ODA-Reform: Kredite zählen weniger

Die Geberstaaten streiten seit Jahren darüber, was als offizielle Entwicklungshilfe (ODA) gilt und was nicht. Auf dem Weg zu einer grundlegenden Reform des ODA-Konzepts wurden nun strengere Regeln für die Anrechnung von Darlehen beschlossen.

Die Bundesregierung geht davon aus, dass künftig mehr Entwicklungshilfe auf Kredit geleistet wird als bisher. Westliche Geberländer, darunter auch Deutschland, wollen künftig ihre Zuschüsse, die anders als Kredite nicht zurückgezahlt werden müssen, stärker auf die bedürftigsten Länder konzentrieren, sagte der Staatssekretär im Entwicklungsministerium (BMZ), Thomas Silberhorn, bei einer Aussprache des Fachausschusses im Deutschen Bundestag im Dezember. Aber für die finanzstärkeren Länder werde Deutschland die Kreditvergabe tendenziell ausbauen.

Silberhorn ging auf die jüngste Sitzung des Entwicklungsausschusses (DAC) der Industrieländerorganisation OECD in Paris ein. Dieser hat Mitte Dezember erste Eckpunkte einer Reform beschlossen, welche öffentlichen Ausgaben Mitgliedsländer als staatliche Entwicklungsfinanzierung (ODA) anrechnen dürfen. Eine solche Reform wird seit längerem diskutiert, weil bei vielen Ausgaben, die als ODA angerechnet werden dürfen, umstritten ist, wie sinnvoll sie aus entwicklungspolitischer Sicht sind. Dazu zählen etwa die Ausgaben für die Unterbringung von Flüchtlingen oder für Studenten aus Entwicklungsländern. Umgekehrt ignoriert das ODA-Konzept Leistungen, die zu Entwicklung beitragen können, etwa staatliche Garantien für entwicklungsfördernde Privatinvestitionen.

Zudem hält der DAC eine Reform für erforderlich, weil nach 2015 neue Nachhaltigkeitsziele die bisherigen Millenniumsziele (MDG) ablösen werden. Die neuen Ziele reichen viel weiter als die alten Entwicklungsziele und erfordern daher aus Sicht der Geber ein breiteres Verständnis von Entwicklungsfinanzierung. Der Ausschuss will deshalb ein neues Instrument mit dem Titel „Total Official Support for Sustainable Development“ (TOSD) ausarbeiten, das die Geberleistungen erfasst, die nicht im engeren Sinne Entwicklungshilfe sind. Dazu zählen etwa Ausgaben für globale öffentliche Güter wie den Klimaschutz oder Frieden und Sicherheit. Die bisherige ODA wird dann ein Teil davon sein.

Mehr Zuschüsse für arme Länder

Als erstes konkretes Ergebnis der ODA-Reform hat der DAC festgelegt, wie in Zukunft so genannte konzessionäre Darlehen behandelt werden. Derzeit gilt: Enthält ein Kredit für ein Entwicklungsland einen nicht rückzahlbaren Zuschussanteil von mindestens 25 Prozent, darf das Geberland den Kredit in voller Höhe als Entwicklungshilfe verbuchen und auf seine ODA-Quote anrechnen. Diese Praxis wird von Fachleuten – und auch von einzelnen DAC-Mitgliedern – schon länger unter anderem deshalb kritisiert, weil sie Kredite in gleicher Höhe gleich behandelt, selbst wenn der Zuschussanteil unterschiedlich hoch ist. Der Zuschussanteil wird aus mehreren Faktoren errechnet wie der Laufzeit des Kredits, der Verzinsung und dem sogenannten Abzinsfaktor, der die potentielle Rendite bemisst, die ein Kreditnehmer aus dem Kapital erzielt.

Die DAC-Mitglieder haben sich darauf verständigt, dass ab 2018 nur noch der Zuschussanteil eines Kredits als ODA verbucht werden darf. Das ist als Kompromiss zu verstehen zwischen Gebern wie England oder den skandinavischen Ländern, die ihre Hilfe nur in Form von Zuschüssen vergeben, und Ländern wie Deutschland oder Frankreich, die auch Kredite vergeben. Das wird weiterhin möglich sein, nur sinkt der Betrag, den sich diese Geber als ODA anrechnen dürfen. Um zu verhindern, dass sich vor allem sehr arme Länder mit Entwicklungskrediten zu hoch verschulden, muss der Zuschussanteil in Krediten an sie in Zukunft mindestens 45 Prozent betragen. Für Länder mit mittlerem Einkommen gelten Schwellenwerte von 10 beziehungsweise 15 Prozent.

Der DAC hat zudem beschlossen, bei der Berechnung des Zuschussanteils das Risiko zu berücksichtigen, dass ein Entwicklungsland einen Kredit nicht zurückzahlen kann. Weil damit das Ausfallrisiko schon bei der Berechnung des ODA-Anteils eines Kredits eingepreist ist, dürfen die Geber nach Inkrafttreten des neuen Verfahrens Schuldenerlasse nicht mehr wie bisher als Entwicklungshilfe verbuchen.

Opposition bemängelt Intransparenz

Staatssekretär Silberhorn begrüßte im Ausschuss die Neuerung. Die Finanzierung der breiten Post-2015-Agenda für neue Nachhaltigkeitsziele werde allein mit öffentlichen Mitteln nicht zu stemmen sein, betonte er. Kredite seien ein wichtiges Instrument und für die Empfängerländer durchaus „kein Nullsummenspiel“. Die gewährten Zinsen lägen immer unter Marktniveau und der Empfänger profitiere zudem von einer verbesserten Bonität, welche wiederum andere Geldgeber anziehe.

Laut einem BMZ-Sprecher hat Deutschland 2012 über die KfW-Entwicklungsbank ODA-Darlehen von insgesamt 1,362 Milliarden US-Dollar brutto vergeben. Im selben Jahr flossen 1,034 Milliarden US-Dollar geliehenes Geld zurück. Daraus ergibt sich netto eine Entwicklungshilfe aus Darlehen in Höhe von 328 Millionen Dollar. Die deutsche ODA betrug im selben Jahr insgesamt knapp 13 Milliarden Dollar.

Deutschland vergibt unterschiedlich „weiche“ Kredite. Bei zinsreduzierten Darlehen etwa werden Haushaltsmittel genutzt, um den Zinssatz zu vergünstigen. Der Löwenanteil davon geht nach Asien. Geringere Bedeutung haben Haushaltsmittel-Darlehen ohne Marktanteile und Förderdarlehen aus KfW-Mitteln ohne Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt. Die Opposition kritisiert dieses Geflecht als undurchsichtig und fordert eine transparentere Darstellung. Sie moniert zudem, dass Deutschland in den vergangenen zehn Jahren den Anteil von Krediten an seiner Entwicklungshilfe stetig erhöht hat

 

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erschienen in Ausgabe 2 / 2015: Wohnen: Alle ab ins Hochhaus?
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