„Ich habe eine Leidenschaft für den Frieden“

Zum Thema
Friedensarbeit im Südsudan
Faure Gnassingbé
Claudine Ahianyo-Kpondzo
Claudine Ahianyo-Kpondzo setzt sich in Togo für gewaltfreie Konfliktlösungen ein. Die Vorsitzende des West Africa Network for Peace­building (WANEP) in Togo erzählt, was ihr Heimatland spaltet, warum Friedens­erziehung schon mit drei Jahren beginnen sollte und wie sie mit dem Frust umgeht, dass Politiker immer zu spät reagieren.

Vor der Präsidentschaftswahl im April hat es in Togo heftige Proteste gegeben. Wie ist die Stimmung jetzt?

Im Moment ist alles ruhig. Die Togoer sind zwar nicht hundert Prozent glücklich damit, dass Faure Gnassingbé wieder Präsident ist. Aber unter seiner Herrschaft geht es dem Land besser als unter der seines Vaters. Wir haben jetzt Presse- und Meinungsfreiheit. Journalisten können sogar den Präsidenten beleidigen und es ist ihm egal. Die Wirtschaft entwickelt sich. Die Regierung investiert in Straßenbau und beschäftigt damit viele Menschen. Außerdem kommen mehr Investoren ins Land, die ebenfalls Arbeitsplätze schaffen. Und es gibt staatliche Förderprogramme für Jugendliche, Frauen in ländlichen Regionen und Kleinbauern, die ihnen ein besseres Auskommen ermöglichen. Viele Togoer sagen: Die Politiker sind ohnehin alle gleich. Solange ich einen Job habe, ist es mir egal, wer regiert.

Wenn sich die Lage verbessert, was bleibt dann für Friedensorganisationen wie WANEP zu tun?

Wenn Dinge besser werden, kommen neue Konflikte. Veränderungen sind ja an sich schwierig, weil manche Menschen sie nicht mitmachen wollen. Denn sie wissen nicht, ob die Zukunft besser sein wird. Wir haben genug zu tun.

Und was tun Sie?

Die Präsidentschaftswahl hat noch einmal gezeigt, dass es in Togo eine Spaltung gibt zwischen verschiedenen ethnischen Gruppen, etwa den Ewe im Süden und den Kabiye im Norden des Landes. Die wirtschaftliche Macht sitzt im Süden, dort haben die Menschen die Opposition gewählt. Der nördliche Teil besitzt dagegen die politische Macht, denn er hat für Faure Gnassingbé gestimmt. Wir können uns aber nur gemeinsam entwickeln. Dafür müssen wir die Menschen sensibilisieren und sie darin schulen, Klischees und Vorurteile aufzugeben. Sie sollen zuerst daran denken, dass sie Togoer sind, also eine nationale Identität haben, bevor sie sagen, dass sie aus dem Norden oder Süden kommen.

Wie erreichen Sie das?

Wir fangen mit kleinen Kindern an. Wir bringen ihnen schon im Kindergarten, also im Alter zwischen drei und sieben Jahren bei, was Solidarität und Toleranz sind und wie sie ihre Umwelt schützen können. Wir bilden die Erzieherinnen aus, und sie geben diese Botschaft mit Hilfe von Geschichten, Zeichnungen und Rollenspielen weiter an die Mädchen und Jungen. In einer zweiten Phase wollen wir uns auch um die Eltern kümmern, damit sie ihre Kinder unterstützen können. Die Fortschritte, die die Kinder in der Schule machen, sollen durch Erlebnisse in der häuslichen Umgebung nicht zunichte gemacht werden.

Arbeiten Sie vor allem im Süden des Landes oder auch im Norden?

Unser Pilotprojekt mit mehr als 50 Kindergärten läuft in Kpalimé, im Südwesten. Wir wollen es auf die Hauptstadt Lomé ausdehnen und auf die Städte Notsé und Atakpamé. Die liegen alle im Süden.

Ein Austausch mit dem Norden fehlt also noch?

Darüber denken wir zurzeit nach. Wir hatten in Lomé ein Treffen mit Erzieherinnen aus dem Norden, denen das Projekt sehr gut gefällt. Sie möchten sich daran beteiligen und haben einen Austausch vorgeschlagen. Aber das ist eine Geldfrage. Wir haben Berichte an das Erziehungsministerium geschickt und hoffen, dass die Regierung unsere Inhalte in die Lehrpläne aufnimmt, so dass sie landesweit Verbreitung finden. Doch jetzt werden wir einen neuen Minister oder eine neue Ministerin bekommen und wir wissen nicht, ob er oder sie der Friedenserziehung einen hohen Stellenwert einräumt. Wir drücken die Daumen.

