Syrien: Wieder laufen lernen

Im jordanischen Flüchtlingslager Zaatari wird eine Syrerin physiotherapeutisch behandelt. Viele der im Krieg Verletzten und Behinderten finden kaum Hilfe.
Syrien: Wieder laufen lernen
Randa* beißt die Zähne zusammen und zieht sich hoch. Die gutaussehende, drahtige Bäuerin aus Südsyrien wirkt auch im Krankenbett energisch. Sie erinnert sich gut an den Tag, an dem ihr Leben sich auf einen Schlag für immer veränderte. Gemeinsam mit ihrem Ehemann war sie mit dem Moped auf dem Weg zum Acker, als es passierte: „Ein Geschoss hat mein Bein getroffen. Ich weiß nicht, woher es plötzlich kam. Ich erinnere mich nur an den furchtbaren Schmerz und dass ich vom Moped fiel. Und dass ich riesige Angst um meinen Mann hatte. Aber er war zum Glück fast unverletzt.“
Autorin
Martina Sabra [1]
ist freie Journalistin und Projekt-gutachterin mit den Schwerpunkten Nahost/Nordafrika, Gender und Menschenrechte. Im Frühjahr 2014 war sie auf Recherchereise bei syrischen Flüchtlingen in Jordanien, Libanon und der Türkei.Auch der Glaube gab ihr Kraft: „Die Leute sagten zu mir: Du bist eine gute Frau, du kommst sicher ins Paradies. Denk dir einfach, dein Bein sei vor dir ins Paradies gegangen.“ Als gläubige Muslimin fand Randa das zwar tröstlich, aber die Furcht war dennoch groß: Wie sollte sie ihre Kinder versorgen, wer sollte in Zukunft ihre Arbeit auf dem Feld machen? Wie sollte sie als mittellose Bäuerin eine teure Beinprothese oder gar Operationen und Rehabilitationsmaßnahmen bezahlen?
Randa hatte Glück im Unglück: In einem privaten Reha-Zentrum in Amman war ein Bett frei. Hier kann sie sich erholen, sie bekommt kostenlos Physiotherapie und eine Beinprothese. Nach der Behandlung will sie zu ihrer Familie in Südsyrien zurückkehren. „Natürlich habe ich Angst. Aber unser Haus steht bislang noch. Wo sollen wir sonst hin?“ Doch neben allen anderen Unwägbarkeiten ist völlig unklar, wie Randa in Syrien weiter behandelt werden soll. Das Gesundheitssystem ist fast komplett zusammengebrochen.
Das Assad-Regime hat flächendeckend Krankenhäuser und Ambulanzen zerstört. Ärzte, Krankenschwestern, Pfleger, sogar Patienten im Krankenbett wurden ermordet, verhaftet, gefoltert oder in die Flucht getrieben. In weiten Teilen des Landes gibt es deshalb keine medizinische Versorgung mehr.