Zukunftsvertrag oder Nullnummer?

(2.03.2015) Wie weit reichen die neuen Nachhaltigkeitsziele? Wer soll die Kosten schultern? Und wie soll die Einhaltung gewährleistet werden? Darüber wurde vergangene Woche im politischen Berlin diskutiert.

Neue Entwicklungsziele werden neue Finanzierungswege brauchen. Darüber berät in diesem Sommer eine große Konferenz in Addis Abeba. Im Vorfeld hat Bundesentwicklungsminister Gerd Müller erstmals in Aussicht gestellt, die Mittel deutlich aufzustocken. In einem Interview mit dem „Tagesspiegel“ sagte er, die weltweiten Investitionen für Entwicklung müssten sich in den kommenden zehn Jahren „mindestens verdoppeln“. Bei einer Diskussion der Hilfsorganisation Brot für die Welt kündigte Müller zudem an, das Deutschland bei den nächsten Haushaltsberatungen „einen weiteren wichtigen Schritt nach vorne machen“ werde.

Weltweit würden jährlich 1750 Milliarden Dollar für Rüstung und Verteidigung ausgegeben, sagte Müller. Dem stünden rund 130 Milliarden Dollar öffentlicher Gelder für Entwicklung, Krisenprävention, Konfliktverhinderung und Wiederaufbau gegenüber. Dieses „grobe Missverhältnis“ zu ändern, gehöre zur Debatte über die neue Entwicklungsagenda, die im September verabschiedet werden soll.

Müller schlägt UN-Reformen vor

Auf dem Weg dahin könne das Gipfeltreffen von Addis Adeba den Dialog zwischen Industrie- und Entwicklungsländern eröffnen, sagte Cornelia Füllkrug-Weitzel, die Präsidentin von Brot für die Welt. Die reichen Staaten der G7 müssten signalisieren, dass sie bereit seien, ihren Verpflichtungen bei der Finanzierung nachzukommen. Auch Dirk Messner, Leiter des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE), forderte, dass die G7 Verantwortung übernehmen und Brücken schlagen.

Weitere Baustellen sind die Fragen, wie verbindlich die Ziele sein sollen und wer sie überprüfen soll. Müller betonte, dass die 17 Nachhaltigkeitsziele messbar und überprüfbar sein sollen. Über Erreichtes oder Nichterreichtes müsse Rechenschaft abgelegt werden. Müller plädierte in diesem Zusammenhang zudem für eine Reform der Vereinten Nationen. „Wenn der Zielkatalog in einem Zukunftsvertrag verabschiedet wird, brauchen wir auch einen Nachhaltigkeits- oder Zukunftsrat parallel zum Sicherheitsrat, der administrieren und sanktionieren kann.“ Ähnliche Forderungen kommen seit längerem von der Linken, die sich für die Gründung eines Weltwirtschaftsrates sowie für einen Klima-Kompensationsfonds bei den UN einsetzt. 

Wie die Umsetzung nationaler Aktionspläne überprüft werden soll, ist ebenfalls noch unklar. Eine Überlegung geht offenbar in die Richtung, dass Staaten sich gegenseitig prüfen, wie sie beim Erreichen der Nachhaltigkeitsziele abschneiden. Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sprach sich dafür aus, die Ziele für den globalen Umwelt-, Klima- und Ressourcenschutz in die Nachhaltigkeitsstrategie der Bundesregierung zu integrieren, die 2016 überarbeitet wird.

Alles nichts Neues, kritisieren die Grünen

Aus Sicht der SPD muss zudem mehr für menschenwürdige Arbeit und den Zugang zu sozialen Sicherungssystemen getan werden. Wenn man schon universelle Ziele entwickle, dann gehöre das in allen Ländern auf die Agenda, sagte Bärbel Kofler, die Obfrau für Entwicklungspolitik der SPD-Bundestagsfraktion. Knapp 900 Millionen Menschen verdienten trotz Arbeit weniger als zwei Dollar am Tag, zu oft überwiege die informelle Beschäftigung, in der kein Arbeits- und Sozialrecht gelte.

Die Grünen halten der Koalition vor, insgesamt zu wenig konkret und kohärent zu sein. Hier werde im Elfenbeinturm eine virtuelle Debatte geführt, beklagte Claudia Roth. Dabei gehe es schlicht darum, „wie wir arbeiten, wirtschaften, konsumieren und leben“. Trotzdem seien Positionen zu übergreifenden Aufgaben nur vom Entwicklungsausschuss vorbereitet worden – ohne Zutun der Ausschüsse für Wirtschaft, Verteidigung, Haushalt und Finanzen. Was hier zu planetaren Grenzen, Umweltzielen oder globaler Gerechtigkeit diskutiert werde, reiche nicht über schon Erreichtes hinaus, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Peter Meiwald: „Daher handelt es sich eigentlich um eine Nullnummer.“

 

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erschienen in Ausgabe 4 / 2015: Unternehmen: Fair bringt mehr
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