„Alles hängt vom Regen ab“

Die Sahara breitet sich in Mali immer weiter aus - eine Auswirkung des Klimawandels. Ausbleibender Regen gefährdet die ohnehin bescheidenen Ernten. Die Bauern auf dem Dogon-Plateau im Südosten des westafrikanischen Landes müssen die Bewirtschaftung ihrer Felder den klimatischen Verhältnissen anpassen, um überleben zu können.

Wie macht sich der Klimawandel auf dem Dogon-Plateau bemerkbar?

Wir stellen fest, dass es immer weniger regnet. Und wir glauben, dass die Regenzeit zunehmend kürzer ausfällt. Seit den 1970er Jahren nehmen die Dürreperioden zu. Das alles erschwert die landwirtschaftliche Produktion.

Wie stark unterscheiden sich Regen- und Trockenzeit und was bedeutet das für die Bauern?

Die Unterschiede sind enorm. Von Ende Juni bis Ende September gibt es Niederschläge, die landwirtschaftlichen Anbau ermöglichen. Allerdings lässt der Regen oft Ende August schon wieder nach, wenn die Pflanzen ihn noch dringend zum Wachsen bräuchten. Von Oktober bis Mai regnet es kaum. Die Sahel-Region, zu der meteorologisch auch das Dogon-Plateau zählt, wird sowieso oft von längeren Dürren heimgesucht.

Aber auch im Süden gibt es kritische Trockenperioden. Und wenn es dann regnet, wird an manchen Orten der Boden weggespült. Die Menschen in Mali sorgen sich, dass die kurze Regenzeit nicht mehr ausreicht, um erfolgreich Landwirtschaft zu betreiben. Und wo die Anbaumethoden nicht geändert werden, sinken die Ernteerträge. Das unsichere Leben auf dem Land führt dann zur Abwanderung in die Städte, vor allem in die Hauptstadt Bamako. Aber natürlich ist es auch dort sehr schwierig, Arbeit zu finden und über die Runden zu kommen.

Welche Bewirtschaftungsmethoden sind angesichts der Probleme sinnvoll?

Von zentraler Bedeutung ist der Erosionsschutz. Wir halten die Leute dazu an, ihre Felder mit Steinwällen und Hecken zu befestigen und so zu schützen. Dazu kommt der Bau von Rückhaltebecken, in denen sich das Regenwasser sammelt. Hier greifen wir auf das Wissen der Dogon zurück, die schon lange Wasserspeicher benutzen. Diese können jedoch noch verbessert werden. Da das Dogon-Plateau eine felsiges Ebene mit Gefälle ist, fließt sonst zu viel Wasser ab und nimmt den fruchtbaren Boden mit sich. Die Rückhaltebecken gewährleisten bis Februar oder März die Wasserversorgung. Damit werden vor allem Zwiebeln gegossen, die für den Verkauf angebaut werden. Die Ernte bringen die Bauern dann in Bamako auf den Markt. Von den Einnahmen kaufen sie Hirse, denn davon kann man auf dem Plateau nicht genügend anbauen. Das gestaute Wasser hilft auch, andere Pflanzen zu kultivieren. Die Landwirtschaft wird also auf eine breitere Basis gestellt. Dadurch verbessert sich die Ernährung der Menschen.

Gibt es denn in der Region genug Feuerholz, das zum Kochen benötigt wird?

Ja. Die Menschen vor Ort kochen noch überwiegend am offenen Feuer und benötigen Holz außerdem als Baumaterial. Auch Laub ist wichtig, denn damit kann gedüngt werden. Vor kurzer Zeit wurde damit begonnen, neue Bäume zu pflanzen, um einen Ausgleich zu schaffen. Die Leute müssen begreifen, dass das sehr wichtig ist, sonst stehen sie eines Tages vor dem Nichts. Gleichzeitig sind sie auf Holz angewiesen. Es geht darum, eine Balance zu finden.

Es heißt, die Bewohner des Dogon-Plateaus seien sehr traditionell. Ist es schwierig, sie für die vorgeschlagenen Änderungen zu interessieren?

