Kein Dubai in Ostafrika

Deodatus Mfugale

Nicht alle haben Grund zur Klage: Sofia Selemani freut sich über das Wasser aus den Tanks, die der Gaskonzern in ihrem Dorf errichtet hat.

Tansania
Seit zwölf Jahren wird im verarmten Südosten des Landes Erdgas gefördert. Die Menschen dort haben davon nichts – auch weil sie die eine oder andere Chance verstreichen lassen.

Die Hauptstraße vom Msimbati im Südosten von Tansania teilt das Dorf in zwei Hälften. Gesäumt wird sie von kleinen Häusern aus Lehm. Die meisten haben Grasdächer, manche sind mit Wellblech gedeckt, doch alle hätten eine Sanierung nötig. Zwei Geschäfte verkaufen Lebensmittel und Haushaltswaren. Die Ruine am Ende der Straße hat früher die Polizeistation des Dorfes beherbergt. Hier und da sind Gruppen junger Männer zu sehen, sie wirken unfreundlich und misstrauisch, verbreiten eine unbehagliche Stimmung.

Fünf Kilometer von Msimbati entfernt liegt das Erdgasfeld Mnazi Bay, aus dem seit mehr als zehn Jahren Gas gefördert wird. Der französische Öl- und Gaskonzern Maurel & Prom ist dort seit 2006 tätig, er verkauft das Gas vor allem an den staatlichen tansanischen Energieversorger Tanesco. Doch die Anwohner haben wenig von diesem Geschäft profitiert: Die Armut erhebt ihr hässliches Haupt über dem Reichtum der Natur.

Laut Jahresbericht 2017 bezahlte Maurel & Prom im vergangenen Jahr umgerechnet rund 7,4 Millionen Euro Steuern und Abgaben an die tansanische Regierung. Der Distrikt Mtawara, in dem Gasfeld und Gaswerk liegen, erhielt jedoch gemäß einem Bericht im „Journal of Applied Research“ lediglich rund 150.400 Euro für das Jahr 2016/2017.

Tansanias Regierung hat 2013 festgelegt, dass alle Erdgasvorkommen im Land ein öffentliches Gut sind und zum Nutzen der Bevölkerung verwaltet werden müssen. In Msimbati scheint das jedoch nicht angekommen zu sein. Sauberes Trinkwasser ist knapp, die gesundheitliche Versorgung schlecht. Das Gesundheitszentrum ist für vier Dörfer zuständig, es mangelt an Personal und Ausstattung. Auch hier fehlt Wasser, lediglich auf einer Seite des Daches hat man eine Regenrinne angebracht, um Regenwasser zu sammeln. Das reicht aber nicht, um den Tank zu füllen, vor allem, wenn es wenig regnet. Schwangere müssen deshalb selbst Wasser mitbringen, wenn sie im Zentrum ein Kind zur Welt bringen wollen. „Die Erdgasförderung hat uns nicht viel gebracht“, sagt Mohamed Hamisi Mgogo aus Msim­bati. „Einige Leute sind für ihr Land oder ihre Kokospalmen entschädigt worden, die den Gebäuden und der Gaspipeline weichen mussten.“ Für den Bau der Förderanlagen seien einige Arbeiter eingestellt worden, jedoch nur zeitweise. Die meisten Anwohner seien mit den sozialen Dienstleistungen der Regierung und des Gasunternehmens unzufrieden. „Wer in der Distrikthauptstadt Mtawara lebt, hat am meisten von unserem Ressourcenreichtum“, sagt Mgogo. „Dort sind die sozialen Dienste gut. Aber wenn bei Geburten in Msimbati Komplikationen auftreten, müssen die Frauen in ein 50 Kilometer entferntes Krankenhaus gebracht werden.“

Kaputte Wasserpumpen

Vor allem die jungen Leute im Dorf fühlen sich außen vor. Zwar biete die Gasindustrie Arbeit – aber nicht für sie. „Wir bekommen auf dem Gasfeld von Msimbati oder im Gaswerk von Madimba keine Jobs, weil wir nicht dafür ausgebildet sind“, sagt Maid Issa aus Msimbati. „Unsere Altersgenossen in Mtwara hingegen schon. Sie haben auch eine Beschäftigung gefunden. Uns hat man vernachlässigt“, fügt der 21-Jährige hinzu.   

Der Leiter des Gesundheitszentrums von Msimbati, Tostao Salum Athman, weiß, dass die Bewohner seines Dorfes mit der Distriktregierung unzufrieden sind. „Es ist ihre Pflicht, das Zentrum wieder in Ordnung zu bringen und die Wasserversorgung sicherzustellen. Dafür bekommt sie eine Abgabe vom Gasunternehmen und sie hat noch andere Einkommensquellen“, erklärt er. Athman hat sich mit den Dorfältesten zusammengetan und den Distrikt aufgefordert, 20 Prozent der Gasabgaben für die sozialen Dienste im Dorf zur Verfügung zu stellen. Der Dis­trikt lehnte jedoch ab und verwies darauf, dass die Abgabe für den gesamten Distrikt und nicht für ein einzelnes Dorf verwendet werden muss.

