Wie wird man Fairtrade-Town?

Fairer Handel dient der Armutsbekämpfung. Die internationale Kampagne Fairtrade-Towns will den Verkauf von fairen Produkten fördern. Um den Titel zu erwerben, müssen Städte und Gemeinden beweisen, dass sie es ernst meinen mit dem fairen Handel.

Herrsching mit seinen 10.000 Einwohnern im Großraum München gehört seit Juni 2010 mit dem Titel Fairtrade-Town  zu einem internationalen Netzwerk von über 800 Städten und Gemeinden aus 18 Staaten, darunter London, Rom, Brüssel und San Francisco. Deutschland ist relativ spät auf diesen Zug aufgesprungen. Erst seit Januar 2009 können sich auch deutsche Kommunen um den Titel bewerben, mehr als 20 haben ihn inzwischen erhalten, darunter Augsburg, Chemnitz, Dortmund, Marburg und Saarbrücken.

Autorin

Claudia Mende

ist freie Journalistin in München und ständige Korrespondentin von „welt-sichten“. www.claudia-mende.de

Fünf Kriterien müssen erfüllt werden. Erste Voraussetzung ist, dass der Stadtrat und alle seine Ausschüsse Fairtrade-Kaffee und mindestens ein weiteres Produkt aus fairem Handel verwenden. Außerdem müssen die Stadtpolitiker beschließen, sich um den Titel der Fairtrade-Town zu bewerben. „Das ist nicht so einfach, denn es setzt Einigkeit voraus“, sagt Kathrin Bremer, die die Kampagne in Deutschland im Auftrag der Siegelorganisation Transfair leitet. Meistens laufen die Diskussionen im Vorfeld. Bisher hat lediglich ein Stadtrat den Antrag offiziell verweigert. In Eschborn, dem Sitz der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ), sprachen sich die mehrheitlich schwarz-gelben Kommunalvertreter dagegen aus, weil sie Bedenken gegen das Konzept des fairen Handels hatten.

Zweite Voraussetzung ist eine lokale Steuerungsgruppe mit Vertretern der Stadtverwaltung, von Kirchen, dem Handel, von Vereinen und den Medien, die die Aktivitäten koordinieren. Je breiter dieses Bündnis aus Vertretern der öffentlichen Hand und der Zivilgesellschaft ist, desto besser kann es den fairen Handel fördern. Denn gesiegelte Produkte aus fairem Handel sollen sowohl im lokalen Einzelhandel als auch in Gastronomiebetrieben verfügbar sein. „Für die Kommunen ist es am schwierigsten, Restaurants und Cafés zu finden, die Produkte aus fairem Handel anbieten“, so Kampagnenleiterin Bremer. In einer Millionenstadt wie München muss es genau 144 Geschäfte geben, die mitmachen. Diese Betriebe alle anzusprechen, ist ein enormer Aufwand.

Aber auch öffentliche Einrichtungen wie Schulen, Vereine und Kirchen sollen faire Produkte anbieten und gleichzeitig mit eigenen Bildungsangeboten über die politischen Hintergründe informieren. Bei einer Einwohnerzahl unter 200.000 müssen jeweils eine Schule, ein Verein und eine Kirchengemeinde dabei sein. Ist die Kommune größer, sind es entsprechend mehr. Zuletzt müssen die Medien des Ortes mindestens vier Mal pro Jahr über die Aktivitäten der Kommune zur Steigerung des fairen Handels berichten.

In Herrsching haben der faire Handel und das entwicklungspolitische Engagement der Bürger Tradition. Die Indienhilfe ist mit vielen Bildungsveranstaltungen in Schulen und seit 1985 mit einem Weltladen in der Kommune aktiv. Seit 1996 hat Herrsching eine Partnerschaft mit der Stadt Chatra in der Nähe von Kalkutta in Westbengalen, die vor zehn Jahren zu einer Nord-Nord-Süd-Partnerschaft mit  Ravina-Romagnano im italienischen Trento als drittem Partner ausgeweitet wurde. Seit vier Jahren kauft die Gemeinde nur noch Produkte, die ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt wurden. „Schwierig war, den Gemeinderat davon zu überzeugen, den Titel Fairtrade-Town anzustreben“, sagt Elisabeth Kreuz von der Indienhilfe in Herrsching. „Die Gemeinderäte befürchteten unnötigen Verwaltungsaufwand.“

Aber in einer kleinen Gemeinde funktioniert das manchmal leichter als in einer Millionenstadt. So hat der Bürgermeister seine Sekretärin auch mal losgeschickt, um fairen Kaffee im Weltladen zu probieren. Offensichtlich mit Erfolg, denn im Dezember 2009 beschloss die Gemeinde Herrsching mit nur einer Gegenstimme, den Titel anzustreben. Jetzt hat sie eine Vorbildfunktion für die Nachbargemeinden. „Man braucht eine lokale Eine-Welt-Gruppe, die sich das Thema zum Anliegen macht“, so Elisabeth Kreuz. Wer wie Herrsching alle Kriterien erfüllt, erhält den Titel zunächst für zwei Jahre. Danach überprüft die Kampagne, ob die Kriterien weiterhin erfüllt sind. Herrsching wird es wohl auch in zwei Jahren schaffen. 

 

erschienen in Ausgabe 10 / 2010: Artenvielfalt: Vom Wert der Natur
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