Nein. Die Hilfe unserer Mitarbeiter wird mittlerweile vor Ort sehr gern angenommen. Die Menschen sind verunsichert, weil die Niederschläge derart nachgelassen haben. Sie wissen, dass sich etwas ändern muss und dass sie Unterstützung brauchen, weil sie sonst den Kampf gegen die Trockenheit verlieren werden. Natürlich sind sie nicht bei allen Themen gleich offen. Wir haben jetzt auch begonnen, über HIV und Aids aufzuklären. Dabei muss man natürlich viel vorsichtiger vorgehen.

Inwiefern?

Die Leute haben erkannt, wie gefährlich HIV und Aids sind. Selbst unter den besonders traditionellen Dogon ignorieren nur noch sehr wenige die Immunschwächekrankheit. Es gibt aber natürlich eine gewisse Angst und Vorbehalte, darüber zu sprechen. Man muss auf die Menschen zugehen und ihnen erklären, wie sich die Krankheit überträgt. Damit verlangt man ihnen natürlich auch etwas ab, denn HIV-Infektionen können sie nur dann vermeiden, wenn sie ihr Verhalten ändern.

Die Dorfbewohner, die Sie ausgebildet haben, geben ihre Kenntnisse in anderen Dörfern weiter. Wie können Sie gewährleisten, dass diese Kette tatsächlich funktioniert? Bekommen die Leute Geld?

Nein, wir bezahlen niemanden. Die Ausgebildeten stehen mit den Mitarbeitern unseres Projekts in enger Verbindung und berichten über ihre Arbeit. Außerdem gründen wir in den einzelnen Dörfern Komitees, um die nachhaltige Wirkung und den Fortbestand der Projekte zu sichern. Die Komitees sind untereinander vernetzt und sollen sich gegenseitig unterstützen. Wir haben die Erfahrung gemacht, dass eine große Bereitschaft vorhanden ist, Wissen an andere weiterzugeben.

Verwirklicht die malische Regierung eigene Projekte in der Region? Werden Sie von ihr unterstützt?

Wir werden nicht von der malischen Regierung unterstützt. Sie verwirklicht aber aber eigene, zum Teil sehr große Projekte, auch auf dem Dogon-Plateau.

Kommt es da nicht zu Überschneidungen?

Bevor wir ein Projekt beginnen, recherchieren wir, ob in der entsprechenden Region schon andere Organisationen tätig sind. Da das auf dem Dogon-Plateau der Fall ist, arbeiten wir darauf hin, mit diesen Projekten Kooperationen einzugehen, um Überschneidungen zu vermeiden. Das hat auch schon funktioniert. Wir haben zum Beispiel beim Bau von Rückhaltebecken mit einer nichtstaatlichen Organisation zusammengearbeitet, die übrigens von der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau finanziell unterstützt wurde. Auch für die Ertragssteigerung beim Anbau von Zwiebeln haben wir mit einem Partner kooperiert. Zudem ist schon 1996 ein Verband der Entwicklungspartner gegründet worden, der Überschneidungen verhindern soll. Der Wille zur Koordination ist vorhanden. Die Kommunikation müsste allerdings noch deutlich verbessert werden.

Wird es mit den von Ihnen genannten Methoden dauerhaft möglich sein, gegen die zunehmende Trockenheit zu bestehen?

Wir sind zuversichtlich, dass unsere Maßnahmen die Lebensverhältnisse auf dem Dogon-Plateau stabilisieren werden. Aber natürlich müssen wir abwarten, wie sich der Regen in den kommenden Jahren entwickelt. Letztlich ist alles von den Niederschlägen abhängig.

Das Gespräch führte Felix Ehring.

Justin Sagara ist der Leiter von Harmonie du Développement au Sahel, einer nichtstaatlichen Organisation, die von „Brot für die Welt" unterstützt wird und seit 1993 auf dem Dogon-Plateau aktiv ist.

erschienen in Ausgabe 2 / 2009: Migration: Zum Schuften in die Fremde

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