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Impfung oder Geburtenkontrolle? [1]

Impfung oder Geburtenkontrolle?

Eine Impfkampagne gegen Tetanus sorgt in Kenia für Unruhe. Die katholische Kirche vermutet dahinter eine geheime Maßnahme zur Geburtenkontrolle. Die Regierung und die Weltgesundheitsorganisation dementieren.

Offizielles Ziel der nationalen Kampagne ist, alle Frauen im Alter von 14 bis 49 Jahren gegen Tetanus zu impfen. Als der zweite der insgesamt drei Impfzyklen in diesem Frühjahr durchgeführt wurde, meldete die Katholische Bischofskonferenz erste Zweifel an dem Impfstoff an. Der könne, so heißt es in einer Erklärung vom März 2014, mit dem Schwangerschaftshormon Beta HCG vermischt sein: In Kombination mit dem Tetanus-Impfstoff könne das Hormon zu Fehlgeburten oder sogar Unfruchtbarkeit führen. Auf den Philippinen, in Nicaragua und in Mexiko habe es Mitte der 1990er Jahre ähnliche Impfkampagnen gegen Tetanus gegeben, die sich im Nachhinein als Programme zur Geburtenkontrolle herausgestellt hätten, heißt es in der Mitteilung.

Verdacht hatte die katholische Gesundheitskommission in Kenia aus zwei Gründen geschöpft. Zum einen wollte sie wissen, warum nur Frauen im gebärfähigen Alter gegen Tetanus geimpft werden sollten. Hätten sie denn ein höheres Risiko als Mädchen, Jungen oder Männer? Wenn ja, warum sei die Bevölkerung darüber nicht informiert worden? Hellhörig war die Kommission außerdem geworden, weil sie im Vorfeld der Impfkampagne, die von der WHO und dem UN-Kinderhilfswerk UNICEF finanziert wird, nicht einbezogen wurde. Das sei bei anderen Gesundheitsprogrammen üblich gewesen. Immerhin sei die katholische Kirche neben dem Staat der größte Gesundheitsanbieter in Kenia.

Nach dem Aufruf der Bischöfe sank die Impfbereitschaft

Das Gesundheitsministerium und die WHO reagierten zunächst nicht auf diese Vorwürfe. In den Medien wurde der katholischen Kirche eine generelle Impfgegnerschaft vorgeworfen. Die Warnungen zeigten dennoch Wirkung: Priester riefen in ihren Gemeinden zum Boykott der Kampagne auf; beim zweiten Impfzyklus im März sank beispielsweise in der Küstenregion um Mombasa die Impfbereitschaft bei den in Frage kommenden Frauen deutlich, vor allem in städtischen Gebieten. 

Kenias Gesundheitsministerium wirbt für die Impfung

Vor Beginn des dritten und letzten Impfzyklus‘ Mitte Oktober legte die katholische Kirche noch einmal nach. Die Fragen nach den Hintergründen der Tetanus-Impfungen seien nach wie vor nicht beantwortet, heißt es in einer Erklärung der katholischen Gesundheitskommission. „Wir wollen sicherstellen, dass der jetzt eingesetzte Impfstoff frei von diesen Hormonen ist“, schreibt Paul Kariuki Njiru, Vorsitzender der Kommission in einer Erklärung. Es handele sich schließlich um denselben Hersteller wie seinerzeit auf den Philippinen, in Nicaragua und Mexiko.

Wenige Tage später erklärte Gesundheitsminister James Macharia, der Impfstoff sei sicher. Die Frauen würden geimpft, weil die Übertragung während der Entbindung ein häufiger Infektionsweg sei; jährlich würden in Kenia rund 550 Neugeborene an Tetanus sterben. Das Gesundheitsministerium stellte Bilder auf seine Homepage, wie sich Mitarbeiterinnen, Journalistinnen und andere Frauen werbewirksam gegen Tetanus impfen lassen.

Die Zweifel der katholischen Kirche indes konnte das nicht zerstreuen. Am 6. November, als die Impfkampagne bereits offiziell beendet war, wandte sich die Bischofskonferenz mit einem offenen Brief [2] direkt an die kenianische Bevölkerung: Die Kirche lehne Impfungen keineswegs grundsätzlich ab; die Anfragen vom Frühjahr habe das Gesundheitsministerium aber nach wie vor nicht beantwortet. Ende März und Mitte Oktober habe man sich mit Verantwortlichen im Gesundheitsministerium getroffen und sei zu dem Schluss gekommen, dass der Impfstoff überprüft werden solle. „Dies ist aber nicht passiert“, heißt es in der Erklärung.

Die Kirche besorgte sich den Impfstoff und ließ ihn testen

Die katholische Kirche habe sich deswegen selbst um Proben des Impfstoffes bemüht und sie von vier unabhängigen staatlichen und privaten Laboren in Kenia und im Ausland testen lassen. In allen Proben sei das Schwangerschaftshormon nachgewiesen worden, heißt es in dem Brief. Man sei schockiert über den laxen Umgang der Regierung mit diesem Thema. „Der vom Gesundheitsministerium dem parlamentarischen Gesundheitsausschuss vorgelegte Bericht über die Sicherheit des Impfstoffs ist falsch und ein bewusster Versuch, die Wahrheit zu verschleiern.“

Die Bischofskonferenz prangerte außerdem Fälle an, in denen Mediziner, die Informationen über den Impfstoff weitergeleitet hatten, eingeschüchtert und ihnen disziplinarische Strafen angedroht wurden. „Wir sind überzeugt, dass es sich bei der Tetanus-Impfkampagne um ein verschleiertes Programm zur Geburtenkontrolle handelt.“

Der Vorwurf zeigte Wirkung. Wenige Tage darauf erklärten die WHO und die UNICEF in einer gemeinsamen Stellungnahme den Impfstoff für sicher und stellten die Ergebnisse der von der katholischen Gesundheitskommission in Auftrag gegebenen Proben in Frage. Das Gesundheitsministerium in Nairobi kündigte an, ein Untersuchungsausschuss [3]werde die Hintergründe der Impfkampagne klären.
 


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Links
[1] https://www.welt-sichten.org/artikel/25783/impfung-oder-geburtenkontrolle
[2] http://www.kccb.or.ke/home/news-2/press-statement-by-the-kenya-conference-of-catholic-bishops/
[3] http://www.nation.co.ke/news/politics/Tetanus-Vaccine-Catholic-Church-Health-Ministry/-/1064/2519298/-/klv96yz/-/index.html