Ghana: Gummistiefeltanz und Barockmusik

Francis Baffoe und Eva Buckman sind ein eingespieltes Duo. Der 28-jährige Sänger aus Ghana und die 60-jährige Musiklehrerin aus Heidelberg haben schon oft mit­einander Musik gemacht und einige Erfolge zusammen gefeiert. Der jüngste: Anfang Februar hat Baffoe mit seinem Akoo Show Choir einen TV-Wettbewerb gewonnen, eine Art „Ghana sucht den Super-Chor“.

Herr Baffoe, die Fernsehzuschauer in Ghana haben Ihren Chor zum besten des Landes gewählt. Haben Sie damit gerechnet?
Baffoe: Nein, eigentlich nicht. Die anderen Chöre im Wettbewerb waren ziemlich gut.

Naja, schon in der ersten Runde haben die beiden Schiedsrichter im Fernsehen viel an den anderen herumgemäkelt. Ihr Chor war der einzige, den sie ohne Abstriche richtig gut fanden.
Baffoe: Das stimmt. Wir haben einen einzigartigen Stil, das hat den Leuten gefallen. In unserem Song mischen wir Gospel aus Südafrika, Ghana und den USA, ergänzt durch Texte in zwei ghanaischen Sprachen, so dass die Leute verstehen, was wir singen. Anschließend improvisieren wir: Jeder singt, was gerade passt. Und dann tanzen wir Gumboot …

... in schwarzen Gummistiefeln. Das sieht ziemlich ungewöhnlich aus.
Baffoe: Der Tanz kommt aus Südafrika; der Ursprung liegt in den südafrikanischen Minen. Die Arbeiter haben dort in den Schächten auf diese Weise miteinander kommuniziert. Gleichzeitig haben sie sich so über die Weißen lustig gemacht. Heute wird das als Kunst aufgeführt. Es gibt viele Gumboot-Tänzer in Südafrika.

Das sieht aus wie bayerischer Schuhplattler...
Buckman: Richtig, und tatsächlich reisen Schuhplattler-Tänzer nach Südafrika, um sich dort mit Gumboot-Tänzern auszutauschen.

Francis Baffoe hat zwei Jahre in Deutschland Musik studiert, unter anderem Bach und Händel. Er hat schon als Kind und Jugendlicher klassische Lieder gesungen. Mit 15 Jahren sangen er und sein Chor Händels Messias im ...

Herr Baffoe, wie lange haben Sie für den Auftritt geprobt?
Baffoe: Meine Jungs sind sehr talentiert und lernen schnell. Wir haben ungefähr ein halbes Jahr zweimal die Woche geübt. Das anstrengendste ist der Gumboot-Tanz. Wir haben uns jeden Dienstag um halb sechs morgens getroffen, die Gummistiefel angezogen und sind aus der Stadt zum Strand gejoggt. Dort haben wir dann noch ein paar Runden durch den Sand gedreht. Dafür braucht man viel Kraft. Wir wollten mit unserem Auftritt die Botschaft rüberbringen, dass wir in Ghana unsere Kultur nicht genügend schätzen und die Musikindustrie zu sehr den europäischen Stil kopiert. Wir wollen ein Bewusstsein schaffen, indem wir südafrikanische und ghanaische Musik und Kultur verbinden.

Buckman: Die meisten Chöre in Ghana singen Kirchenlieder nach US-amerikanischem Vorbild. Statt auf afrikanischen Instrumenten spielen sie auf dem elektronischen Keyboard und dem Schlagzeug dazu. Und überall klingt es gleich.

Frau Buckman, Sie singen mit deutschen Frauen und Männern Lieder aus Afrika. Tun die sich schwer?
Buckman: Allerdings. Vor allem mit den Bewegungen und den Tänzen. Das kriegen wir nie so hin wie die Jungs von Francis. Die Mitglieder meiner Chöre sind ja deutlich älter. Aber die Hauptsache ist: Sie sind mit Begeisterung dabei und sie lieben es. Es kommen immer neue Leute dazu.

