Den Gürtel enger schnallen

Auf Arbeitnehmer kommen laut einem Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) schwierige Zeiten zu. Die Finanzkrise werde im kommenden Jahr weltweit zu schmerzhaften Einschnitten bei den Löhnen führen, heißt es im „Global Wage Report 2008/2009“, den die Organisation Ende November vorgelegt hat. Darin ruft sie zugleich die Regierungen auf, die Kaufkraft ihrer Bürger durch einkommensfördernde Maßnahmen zu stärken.

„Ein langsames Wirtschaftswachstum oder eine Rezession sowie schwankende Preise für Lebensmittel und Energie höhlen die Reallöhne vieler Arbeiter aus“, so ILO-Generaldirektor Juan Somavia. Dies treffe besonders die ärmeren Haushalte, aber zunehmend auch Familien mit mittlerem Einkommen. Laut ILO müssen Arbeitnehmer in Industrieländern im kommenden Jahr mit einem durchschnittlichen Rückgang ihres Einkommens um 0,5 Prozent rechnen. 2008 stiegen die Löhne noch um 0,8 Prozent. Global erwartet die ILO einen Anstieg der Reallöhne im kommenden Jahr um 1,1 Prozent (2008: 1,7 Prozent).

Im vergangenen Jahrzehnt haben laut ILO die Lohnerhöhungen mit dem Wirtschaftswachstum nicht Schritt gehalten. Zwischen 1995 und 2007 sind pro Prozentpunkt Wirtschaftswachstum die Löhne nur um 0,75 Prozent gestiegen. Und für jedes Prozent Wachstumsrückgang sind die Löhne um 1,55 Prozent gesunken. Damit hat sich der Anteil der bezahlten Arbeit am Bruttoinlandsprodukt in drei Vierteln aller Länder verringert. „Wenn sich diese Entwicklung mit dem drohenden Rückgang der Weltwirtschaft fortsetzt, wird das die Rezession verstärken und die Erholung verzögern“, so Somavia. Die ILO appelliert deshalb an die Sozialpartner, in Lohnverhandlungen dafür zu sorgen, dass sich der Anteil der Löhne an der Wirtschaftsleistung nicht weiter verringert. Mindestlöhne sollten eingeführt oder erhöht werden, um die Kaufkraft der Ärmsten zu stärken. Die Regierungen, so die ILO, müssten beides durch einkommensfördernde Maßnahmen ergänzen.  

Laut Bericht hat sich zudem seit 1995 die Kluft zwischen den höchsten und den geringsten Löhnen in zwei Dritteln der untersuchten Länder vergrößert. In Deutschland, Polen und in den USA, aber auch in Argentinien, China und Thailand sei die Ungleichheit zwischen den Gehältern besonders schnell gewachsen. Frankreich und Spanien sei es hingegen in den vergangenen Jahren gelungen, das Einkommensgefälle zu reduzieren.

Die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern sind laut ILO-Bericht noch immer groß und nähern sich nur sehr langsam an. In der Mehrheit der Länder verdienten Frauen im Durchschnitt nur zwischen 70 und 90 Prozent der Löhne von Männern. In Asien ist die Kluft zum Teil noch größer. (gwo)

erschienen in Ausgabe 12 / 2008: Wirkung der Entwicklungshilfe

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