Wachstum, doch kaum Fortschritt

Der neue Bericht über die ärmsten Länder beklagt falsche Entwicklungsmodelle

Die Wirtschaften der am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) insgesamt sind 2005 und 2006 jeweils um gut 7 Prozent gewachsen. Dieses Wachstum sei jedoch krisenanfällig, erklärt der neue Bericht über die LDCs, den die UN-Konferenz zu Handel und Entwicklung (UNCTAD) im Juli vorgelegt hat.

Zum einen seien drei Viertel des Anstiegs der Exporteinnahmen von LDCs den Öl oder Rohstoffe exportierenden Ländern unter ihnen zu verdanken. Sie profitieren vom Preisanstieg dieser Güter und würden bei Preissenkungen Einbrüche erleiden. Zum anderen hätten die ärmsten Länder eine sehr geringe Sparquote, so dass Investitionen dort von äußeren Zuflüssen abhingen – vor allem von Entwicklungshilfe. Das Wirtschaftswachstum führt zudem laut dem Bericht nur zu einer geringen Minderung der Armut. Als Ursachen werden das Bevölkerungswachstum, der Anstieg der globalen Nahrungsmittelpreise, die Zunahme der innerstaatlichen Ungleichheit und die Tatsache genannt, dass die Landwirtschaft keine zusätzlichen Arbeitskräfte beschäftigen könne.

Der Kern der Probleme liegt laut UNCTAD in einem unangemessenen Entwicklungsmodell: Man setze auf freie Märkte und wenige Exportgüter und versäume Produktivitätssteigerungen in der Landwirtschaft und die Verbreiterung der Produktionsbasis. So wirke der Exportboom kaum auf die Binnenwirtschaft zurück. Um das zu ändern, seien wirksame nationale Entwicklungsstrategien, günstige internationale Regeln für Handel, Investitionen und Technologietransfer sowie eine effiziente Entwicklungshilfe nötig.

Die Kritik an dieser Hilfe nimmt in dem Bericht, verglichen etwa mit den Schwächen der nationalen Planung, breiten Raum ein. Die UNCTAD macht die Geber für die Wahl falscher Entwicklungsmodelle mit verantwortlich. Sie kritisiert, dass sie nicht im versprochenen Ausmaß den Empfängerländern die Steuerung der Entwicklungsprozesse (ownership) überließen, sondern weiter wirtschaftspolitische Vorschriften machten. Diese Kritik ist gut belegt und ernst zu nehmen.

Außerdem bemängelt die UNCTAD die Konzentration der Entwicklungshilfe auf soziale Grunddienste; man solle besser Investitionen in die Produktion, die damit verbundene Beschäftigung und die dafür nötige Infrastruktur in den Mittelpunkt stellen.  Dieser Vorwurf, den die UNCTAD schon öfter vorgetragen hat, ist problematischer. So räumt der Bericht ein, dass Verbesserungen bei der Gesundheit und der Ernährung auch die Produktionsgrundlagen verbessern. Dass in den LDCs zur Zeit die meisten Investitionen mit Kapital von Außen finanziert werden, heißt zudem nicht, dass dies so sein muss. Zwar ist in der Tat mehr Hilfe für das Verkehrwesen oder die Energieversorgung in LDCs gefragt. Eine weit wichtigere Kapitalquelle für erfolgreiche Entwicklungsprozesse dürfte aber die interne Geldschöpfung sein, das heißt ein funktionierendes Kreditwesen.

Eine weitere Schwäche der Analyse ist die Konzentration auf die LDCs als Gesamtheit. Hierzu zählen 50 Staaten: 31 afrikanische und 8 asiatische, Haiti in Lateinamerika sowie 10 afrikanische und pazifische Inselstaaten. Der Bericht erwähnt bemerkenswerte Unterschiede in dieser Gruppe. So sei das Wachstum in den meisten asiatischen LDCs – anders als in den afrikanischen – kaum von Rohstoffexporten getragen. Stattdessen sei dort eine gewisse Industrialisierung zu verzeichnen. Doch die Analyse stellt vor allem auf die LDCs insgesamt ab. Dabei drängt sich die Frage auf, warum einigen ein Strukturwandel besser gelingt als anderen.

Bernd Ludermann

www.unctad.org

welt-sichten 8-2008

 

erschienen in Ausgabe 8 / 2008: Die Macht der Religionen
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