Arbeiten Sie auch mit Erwachsenen?

Ja, vor allem mit Frauen. Wir informieren sie über ihre Rechte und die juristischen Instrumente, die sie schützen. Wir überlegen gemeinsam mit ihnen, wie sie im Alltag friedensstiftend wirken können. Zum Beispiel auf dem Markt: Wenn jemand bei dir etwas kaufen will, sagst du deinen Preis. Der Kunde will aber nur die Hälfte bezahlen. Statt zu schreien und einen Krach anzufangen, kannst du ihm erklären, warum du diesen Preis nimmst. Damit du dir selbst etwas zu essen kaufen kannst zum Beispiel. Außerdem schulen wir Jugendliche in Friedensarbeit, Konfliktprävention und Konfliktlösung, etwa mit Hilfe von Fußball oder Musik. Bei strittigen Fragen ist es ja oft so, dass man eine unterschiedliche Wahrnehmung derselben Sache hat. Das muss man sich bewusst machen, dann kann man sich hinsetzen, reden und einen Konsens finden.

Wie groß ist Ihr Einfluss auf die Politik?

Im Verbund der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS haben wir ein Frühwarnsystem, ECOWARN. Wir arbeiten mit Indikatoren, aus denen wir das Risiko für Konflikte ableiten können. Gibt es häufige Demonstrationen oder Proteste gegen eine Regierung? Steigen die Lebensmittel- und Benzinpreise zu schnell? Wir analysieren das und erstellen ein Lagebild. Das legen wir der Regierung vor und sagen ihr, wenn sie nicht handelt, können Konflikte auftreten.

Wie reagieren die Politiker?

Oft reagieren sie zu spät. Und dann sagen sie, okay, ihr hattet Recht, das nächste Mal sind wir schneller. Manchmal reagieren sie aber auch rechtzeitig und erklären der Bevölkerung etwa die Ursachen für Preissteigerungen und wie sie dagegen vorgehen wollen. Damit verhindern sie Proteste. Aber in vier von fünf Fällen interessieren unsere Warnungen sie nicht.

Das hört sich ziemlich frustrierend an.

Ja, vor allem wenn es um Sicherheitsfragen geht. In manchen Gegenden ist die Kriminalität ziemlich hoch. Du wirst überfallen, weil jemand dein Mobiltelefon oder dein Motorrad will. Wir haben darüber mit der Regierung gesprochen und sie hat beschlossen, Polizeipatrouillen zu entsenden, um die Bevölkerung zu schützen. Aber die Polizisten gehen nicht in die entlegenen Gebiete. Sie haben manchmal selbst Angst.

Ist die Atmosphäre in Togo insgesamt sehr gewalttätig?

Nein. Togoer sind eher ruhig – außer in den Zeiten vor einer Wahl. Sie schreien sich mal an, aber sie greifen nicht so schnell zu den Waffen.

Warum haben Sie sich eigentlich diese schwierige Arbeit ausgesucht?
Ich habe eine Leidenschaft für den Frieden. Das kommt durch meine Erziehung. Wir sind acht Kinder zu Hause. Mein Vater sagte immer, wenn du einen Konflikt mit einem Schulkameraden hast, sag dir, dass er nicht weiß, dass er dich verletzt. Gehe nicht auf ihn los, sondern frage dich, ob er sich darüber im Klaren ist, was er gesagt hat. Dann trinke ein Glas Wasser, lass dir Zeit und denke darüber nach, ob es sich lohnt, mit jemandem zu streiten. Du kannst auch mit ihm reden und ihr könnt euch verstehen.

War das ein guter Rat? Welche Erfahrungen haben Sie damit gemacht?
Manche sagen, ach, diese Person hat Größe. Ich verletze sie, aber sie ist ruhig geblieben. Davon kann ich etwas lernen. Andere sagen: Du bist ja nur feige, du weißt, dass ich stärker bin. Das ist schmerzlich. Du weißt, dass du nicht schwach bist, nur weil du nicht in einen Konflikt hineingezogen werden willst. Man muss aufpassen, um die Würde eines Menschen nicht zu verletzen. Denn wenn das passiert, ist es schwierig, eine Beziehung zu reparieren.

Das Gespräch führte Gesine Kauffmann.

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erschienen in Ausgabe 7 / 2015: Den Frieden fördern, nicht den Krieg
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