Was haben Sie von Francis Baffoe gelernt?
Buckman: Als wir uns kennengelernt haben, habe ich zu ihm gesagt: Schade, dass ihr nicht so schöne Lieder habt wie die Südafrikaner. Aber im Grunde kannte ich bis dahin gar keine ghanaischen Lieder, so wie Francis sie singt. Ich kannte nur die üblichen Kirchenlieder. Was Francis mit seinem damaligen Chor gemacht hat, war völlig anders. Und auch völlig anders als das, was ich aus Südafrika kannte. Das hat mich auf die Idee gebracht, Chöre aus Südafrika und aus Ghana nach Deutschland einzuladen.###Seite2###

Man spricht gern von afrikanischer Musik oder afrikanischen Chören. Aber offenbar gibt es große Unterschiede zwischen einzelnen Ländern.
Baffoe: Jedes Land hat seinen eigenen Stil, seine eigenen Rhythmen. In Kenia singen und bewegen die Leute sich anders als bei uns in Ghana. Der Gesang und die Musik haben unterschiedliche Wurzeln. In Südafrika zum Beispiel muss man berücksichtigen, dass die Unabhängigkeit noch nicht so lange her ist wie in Ghana. Man spürt das in der Musik: Die Lieder handeln oft von dem, wie die Menschen sich fühlen, was sie erlebt und durchgemacht haben während der Apartheid. Sie erzählen Geschichten. In Ghana sind die Lieder viel unbeschwerter, einfacher.

Buckman: Man konnte das sehen, als wir vergangenes Jahr die Chöre aus Südafrika und Ghana zu Gast hatten: Die Sänger aus Südafrika waren viel ernster, viel konzentrierter bei der Sache. Ihr aus Ghana wart lustiger und mit mehr Spaß dabei.

Herr Baffoe, was haben Sie in der Zusammenarbeit mit den Chören aus Deutschland gelernt?
Baffoe: Eine Menge. Zum Beispiel wie ich unsere Lieder in Notenform aufschreibe. Das macht Eva nämlich immer, damit sie mit ihren Chören weiter üben kann, wenn ich nicht da bin. In unserer traditionellen Musik spielen Noten keine Rolle.

Was bringt es Ihnen, dass Sie Ihre Lieder jetzt notieren können?
Baffoe: Meine Jungs sind ziemlich kreativ, und oft fällt einem während der Proben spontan eine neue Melodie oder ein Lied ein. Das kann ich jetzt aufschreiben, so dass wir es nicht vergessen.

Buckman: Ohne Noten kommt man auch international nicht ins Geschäft. In meinen Workshops arbeiten wir in der Regel ohne Noten, aber am Ende wollen die Teilnehmer etwas, das sie zum Üben mitnehmen können. Es gibt in Deutschland eine Menge Trommler aus Afrika, die wunderbar spielen können, aber die von Methodik und Didaktik keine Ahnung haben. Wenn man hier bei uns unterrichten will, muss man unsere europäische Herangehensweise verstehen, genauso wie ich mich auf die afrikanische einlassen muss, wenn ich deren Musik lernen will.

Herr Baffoe, Sie sind ganz schön in der Welt herumgekommen dank der Musik.
Baffoe: Ja, und ich fühle mich auch privilegiert deswegen. Meine Eltern wollten eigentlich nicht, dass ich klassische Musik studiere, weil man in Ghana damit kein Geld verdienen kann. Aber als ich dann vor sieben Jahren für den Weltjugendchor eingeladen wurde, haben sie es akzeptiert und mich ziehen lassen.

Können Sie von der Musik leben?
Baffoe: Naja, mehr schlecht als recht. Das ist ziemlich schwer in Ghana. Deshalb bin ich Eva und den Heidelberger Chören ja auch so dankbar, dass sie es mir ermöglichen, mit ihnen zu arbeiten, und dass sie mich unterstützen. Musik ist das, was ich am besten kann. Wenn ich etwas anderes machen müsste, wäre das wie eine Strafe für mich.

Wie geht es jetzt weiter bei Ihnen nach dem Gewinn des TV-Wettbewerbs?
Baffoe: Wir planen eine Tournee durch Ghana. Wir werden vor allem in Kirchen spielen und hoffen natürlich, dass die Leute großzügig sind und uns etwas Geld geben.

Gespräch und Fotos: Tillmann Elliesen

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erschienen in Ausgabe 5 / 2014: Durchlass hier, Mauer dort
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