Nur selten zeigt der Tiger seine Zähne

Der UN-Menschenrechtsrat konnte sich bei seiner Sitzung im März trotz schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen in Sri Lanka und der Demokratischen Republik Kongo nicht zu Verurteilungen durchringen. Die menschenrechtlichen Folgen des Klimawandels hingegen bleiben trotz Widerständen auf seiner Tagesordnung.

Westliche Länder und nichtstaatliche Organisationen (NGO) machten auf die katastrophale Lage der Tamilen in der umkämpften Wanni-Region im Norden Sri Lankas aufmerksam: Zivilpersonen werden dort von der Rebellenorganisation „Befreiungstiger von Tamil Eelam“ als Schutzschilde missbraucht und von der Armee Sri Lankas rücksichtslos beschossen. Ein Beschluss, dies zu verurteilen, kam im Menschenrechtsrat jedoch nicht zustande.

Gegenüber dem Kongo stellte sich der Rat ebenfalls taub und blind. Eine Mehrheit von Staaten, denen selbst Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, blockte mit Ägypten als Wortführer jeden Versuch ab, die massenhafte Vergewaltigung von Frauen und Mädchen, die Rekrutierung von Kindersoldaten, den Einsatz von Folter und extralegale Tötungen im Kongo zu verurteilen. Es gelang auch nicht, mit einem sogenannten Ländermandat eine politische Überwachung einzurichten.

Der chilenische Botschafter appellierte vergeblich an den Rat, eine menschenrechtlich begründete Bewertung der Lage in der DR Kongo vorzunehmen. Sein Hinweis auf die jüngste Ansprache Desmond Tutus zur Schutzbedürftigkeit der afrikanischen Bevölkerung bewog fünf afrikanische Länder lediglich dazu, sich bei der Abstimmung über einen Textzusatz der Europäischen Union (EU) der Stimme zu enthalten. Der Zusatz hatte die Verurteilung des Kongo und die Einrichtung des Ländermandats zum Inhalt. Hätten die fünf Länder – Burkina Faso, Ghana, Mauritius, Senegal und Sambia – zugestimmt statt sich enthalten, wäre der Zusatz angenommen worden. Einmal mehr haben ideologische Grabenkämpfe die sachgerechte Bewertung einer von fast allen als gravierend eingeschätzten Menschenrechtslage verhindert.

Auch westliche Staaten sind für die Doppelbödigkeit ihrer Menschenrechtspolitik zu kritisieren. Seit 2003 sehen sie keine Veranlassung, über die Lage der Menschenrechte etwa in Afghanistan oder im Irak auch nur zu debattieren – ganz zu schweigen von Guantánamo. Ihre Weigerung, das internationale Finanzsystem und seine politischen Institutionen einer menschenrechtlichen Bewertung zu unterziehen, sowie Vorurteile gegenüber Muslimen tragen zur Verhärtung auf Seiten vieler afrikanischer, asiatischer und lateinamerikanischer Länder bei. Dies sollte jedoch Ratsmitglieder wie Ägypten, China, Kuba oder Russland nicht dazu veranlassen, selbst einem Regime wie in Nordkorea, das sich jeder Kooperation im Blick auf Menschenrechte verweigert und seine Bevölkerung hungern lässt, politisch den Rücken zu decken.

Im Unterschied zu Chile, Argentinien oder Uruguay fällt auch das Abstimmungsverhalten Brasiliens unangenehm auf. Aufgrund seiner Geschichte und seines politischen Anspruchs wäre zu vermuten, dass sich Brasilien für die Menschenrechte stark macht. Bei Themen wie Armut oder dem Schutz der Rechte von Homo- oder Transsexuellen tut es das auch. Bei Länderresolutionen geht Brasilien jedoch den bequemen Weg, enthält sich häufig und verhilft so den Hardlinern zu Mehrheiten. Es scheint, dass Brasilien dem Streben nach einem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat alles unterordnet und deshalb bei Ländern im Süden nicht anecken will.

Die Bilanz der März-Sitzung fällt dennoch nicht nur düster aus. Der Menschenrechtsrat wird sich trotz Widerstands angelsächsischer Länder weiter mit den menschenrechtlichen Folgen des Klimawandels befassen. Die Resolution ermuntert die UN-Sonderbeauftragten für das Recht auf Nahrung und Wohnen, künftig auf solche Folgen zu achten, sie zu beschreiben und auszuwerten.

Auch im Ringen um die Bewertung des Konfliktes zwischen Israel und den Palästinensern gab es Bewegung. Zum ersten Mal wurde der Beschuss Israels mit Raketen als Angriff auf die Zivilbevölkerung verurteilt. Der Menschenrechtsrat versagt also nicht komplett, aber doch häufig und an entscheidenden Weggabelungen. Einer der Wege führt in den Abgrund, in dem die frühere Menschenrechtskommission bereits verschwunden ist.

Theodor Rathgeber

 

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