„Das Gasunternehmen hat im Gesundheitszentrum von Msimbati einen Flügel für werdende Mütter eingerichtet“, sagt Athman. „Aber die Dorfbewohner finden, das ist nicht genug. Wir haben das Unternehmen gebeten, die Wasserversorgung zu verbessern. Aber dafür haben sie in diesem Jahr kein Geld, erklären sie.“

"Das Gas hat uns ärmer gemacht"

Muhamad Musa Madiva lebt in Madimba, etwa einen Kilometer vom Gaswerk entfernt. Das Dorf ist mit Msimbati und Mtwara über eine unbefestigte Straße verbunden. „Als die Unternehmen begannen, Gas zu fördern, haben wir gehofft, dass die sozialen Dienste schnell besser werden“, sagt er. „Aber schau dir diese Straße an! Unser Gesundheitszentrum ist für sieben Dörfer zuständig und stets überfüllt mit Patienten.“

2014 installierte der Gaskonzern eine Wasserpumpe und fünf Tanks, um Madimba und die umliegenden Siedlungen zu versorgen. Zwei von ihnen sind inzwischen kaputt, und die Dorfvorsteher waren nicht in der Lage, sie zu reparieren. Manche Menschen müssen sechs Kilometer weit laufen, um Wasser zu holen. „Das ist vor allem für Frauen schwierig“, sagt Madiva. „Ich finde, das Unternehmen sollte ein Verteilernetz für das Wasser installieren, damit wir es nicht so weit haben.“ Die 36-jährige Sofia Selemani hingegen sieht es nicht ganz so düster: Viele Frauen im Dorf und in benachbarten Siedlungen freuten sich, dass sie nun nicht mehr jeden Tag nach Wasser suchen müssen, selbst wenn der Weg für manche immer noch weit sei.

Juma Lila, der ebenfalls in Madimba wohnt, meint, die Entdeckung von Erdgas habe die Einheimischen insgesamt ärmer gemacht. „Nachdem wir für unser Land entschädigt worden waren, dachten wir, die Regierung würde Wege finden, um hier kleine Fabriken anzusiedeln. Zum Beispiel, um Cashewnüsse zu verarbeiten oder Fisch zu trocknen. Damit hätten wir ein verlässliches Einkommen gehabt“, sagt er. Aber das sei nicht geschehen. Die Menschen hätten all ihr Entschädigungsgeld ausgegeben. „Tatsächlich sind sie jetzt ärmer als zuvor.“

"Das Problem ist der Mangel an Bildung"

Im Jahr 2012 hatte der damalige Präsident Jakaya Kikwete in Mtwara versprochen, mit den enormen Gasvorkommen werde die Stadt eine ähnliche Entwicklung nehmen wie Dubai in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Seine Botschaft strotzte nur so vor Optimismus und weckte die größten Erwartungen. „Die Tage der mageren Kühe sind vorbei“, glaubten die Menschen. Doch mit der Zeit wurden sie wieder nüchtern und begriffen, dass die Gasindustrie nicht jeden mitnehmen würde – und das Dubai-Versprechen ein Luftschloss war. Ende 2012, Anfang 2013 kam es in Teilen der Mtwara-Region zu Unruhen – und manche Beobachter glaubten, dass sie von der Angst der Einheimischen getrieben waren, von der Gasindustrie an den Rand gedrängt zu werden.

Dabei könnten junge Leute auch im Umfeld der Gasindustrie Geld verdienen. „Sie könnten die Angestellten des Gasfeldes und des Gaswerkes mit Gemüse, Geflügel und Eiern versorgen“, sagt Mussa Mgeni vom Dorfrat in Madimba. „Aber dazu sind sie nicht in der Lage. Das Problem ist ihr Mangel an Bildung.“ Noch schlimmer: Zwei Jugendgruppen hätten bei der Distriktregierung Kredite aufgenommen, erzählt Mgeni. Aber statt das Geld in ein Projekt zu investieren, hätten sie es für Essen und Getränke ausgegeben. Unter solchen Umständen sei es kein Wunder, wenn die Leute arm bleiben, obwohl es Verdienstmöglichkeiten gibt. „Die jungen Leute müssen sich zu einer Gruppe zusammenschließen und zum Beispiel gemeinsam Gemüse anbauen. Und sie müssen die Kredite für Projekte ausgeben, nicht für ihre persönlichen Bedürfnisse.“

Doch es steht nicht nur die gegenwärtige wirtschaftliche Entwicklung in den Dörfern auf dem Spiel. Juma Lila aus Madimba blickt bereits in die Zukunft, wenn er sagt, die Regierung müsse daran denken, dass das Erdgasvorkommen begrenzt sei. Die Gewinne müssten schon jetzt so investiert werden, dass die Wirtschaft auf Graswurzelebene gefördert werde – um die Lebensqualität der Menschen zu erhöhen, wenn die Gasförderung endet.

Aus dem Englischen von Gesine Kauffmann.

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erschienen in Ausgabe 2 / 2019: Jugend und Bildung
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