Schweizer lehnen SVP-Initiative ab

Ausländerrecht
Doch keine automatische Ausschaffung straffälliger Ausländer ohne Einzelfallprüfung: Die Schweizer haben am 28. Februar der sogenannten „Durchsetzungsinitiative“ der nationalkonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) eine deutliche Absage erteilt.

Nach dem Ja der Schweizer zur Ausschaffungsinitiative der SVP im Jahr 2010 hatten Bundesrat und Parlament ein Gesetz zu deren Umsetzung erarbeitet: Sofern kein schwerer persönlicher Härtefall dagegen spricht, muss das Gericht straffällige Ausländerinnen und Ausländer unabhängig von der Höhe der Strafe zwischen fünf und 15 Jahren des Landes verweisen. Im Gesetz sind rund 50 Straftatbestände vom Tötungsdelikt über die Genitalverstümmelung bis hin zum Sozialhilfemissbrauch aufgelistet. Doch von der Härtefallregelung wollte die SVP nichts wissen.

Sie lancierte deshalb noch während des Gesetzgebungsverfahrens eine neue Volksinitiative „zur Durchsetzung der Ausschaffung krimineller Ausländer“. Diese sah einen in der Verfassung verankerten Katalog von Delikten vor, um Ausländer auch bei geringfügigen Vergehen automatisch auszuschaffen – ohne Härtefallregelung und damit im Widerspruch zur Schweizer Verfassung und zur Menschenrechtskonvention.

Umfragen vor der Abstimmung hatten auf ein Ja zur Durchsetzungsinitiative hingedeutet, doch nun lehnten 58,9 Prozent der Schweizer das Volksbegehren ab. Die Stimmbeteiligung lag bei 63,4 Prozent. Zum Nein beigetragen haben dürfte eine lange nicht mehr gesehene Mobilisierung.

Kulturschaffende, Medien, Parteien, Wirtschaft und Justiz waren im Vorfeld fast geschlossen gegen die Initiative angetreten. Sie hatten sich mit Appellen an die Bevölkerung gerichtet und vor einer Aushebelung der Gerichte und des Parlaments, aber auch vor Verstößen gegen die Menschenrechte gewarnt.

Justizministerin Simonetta Sommaruga lobte nach der Abstimmung die „einzigartige“ Nein-Kampagne, mit der junge Menschen politisiert worden seien. Viele, die sonst nicht abstimmten, seien dieses Mal an die Urne gegangen. „Wir haben ein beeindruckendes und in dieser Form neues Engagement der Zivilgesellschaft erlebt“, sagte die Bundesrätin. Die Mehrheit der Bevölkerung habe eingesehen, dass auch in einer direkten Demokratie niemand allmächtig werden dürfe. „Das war ein wichtiger Tag für den Rechtsstaat.“

Das Nein sei auch als Bekenntnis zu den Ausländerinnen und Ausländern in der Schweiz zu interpretieren, insbesondere zu den Kindern von Migranten, die in der Schweiz geboren wurden und seit vielen Jahren hier leben, so die Justizministerin weiter. Wäre die Initiative angenommen worden, hätten zwei Bagatelldelikte genügt, um diese oft bestens integrierten Ausländer des Landes zu verweisen.

Laut dem vom Parlament ausgearbeiteten Gesetz zur Umsetzung der Ausschaffungsinitiative werden straffällige Ausländer künftig dennoch automatisch des Landes verwiesen. Nur wenn ein schwerer persönlicher Härtefall vorliegt, können die Gerichte ausnahmsweise darauf verzichten. Das Gesetz soll spätestens im Januar 2017 in Kraft treten.

Die SVP hat angekündigt, den Richtern nun genau auf die Finger zu schauen. Die Partei ist besorgt, dass die Härtefallklausel zur Regel gemacht werden könnte. Für die SVP ist das Nein von gestern mehr als eine Abstimmungsniederlage. Immer wieder hatte die Partei dem Parlament vorgeworfen, den Volkswillen zu missachte. Nun erhielt sie vom Volk die Rückmeldung, dass es Verantwortung an den Gesetzgeber abgeben will und kann.

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