Arme Staaten, hohe Schulden

Das Entschuldungsbündnis erlassjahr.de und die Kindernothilfe ziehen in ihrem Schuldenreport 2014 eine ernüchternde Bilanz der Entschuldungen besonders armer Länder seit 1999. Trotz Erfolgen seien viele von ihnen weiter überschuldet – das Risiko von Staateninsolvenzen bleibt.

Ihren Bericht legten die beiden Organisationen im Vorfeld der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank vor. An der Präsentation in Berlin nahm auch der Parlamentarische Staatssekretär im Entwicklungsministerium, Thomas Silberhorn, teil. Der Bericht untersucht die langfristige Wirkung der Entschuldungsinitiativen der Industrieländergruppe G8 von 1999 in Köln und 2005 im schottischen Gleneagles.

Danach weist trotz der sogenannten HIPC-Initiative (Heavily Indebted Poor Countries) die Hälfte der ursprünglich 41 hochverschuldeten armen Länder in Asien, Afrika und Lateinamerika weiter problematische Entwicklungen mit einem „mittleren oder hohen Überschuldungsrisiko“ auf. Elf davon zeigten „wieder Schuldenindikatoren im kritischen Bereich“. Einmalige Schuldenschnitte seien somit „nicht zielführend“.

Viele der Länder hätten zwar ihre sozialen Grunddienste verbessert und böten nun eine kostenlose Grundbildung für alle Kinder und eine medizinische Basisversorgung an. Zahlreiche Verbesserungen seien jedoch durch Krisen oder schlechte Regierungsführung in Frage gestellt worden, erklärte der Koordinator von Erlassjahr.de, Jürgen Kaiser. Das gelte etwa für die Zentralafrikanische Republik, Afghanistan, Mali und Burundi.

Ausgaben für Armutsbekämpfung kaum gestiegen

Zudem hätten die 35 Staaten, denen ihre Schulden erlassen wurden, ihre Ausgaben für die Bekämpfung der Armut nur wenig gesteigert, unterstrich der Kindernothilfe-Experte für Entwicklungsfinanzierung und Verschuldung, Frank Mischo. Zwischen 2001 und 2012 sei eine Zunahme von durchschnittlich 6,5 Prozent auf etwa 10 Prozent zu verzeichnen. Rühmliche Ausnahmen seien Ghana, Guinea, Kamerun, Ruanda, Sambia und Tansania.

Erlassjahr.de plädiert deshalb weiter für ein „geordnetes Staateninsolvenzverfahren“. Die im Pariser Club zusammengeschlossenen Gläubigerstaaten und der IWF handelten in der Regel nach dem Muster „too little too late“ (zu wenig zu spät), um „keinen Dollar zu viel zu bezahlen“, kritisierte Kaiser. Sie machten sich zum Richter in eigener Sache.

Solche Verfahren müssten von einer „neutralen Instanz“ geleitet und koordiniert werden, die darüber befinde, „was unter Berücksichtigung menschenrechtlicher Belange zu verteilen ist“. Denkbar sei eine Staateninsolvenzkammer aus unabhängigen Richtern. Auch gehe es darum, Forderungen von privaten wie öffentlichen Gläubigern in einem einzigen Verfahren zu bündeln und das Gutachtermonopol von IWF und Weltbank aufzubrechen.

Schuldenmanagement gehört auf die Post-2015-Agenda

Von der neuen Bundesregierung erwartet Erlassjahr.de, dass sie neue Ideen beim IWF für ein transparenteres internationales Schuldenmanagement aufgreift und unterstützt. Diese Frage gehöre auf die Post-2015-Agenda, ebenso wie ein Rahmenwerk für die verantwortliche Kreditvergabe an arme Länder.

Entwicklungsstaatssekretär Silberhorn erklärte, er teile die Erkenntnis, dass bislang zu spät und in zu geringem Umfang reagiert worden sei. Zudem sehe er die Notwendigkeit, private Gläubiger an allen Schuldenerlässen zu beteiligen.

Insgesamt hat sich die Schuldenlast der Entwicklungs- und Schwellenländer laut dem Report verringert. Mit durchschnittlich 22,1 Prozent sei die Verschuldung im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung deutlich geringer als in den Industrieländern. Kritisch sei die Lage jedoch vor allem in Inselstaaten wie den Seychellen oder Grenada sowie in vielen Ländern Zentralasiens, Ost- und Mitteleuropas, darunter Ungarn, Serbien und Georgien.

Besorgt äußerte sich Erlassjahr.de darüber, dass in den vergangenen drei Jahren unter FDP-Minister Dirk Niebel die sogenannten Schulden-Swaps nicht mehr genutzt worden seien. Dabei werden Verbindlichkeiten von Partnerländern gestrichen, wenn diese statt Kapitaldienst Geld für Infrastruktur- und soziale Projekte einsetzen. Das Entwicklungsministerium habe Möglichkeit, im Rahmen solcher Swap-Vereinbarungen jährlich auf Geldrückflüsse in Höhe von 150 Millionen Euro zu verzichten.
 

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