Maulkorb für Medien

In vielen Ländern der Erde ist die Pressefreiheit zunehmend bedroht

Journalisten in Iran leben gefährlich. Seit den umstrittenen Präsidentschaftswahlen vom Sommer 2009 haben sich ihre Arbeitsbedingungen stetig verschlechtert. Wer sich regimekritisch äußert, riskiert Zensur, Einschüchterungsversuche und Verhaftung. Westlichen Korrespondenten will das Regime von Mahmoud Ahmadinedschad schon gar keinen Einblick mehr in seine „inneren Angelegenheiten“ gewähren. Zuletzt musste Ende Oktober die langjährige Korrespondentin einer spanischen Tageszeitung das Land verlassen; zwei deutsche Journalisten wurden verhaftet, weil sie mit dem Sohn einer als Ehebrecherin verurteilten Frau ein Interview führen wollten.

Autorin

Gesine Kauffmann

ist Redakteurin bei "welt-sichten".

Mit ihrer harten Gangart gegenüber Journalisten liegt die iranische Führung voll in einem Trend, den die US-amerikanische Forschungseinrichtung Freedom House schon seit 2002 beobachtet: In den vergangenen acht Jahren sei das Ausmaß der Pressefreiheit weltweit zurückgegangen, heißt es in ihrem aktuellen Index. Nur ein gutes Drittel der untersuchten 196 Länder verfüge über eine freie Presse. Lediglich 16 Prozent der Weltbevölkerung lebten in einem Staat, in dem Zeitungen, Zeitschriften und Rundfunkanstalten unabhängig und kritisch über politische Entscheidungen berichten können, ohne Sanktionen befürchten zu müssen.

Nicht nur in autoritären Regimen schwindet der Freiraum der Medien: Auch in Ländern mit demokratisch legitimierten Regierungen vollzieht sich eine besorgniserregende Entwicklung. In Mexiko werden immer mehr Journalisten bedroht, zusammengeschlagen oder sogar ermordet, weil sie es wagen, über Drogenhandel und Korruption zu berichten – der Staat ist dagegen machtlos. Russland und Venezuela wiederum versuchen zunehmend, Redaktionen unter staatliche Kontrolle zu bringen, und machen dabei auch vor der Zensur von Internetseiten nicht halt. Auch Südafrika will die Pressefreiheit mit neuen Gesetzen begrenzen.  

Während es sich in all diesen Fällen vor allem um eine Einschränkung der journalistischen Arbeit im eigenen Land handelt, geht China noch einen Schritt weiter. Laut einer Studie des Zentrums für Internationale Medienunterstützung (CIMA) verwenden die Chinesen viel Geld und Energie darauf, die Medien in den Länder des Südens, aus denen sie ihre Rohstoffe beziehen und in denen sie ihre Produkte verkaufen, nach dem eigenen Vorbild zu formen. Sie unterstützen etwa autoritäre Regierungen dabei, die Kontrolle über die Inhalte von Rundfunkprogrammen oder Zeitungen auszuweiten. Dies diene dem Ziel, die Wächterfunktion von Journalisten gegenüber politischen Entscheidungsträgern grundlegend umzugestalten und sie zu Hofberichterstattern zu machen, so die Studie. Das ist vor allem in Entwicklungsländern fatal, in denen demokratische Strukturen noch nicht gefestigt sind. Denn bei deren Aufbau spielen unabhängige Medien eine wichtige Rolle.

Indem sie kritisch über das Handeln von Regierungen berichten, zwingen Medien die Politiker zu mehr Transparenz und zur Rechenschaft im Blick auf ihre Wahlversprechen. Sie prangern Missstände an, bringen öffentliche Debatten in Gang und versetzen im besten Fall die Bevölkerung in die Lage, sich eine eigene Meinung zu bilden. Damit sie das tun können, ist Unterstützung nötig: bei der Gründung unabhängiger Medien und bei der Ausbildung von Journalisten. Die westlichen Geber von Entwicklungshilfe tragen dem Rechnung. 2008 gaben laut CIMA die USA 89 Millionen Euro und die Europäische Union 58 Millionen Euro für Medienprojekte in den Ländern des Südens aus. Angesichts hoher Staatschulden in den Industrienationen ist aber zu befürchten, dass die Hilfe nicht in diesem Umfang aufrechterhalten wird. Das wäre ein fatales Signal. Je stärker die „klassischen“ Medien gegängelt werden, desto wichtiger wird das Internet für den Austausch von Informationen und Meinungen. Auch um deren Glaubwürdigkeit und Qualität sicherzustellen, sind investigativer Journalismus sowie die Einhaltung ethischer und journalistischer Standards wichtiger denn je.

Die wenigsten westlichen Politiker sprechen Verstöße gegen die Pressefreiheit offen an, um die Geschäftsbeziehungen zu wirtschaftlich aufstrebenden Mächten wie China oder Russland nicht zu gefährden. Die Verleihung des Friedensnobelpreises an den chinesischen Publizisten und Regimekritiker Liu Xiabao ist deshalb zur Recht als historische Entscheidung für die Meinungsfreiheit gewürdigt worden. Noch besser wäre es, wenn sie die Diskussion darüber in Gang bringen würde, wie wichtig die Pressefreiheit ist und wie sie am besten geschützt werden kann – und zwar auf der ganzen Welt.

Gesine Kauffmann ist Redakteurin bei welt-sichten.

welt-sichten 11-2010

 

 

erschienen in Ausgabe 11 / 2010: Arabische Welt: Umworben und umkämpft
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