrika hat unter westdeutschen Protestanten teils heftige Kontroversen hervorgerufen. Sebastian Tripp arbeitet in seinem Buch die Veränderungen heraus, die diese Konflikte bewirkt haben.

Tripp stellt zunächst dar, wie das Anti-Rassismus-Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), die Kampagne „Kauft keine Früchte der Apartheid“ der Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland (EFD) und der Streit um die Konten des Deutschen Evangelischen Kirchentags (DEKT) bei der Deutschen Bank bei den evangelischen Christen in Westdeutschland aufgenommen wurden. Er hebt die wichtige Rolle kirchlicher Gruppen und Gemeinden hervor, die die Anti-Apartheid-Bewegung trugen und voranbrachten. Nach seinem Urteil war der Früchteboykott die „langlebigste und bedeutendste Anti-Apartheid-Kampagne in der Bundesrepublik Deutschland“. Die verfasste Kirche hingegen spielte die Rolle des Bedenkenträgers und fiel gelegentlich durch unüberlegte Argumente und Versuche auf, Basisbewegungen zu disziplinieren. Vor der Boykott­aktion der Frauenarbeit warnte sie etwa mit einem Verweis auf den Boykott jüdischer Geschäfte während der Nazidiktatur. Zudem verhinderte sie, dass bereits bewilligte Mittel für die entwicklungspolitische Bildungsarbeit der Frauenarbeit ausgezahlt wurden.

Die christliche Anti-Apartheid-Bewegung warf grundlegende ekklesiologische Fragen auf. In der Diskussion über das Anti-Rassismus-Programm des ÖRK standen das Verhältnis der Kirche zur Politik und zur Gewalt, der verantwortliche Umgang mit Kirchensteuern und ihre Einheit angesichts zunehmend pluralistischer Wertvorstellungen zur Debatte. Hinzu kam die Befürchtung, im Rahmen des ÖRK-Programms werde mit dem Afrikanischen Nationalkongress (ANC) zugleich der Kommunismus unterstützt.

Die Frauenarbeit wollte mit ihrem Früchteboykott persönliche Betroffenheit in die Tat umsetzen. Es ging ihr um die Glaubwürdigkeit von Christinnen und Christen. Die Auseinandersetzungen über die Konten des Kirchentages bei der Deutschen Bank drehten sich ebenfalls darum, wie Äußerungen und Handlungen übereinstimmen. So wurde um das Selbstverständnis des Kirchentags als einer Laienbewegung gerungen.

Der Streit über Südafrika ist laut Tripp Indikator und zugleich Katalysator für tiefgreifende Veränderungen in den Vorstellungen von Frömmigkeit, Kirche und Politik im westdeutschen Protestantismus. Damit sei eine Öffnung für die Ökumene erreicht worden, erklärt er. Am Rande kirchlicher Strukturen entstanden neue Formen religiösen Handelns, in denen theologische und liturgische Elemente der Ökumene eine wichtige Rolle spielten. Mit dem Früchteboykott wurden bürgerliche und ländliche Bevölkerungsschichten für das Engagement gegen die Apartheid gewonnen, die die kirchliche Frauenarbeit bis dahin nicht erreicht hatte. Der Widerstand gegen die Apartheid als Ausdruck christlicher Lebensführung und die Forderung nach Authentizität im Sinne einer Kongruenz von Reden und Handeln beförderten die entwicklungspolitische Sensibilisierung und Bildung.

Leider fehlt eine kritische Würdigung der im südlichen Afrika tätigen Missionswerke in der Auseinandersetzung mit dem Apartheidregime. Ein Quellen- und Literaturverzeichnis sowie ein Sach- und Personenregister machen das Buch dennoch zu einem fundierten Arbeitsbuch für alle, die sich über die Anti-Apartheid-Bewegungen innerhalb des westdeutschen Protestantismus kundig machen möchten. 

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