Leidenschaft, Herausforderung, Bestätigung

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Amateursport
Sport tut nicht nur dem Körper gut. Er gibt Sicherheit, lenkt von Problemen ab und lässt Menschen über ihre Grenzen gehen. Vier Amateure erzählen, warum sie ihren Sport lieben.

Ich freue mich auf die Meisterschaft

Der Afghane Saffidun, 55 Jahre, spielt den jahrhundertealten Nationalsport Buzkashi.
Seit 35 Jahren spiele ich Buzkashi. Übersetzt heißt das so viel wie „Ziegenziehen“. Schon mein Vater und mein Großvater waren sogenannte Chap Andaz, also Spieler, und haben eigene Buzkashi-Pferde besessen. Auch ich hatte ein eigenes Pferd, für das ich gesorgt habe, als ich noch jung war. Buzkashi-Pferde sind stärker und schneller als normale Pferde; sie müssen hervorragend und sorgfältig ausgebildet und gepflegt werden. 

Beim Buzkashi spielen zwei Teams mit jeweils etwa zwölf Spielern gegeneinander. Dabei wird ein enthaupteter, ausgeweideter Ziegenkadaver auf den Boden gelegt. Die Spieler stellen sich auf ihren Pferden rundherum auf. Wenn es losgeht, müssen sie versuchen, die Ziege zu packen, damit zu galoppieren und den Kadaver dann auf einem markierten Punkt, sozusagen dem Tor, abzulegen. Das Team gewinnt, welches das am häufigsten während des fast zweistündigen Spiels schafft. 

Dieser Sport ist ein Luxus, er erfordert Kraft und Stärke. Die meisten Spieler sind zwischen 18 und 50 Jahre alt. Buzkashi ist auch eher ein Sport für reiche Leute: Ein gutes Pferd kostet bis zu 100.000 US-Dollar, selbst das günstigste kostet 5000 US-Dollar. 

Die Taliban, die von 1996 bis 2001 an der Macht waren, haben Buzkashi verboten, weil dabei mit Halal-Fleisch gespielt wird, das auch für den Verzehr erlaubt ist. Aber in den nördlichen Regionen wie in der Provinz Balkh, wo ich herkomme und die Taliban nicht so mächtig waren, haben wir trotzdem weiter Buzkashi gespielt. Ab 2001 wurde das jahrhundertealte Spiel dann zum Nationalsport. Nur Cricket und Fußball sind in Afghanistan beliebter. 

Afghanistan hat schon an mehreren Meisterschaften im Ausland teilgenommen, zudem gibt es 16 afghanische Mannschaften. Im Frühling wird die Buzkashi-Meisterschaft in Kabul ausgetragen, auf die ich mich gerade vorbereite. Darauf freue ich mich schon sehr.

Aufgezeichnet von Ezzatullah Mehrdad.

 

Ich träume von meiner eigenen Tennisakademie

Dina Razafimahatratra ist Tennistrainer für Jugendliche in Madagaskar.

Ich liebe den Tennissport, seit ich als Kind meine ersten Bälle geschlagen habe. Die Kreativität, die Athletik, die Eleganz. Mein Vater hat an der Sportuniversität in Madagaskars Hauptstadt Antananarivo gearbeitet, und wir haben in einem Sportkomplex gelebt. Er hat mich zunächst ans Schwimmen herangeführt, aber dann habe ich mit Tennis begonnen. Viermal habe ich in der Jugend die Landesmeisterschaften gewonnen. Noch heute prägt der Sport mein Leben. Er ist meine Leidenschaft.

Ich bin nun 40 Jahre alt, lange habe ich als Sportreporter und Lehrer gearbeitet. Inzwischen nehme ich mir immer mehr Zeit, um als Trainer meinen Sport in Madagaskar zu fördern. Es ist nicht einfach. Wir gehören zu den ärmsten Nationen der Welt, und Tennis ist ein teurer Sport. Ab einem gewissen Niveau braucht man zumindest viele neue Bälle. Und die sind hier deutlich teurer als in Industrieländern. Das ist einer der Gründe, warum die meisten jungen Tennisspieler im Land wohlhabende Eltern haben. Die Mehrheit der Kinder hat diese Möglichkeiten nicht, dadurch geht eine Menge Talent verloren. Wir haben immer wieder vielversprechende Jugendliche, aber ins Profitennis schaffen es nur wenige. Dafür müsste es mehr Turniere in Afrika geben, bei denen man Weltranglistenpunkte sammeln kann. Die Reisekosten kann sich kaum jemand leisten.

Aber ich glaube weiter fest daran, dass wir einen Weltklassespieler hervorbringen können. Dafür arbeite ich ehrenamtlich als Sportdirektor in unserem Tennisverband. Ich wurde oft angefragt, als Trainer in anderen Ländern zu arbeiten. Ich habe immer abgelehnt, weil ich Tennis auf lokaler Ebene nach vorne bringen möchte. Eines Tages werde ich meine eigene Tennisakademie haben. Das ist mein Traum, und den gebe ich nicht auf.

