Zwietracht und Partnerschaft

Die Verhandlungen über Handelsabkommen mit der EU sorgen für Streit zwischen den AKP-Ländern

Die im CARIFORUM zusammengeschlossenen Karibik-Länder haben den Weg für das erste vollgültige Abkommen über eine Wirtschaftspartnerschaft mit der Europäischen Union freigemacht. Im Oktober haben alle CARIFORUM-Mitglieder außer Haiti den Vertrag unterzeichnet. In Afrika dagegen sind sich die Regierungen zunehmend uneinig über ihre Position zu den Abkommen mit der EU.

Guyanas EU-Botschafter setzte seinen Namenszug Ende Oktober in Brüssel als letzter unter das erste vollgültige Wirtschaftspartnerschaftsabkommens (EPA) zwischen einer Regionalgruppe der Länder Afrikas, der Karibik und im Pazifik (AKP) und der EU; 13 andere Karibik-Regierungen hatten den Vertrag schon einige Tage zuvor auf Barbados unterschrieben. Haiti fehlt, was aber niemand besonders ernst nimmt, denn die Regierung dort gilt kaum als funktionsfähig.

Guyanas Präsident Bharrat Jagdeo hatte das Abkommen bis zum Schluss als schädlich für die Region bezeichnet und – ebenso wie die Regierung der Bahamas – erklärt, er werde nur den Vertragsteil zum Warenhandel unterzeichnen, nicht aber die umstrittenen Abschnitte zum Freihandel von Dienstleistungen, zu öffentlichen Beschaffungen und zum Investitionsschutz (siehe „welt-sichten“ 10/2008, S. 49). Laut einem Bericht der „Financial Times“ hatte unter anderem die staatliche Zuckerindustrie Guyanas auf eine Unterzeichnung gedrängt. Der Vertrag verpflichtet die Karibik-Länder, in den kommenden 15 Jahren 83 Prozent ihres Zollschutzes abzubauen. In den ersten drei Jahren nach Inkrafttreten des Abkommens müssen die Länder noch keine Zölle senken, außer für Autos, Ersatzteile und Benzin.

Die EU-Kommission hatte den Karibik-Staaten erhebliche Zoll­erhöhungen für ihre Exporte angedroht, wenn sie das EPA nicht vor dem 31.Oktober annehmen würden. Zu diesem Datum, so die Kommission, würden die Vorzugsregeln aufgrund des Cotonou-Vertrages automatisch auslaufen. Das stimmt allerdings nicht, denn tatsächlich wäre dazu ein ausdrücklicher Beschluss des EU-Ministerrats nötig.

Unterdessen gibt es in Afrika weiterhin große Bedenken, noch bis Ende dieses Jahres die bestehenden Interim-EPAs, die nur den Warenhandel umfassen, in vollgültige Abkommen zu erweitern. Auf ihrem 6. Gipfeltreffen Anfang Oktober in Accra monierten die AKP-Staaten, bislang hätten die EPA-Verhandlungen nur zur Aufsplitterung der AKP-Gruppe geführt, statt einer tatsächlichen Partnerschaft mit der EU den Weg zu ebnen. Ghanas Präsident John Agyekum Kufuor, derzeit auch AKP-Vorsitzender, kritisierte, dadurch würden einseitige Abhängigkeiten von der EU zusätzlich verstärkt.

Allerdings ist Ghana selbst schon vor einem Jahr zusammen mit der Elfenbeinküste aus der westafrikanischen Gruppe ausgeschert und hat ein bilaterales EPA mit der EU geschlossen. Das wird auf dem Kontinent zunehmend kritisiert, etwa von den Gewerkschaften, die zum AKP-Gipfel in der ghanaischen Hauptstadt mobil gemacht hatten. Wie uneins die afrikanischen Regierungen sind, zeigt sich daran, dass laut EU-Kommission nun auch Sambia ein bilaterales Interim-Abkommen unterschreiben will, ohne auf die übrigen Länder aus der südlichen Regionalgruppe (SADC) zu warten.

Auch in den Parlamenten einer Reihe von afrikanischen Ländern wächst der Unmut über das Vorpreschen einiger Regierungen. Die parlamentarische Versammlung der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) hat den Interim-Vertrag für ihre Region als ein „rohes und schlecht ausgehandeltes Stück“ bezeichnet; die Abgeordneten wollen in ihren jeweiligen Parlamenten dagegen Einspruch erheben.

Heimo Claasen/ell

welt-sichten 11-2008

 

erschienen in Ausgabe 11 / 2008: Drogen: Profit, Gewalt und Politik
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!
„welt-sichten“ schaut auf vernachlässigte Themen und bringt Sichtweisen aus dem globalen Süden. Dafür brauchen wir Ihre Unterstützung. Warum denn das?
Ja, „welt-sichten“ ist mir etwas wert! Ich unterstütze es mit
Schon 3 Euro im Monat helfen
Unterstützen Sie unseren anderen Blick auf die Welt!