Ein Spiegel für Planer und Praktiker

Die 14 Aufsätze dieses Sammelbands analysieren Versäumnisse und ungelöste Probleme der Gender-Politik und veranschaulichen sie anhand von Beispielen aus verschiedenen Kontinenten.

15 Jahre liegt die Verabschiedung der Millennium Development Goals zurück, 20 Jahre die Weltfrauenkonferenz in Peking und 40 Jahre der Auftakt zur ersten Weltfrauendekade der UNO. In allen Abschlussdokumenten dieser internationalen Großereignisse und Abkommen hat die Geschlechtergleichheit großen Stellenwert. Dennoch spricht die weltweite Bilanz zur Gewalt gegen Frauen und zu ihrer systematischen Diskriminierung eine andere Sprache. Vielerorts ist die Situation von Frauen von Ausbeutung und Rechtlosigkeit geprägt. Das schlägt sich in schlechter Gesundheit von Müttern und Kindern nieder und hemmt Entwicklung in jeder Hinsicht.

In diese Zusammenhänge ist der vorliegende Sammelband einzuordnen. Er hält Planern, Entscheidungsträgern und Praktikern den Spiegel vor. Nüchtern analysieren die Autorinnen Versäumnisse und ungelöste Probleme und belegen ihre Thesen mit Beispielen aus verschiedenen Kontinenten. Die Herausgeberinnen des internationalen Instituts für Entwicklungsforschung IUED in Genf haben dabei keineswegs nur europäische oder US-amerikanische Autorinnen ausgewählt. Vielmehr kommen einige afrikanische und lateinamerikanische Gender-Expertinnen zu Wort. Sie behandeln konzeptionelle Fragen und analysieren Geschlechterhierarchien zum Beispiel in Nigeria und Ecuador. Allen Texten gemeinsam sind gut verständliche Erklärungen und nachvollziehbare Kritik.

Die Autorinnen beleuchten Macht und Ungleichheit im umfassenden Sinn. Sie betrachten die Unterschiede zwischen Frauen und Männern unterschiedlichen Status, Alters und Besitzes und berücksichtigen dabei gesellschaftliche und politische Machtverhältnisse ebenso wie rechtliche und ökonomische Ungleichheiten.

Zentral sind die Analyse von Wirtschaftspolitik und marktökonomischen Strukturen sowie deren Wirkung auf die Hierarchien der Geschlechter. Damit stellen die Expertinnen Gender in den Mittelpunkt wirtschaftlicher Entwicklungsfragen. Anhand von Fallstudien aus Peru und Argentinien erklären sie darüber hinaus die Auswirkungen politischer Rahmenbedingungen und das Erbe der dortigen Diktaturen.

Auf diese Weise erhält der Empowerment-Begriff, der in der Entwicklungspraxis oft zu einer Floskel verkommt, die Bedeutung, die er eigentlich haben sollte. Die kenntnisreichen Autorinnen ziehen zeithistorische Längsschnitte und zeigen, wie verschiedene Disziplinen, etwa die Entwicklungsökonomie und die Demographie, Geschlechterhierarchien erforschen – Kritik an Bevölkerungsplanung ist hier exemplarisch. Sie beziehen sich dabei auf postkoloniale Standpunkte und kritische Reflexionen über das Nord-Süd-Verhältnis, beispielsweise auf den derzeitigen neoliberalen Kurs der Weltwirtschaft. So spannen sie aufschlussreiche Bögen zwischen internationalen, nationalen und lokalen Veränderungen, konkret in der Agrarproduktion in Brasilien seit den 1980er Jahren. Wie notwendig wissenschaftlich begründete, grundlegende Neuorientierungen sind, erklärt das lesenswerte, aber leider überteuerte Buch.

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