Kontrolle fördert Kinderschutz

Kontrolle fördert Kinderschutz

Für internationale Adoptionen gibt es in der Schweiz keine eindeutige Regeln

Von Sarah Fasolin

Die Stiftung terre des hommes hat in einer Studie verglichen, wie sechs europäische Länder Adoptionen aus dem Ausland handhaben. Die Schweiz kommt dabei schlecht weg: Ein Viertel der Adoptionen wird nicht ausreichend kontrolliert.

Laut terre des hommes werden in der Schweiz Adoptionen von Kindern aus dem Ausland zu schwach kontrolliert. Damit steige das Risiko für Kinderrechtsverletzungen, erklärt Mitautorin Marlène Hofstetter. Dies gelte vor allem für Adoptionen aus Ländern wie Haiti und Nepal, die keine Garantie für den Kinderschutz bieten. „Für Schweizer Paare ist es noch immer möglich, auf eigene Faust über das Internet oder eine Agentur im Ausland nach einem Kind zu suchen“, sagt Hofstetter. „Liegen eine Pflegeplatzbewilligung vom Kanton und ein Visum für das Kind aus dem Herkunftsland vor, steht der Adoption nichts mehr im Weg.“

Die Kantonsbehörden, die in diesen Verfahren für die Kontrolle zuständig sind, hätten zuwenig Überblick über die Situation in den Herkunftsländern, kritisiert Hofstetter. Das Zivilgesetzbuch müsse entsprechend angepasst und Adoptionsverfahren dieser Art sollten verboten werden. Dafür will Hofstetter nun in der Schweiz Parlamentarier mobilisieren. Für die Studie „Adoptionen: zu welchem Preis?“ hatte terre des hommes Spanien, Frankreich, Italien, Norwegen, Deutschland und die Schweiz miteinander verglichen.

In der Schweiz kommen laut der Studie ein Viertel der mehr als 300 internationalen Adoptionen jährlich auf privatem Weg zu Stande. David Urwyler, der Leiter der zentralen Adoptionsbehörde beim Bundesamt für Justiz, setzt die Zahl etwas niedriger an, räumt aber Verbesserungsbedarf ein: „Wenn es nur in einem dieser Fälle zu Kinderhandel oder Unregelmäßigkeiten im Verfahren gekommen ist, ist dies ein Fall zuviel.“

Die Nachfrage nach Adoptivkindern ist in vielen Industrieländern stark gestiegen. Wartefristen von fünf Jahren sind derzeit die Regel. Dadurch entstünden Wettbewerbssituationen, die auch das Haager Adoptionsübereinkommen (HAÜ) nicht verhindern könne, erklärt Hofstetter. Das Abkommen regelt die Zusammenarbeit der Herkunfts- und Aufnahmeländer der Kinder und schreibt Kontrollen über die Adoptionsvermittlungsstellen vor. Damit sollen Kinderhandel und Kinderrechtsverletzungen verhindert werden. Seit 1993 gilt das Abkommen auch in der Schweiz. Aus Staaten, die das Abkommen nicht unterzeichnet haben, sind jedoch weiterhin private Adoptionen möglich.

In der Studie werden auch die HAÜ-Adoptionsverfahren kritisiert. „Aufnahmeländer, die den Herkunftsländern für die administrativen Kosten mehr bezahlen als andere, erhalten meist auch mehr Kinder zugeteilt“, sagt Marlène Hofstetter. Dadurch werde „das Adoptivkind zum Handelsgut“.

In der Schweiz ist dies laut Urwyler klar geregelt: „Die Schweiz akzeptiert nur Vermittlungsstellen, bei denen die Kosten nachvollziehbar sind und keiner der Beteiligten einen ungerechtfertigten Gewinn erzielen kann.“ Da aber jeder HAÜ-Staat seine Adoptionssätze individuell festlegen kann, sei „die Forderung nach finanzieller Transparenz sehr gerechtfertigt“. Hofstetter fordert, dass alle Vertragsstaaten die gleichen Kostensätze für Adoptionsvermittlungen einführen. Die Studie wurde deshalb in Brüssel europäischen Parlamentariern und Adoptionsbehörden vorgestellt.

welt-sichten 4-2008

 

 

erschienen in Ausgabe 4 / 2008: Müllprobleme
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