Kleinbauern halten Wälder gesund

Klimawandel
Chandra Bhushan vom indischen Zentrum für Wissenschaft und Umwelt erklärt, woran der globale Waldschutz krankt.

Hinter REDD+ steht die Idee, dass reiche Länder für den in Wäldern im Süden gebundenen Kohlenstoff zahlen und so intakte Wälder einträglicher machen als Raubbau. Das soll die Waldverluste stoppen. Hat das funktioniert?   
Global gesehen nein. Nach den jüngsten Daten waren 2017 die weltweiten Waldverluste höher als seit vielen Jahren. Es gibt keine Anzeichen, dass REDD+ den Waldbestand insgesamt günstig beeinflusst hätte.

Weil es nicht in großem Stil angewandt wird? 
Ja. In den meisten Gebieten ist REDD+ noch immer in der Vorbereitungsphase: Man baut Institutionen auf, erfasst Daten, schafft Regeln für die Messung des im Wald gebundenen Kohlenstoffs. Daneben gibt es Pilotprojekte, aber keine Anwendung im großen Maßstab.

Sie haben einige Projekte in Indien und Afrika genauer untersucht. Wie wirken sie lokal? 
Die Pilotprojekte in Afrika funktionieren zum einen da besser, wo die Landeigentümer große Flächen besitzen – in Kenia zum Beispiel Weidegebiete. Für die ist ein niedriger Preis des gebundenen Kohlenstoffs tragbar. Zum anderen gibt es in Kenia und Tansania REDD+-Projekte in Wildparks, also zusätzlich für Gebiete, die bereits unter Naturschutz stehen. Damit wird Kohlenstoff gebunden, aber solche Flächen sind Sonderfälle. Wenn wir Wälder erhalten und viel mehr Kohlenstoff binden wollen, müssen wir mit Kleinbauern und Gemeinden im Wald zusammenarbeiten. In deren Gebieten gibt es aber kaum erfolgreiche REDD+-Projekte. Ein Projekt mit Kleinbauern in Tansania bekam nur eine Anstoßfinanzierung, danach konnten sie die Zertifikate für den gebundenen Kohlenstoff nicht verkaufen.

Fehlt Geld für REDD+, weil die Staaten keinen globalen Handel mit begrenzten Emissionsrechten geschaffen haben wie in der EU? 
Richtig. Deshalb kaufen nur Firmen und Privatpersonen, die freiwillig Emissionen etwa von Flugreisen kompensieren, solche Zertifikate. Der größte Teil des Geldes für REDD+ stammt bisher von bilateralen oder multilateralen Gebern und die zahlen immer nur einige Jahre. Neben der Finanzierung ist aber auch das Konzept von REDD+ ein Problem.

Inwiefern?
REDD+ konzentriert sich darauf, Entwaldung zu verhindern, nicht Wälder zu verbessern und Armut zu bekämpfen. Und es trägt nicht der Tatsache Rechnung, dass die Kontrolle über Wälder sich wandelt: Immer mehr Länder überlassen sie lokalen Gemeinschaften. Und überall – in Nepal, Südostasien, Mexiko, Indien und anderswo – zeigt sich, dass von Gemeinschaften bewirtschaftete Wälder in wesentlich besserem Zustand sind als solche unter dem Management staatlicher Stellen. Sie binden mehr Kohlenstoff, sind gesünder und werden nachhaltiger genutzt. Aber vorbereitet werden jetzt vielfach sogenannte territoriale REDD+-Projekte für sehr große Gebiete, die zentrales staatliches Management erfordern. Das widerspricht dem erfreulichen Trend, die Waldbewirtschaftung zu dezentralisieren.

Sollte man REDD+ abschaffen oder reformieren? 
Wir sind dafür, REDD+ weiter zu entwickeln zu etwas, das wir Senkenmechanismus nennen. In allen Szenarien, in denen der Klimawandel begrenzt wird, müssen große Mengen Kohlenstoff aus der Atmosphäre gebunden werden – entweder künstlich, und das ist gefährlich, oder vermehrt in Wäldern und im Boden. Viele Länder im Süden haben unter dem Pariser Klimaabkommen versprochen, Waldflächen auszuweiten; andere, etwa Äthiopien, tun eine Menge für die Bodengesundheit. Viele, zum Beispiel Indien, stecken schon eigenes Geld in die Regeneration ihrer Wälder. Sie müssen von reichen Ländern unterstützt werden. Wir sollten REDD+ zu einem Programm weiterentwickeln, das nicht nur die Entwaldung stoppt, sondern auch den Waldbestand vergrößert und die Aufnahme von Kohlenstoff in landwirtschaftlich genutzten Böden erhöht. Hier ist das Potenzial genauso groß wie in Wäldern.  

Wie soll das finanziert werden? 
Das Geld kann nicht von einem globalen Kohlenstoffmarkt kommen. Denn das Potenzial, Kohlenstoff in Wäldern und Böden zu binden, ist sehr hoch, aber die Nachfrage nach den so erzeugten Emissionszertifikaten wäre klein, weil die Staaten insgesamt wenig Verringerungen ihrer Emissionen zugesagt haben. Der Preis würde also zusammenbrechen. Das Geld muss aus öffentlichen und privaten Quellen kommen, aber nicht über Kohlenstoffmärkte.

Die Unterstützungszahlungen sollen aber weiter vom Erfolg abhängen, also von der Menge des aufgenommenen Kohlenstoffs? 
Ja, aber man muss darüber diskutieren, woran man Erfolg messen soll. Das Kriterium sollte nicht allein die Menge des Kohlenstoffs sein, es geht auch um die Gesundheit des Waldes und um Kriterien wie die Artenvielfalt. Man kann den Wert eines Ökosystems nicht auf eine einzige Messzahl reduzieren.

Das Gespräch führte Bernd Ludermann.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2019: Jugend und Bildung
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