Aufgezeichnet von Christian Putsch.

 

Ich weiß, wie ich mich verteidigen kann

Marlen Stefany Vásquez (13) aus San Salvador praktiziert Taekwondo in einem Programm, das die Gemeinde gemeinsam mit Unicef zur Gewaltprävention aufgelegt hat.

Durch ein Flugblatt der Gemeinde bin ich zu diesem Sport gekommen, irgendwann 2015. Darin wurden Kurse für Fußball, Rollschuhlaufen, Schach und Taekwondo angeboten. Weil ich mit meinem Vater immer Ringkämpfe gespielt und er mir Fußtritte beigebracht hatte, wollte ich Taekwondo lernen. Zu den Kursen brauchte man nur Sportklamotten und eine Flasche Wasser mitzubringen.

Ich habe ganz unten angefangen, mit dem weißen Gürtel. Inzwischen habe ich den schwarz-roten Gürtel. Mir gefallen die Dehnungsübungen, die Technik der Schläge und Fußtritte und alles, was mit Verteidigung zu tun hat. Viele glauben, Taekwondo sei gewalttätig. Aber es ist einfach nur ein Kontaktsport und wir trainieren mit Helm, Brustschutz und Bandagen an den Armen. Klar bekommt man auch Schläge ab, aber man schlägt weder ins Gesicht noch in den Unterleib. Schon im ersten Jahr habe ich an Wettkämpfen teilgenommen und meinen ersten Kampf natürlich verloren. Meine Gegnerin war viel größer als ich. Aber inzwischen habe ich schon 13 Trophäen für einen ersten Platz und elf Medaillen für zweite und dritte Plätze. Einmal wurde mir bei einem Kampf ein Zahn wackelig geschlagen. Es war Gott sei Dank noch ein Milchzahn. Es hat wehgetan und ich habe geweint, aber ich habe trotzdem weitergemacht. Man kann aus seinen Fehlern nur lernen.

Die Gegend, in der ich wohne, wird von einer Bande der Mara Salvatrucha beherrscht. Deshalb bringt mich meine Mutter zum Training und holt mich auch wieder ab. Wenn sie einmal keine Zeit hat, bringt mich meine Trainerin nach Hause. Allein wäre das zu gefährlich. Sollte mich jemals jemand überfallen, weiß ich, wie ich mich verteidigen kann. Man lernt beim Training auch, wie man sich gegen Männer wehrt, die einen angreifen. Zum Glück habe ich das bisher nicht anwenden müssen.

Aufgezeichnet von Cecibel Romero.

 

Zumba kann dich komplett ablenken

Der Kubaner Miguel Dominiguez-Rodriguez ist Zumba-Trainer in Deutschland.

In Kuba habe ich früher Leichtathletik gemacht und getanzt, inzwischen lebe ich schon fast 40 Jahre in Deutschland. Von Zumba habe ich das erste Mal 2008 im Urlaub auf den Kaiman­inseln gehört. Der Kolumbianer Beto Pérez hat Zumba erfunden: Er hat internationale Tänze wie Hip-Hop, Reggae, Salsa, Flamenco oder Bauchtanz mit Aerobic kombiniert und sich dieses Fitnesskonzept patentieren lassen. 

In Deutschland habe ich dann meinen Trainerschein gemacht. Zumba machen hauptsächlich Frauen – von jung bis alt. Die älteste Teilnehmerin in meinen Kursen war über 70. Viele Männer sehen Zumba nicht als richtigen Sport an; aber Bodybuilder oder Fitnesstrainer, die meinen Kurs besucht haben, haben nachher drei Tage über Muskelkater geklagt. Beim Zumba ist nämlich der ganze Körper in Bewegung, jeder Muskel wird trainiert. Außerdem schult es die Koordination. Zumba kann dich komplett ablenken – von Stress, von Problemen, von Schmerzen. Viele Frauen kommen, weil die Stunde Zumba ihre „Auszeit“ ist und weil es den Kopf freimacht. Ich selbst habe schon mit Migräne Kurse gegeben und während des Tanzens waren alle Schmerzen weg. 

Ich überlege mir erst während des Kurses die Schrittfolgen. Wenn ich merke, dass die Schritte zu kompliziert für die Teilnehmerinnen sind, mache ich die Choreografie sofort einfacher. Natürlich tanzen Deutsche anders als Kubaner, viele trauen sich erst nicht so recht und sind noch ein bisschen steif in der Hüfte. Aber es ist toll zu sehen, wie motiviert sie sind und wie viel Spaß sie haben. 

Der größte Zumba-Hype in Deutschland war so vor fünf Jahren. Inzwischen ist das Interesse etwas abgeflacht, aber die Kurse werden noch überall angeboten. In Lateinamerika ist Zumba übrigens gar nicht so populär. Die Menschen dort gehen sowieso immer tanzen.

Aufgezeichnet von Melanie Kräuter.

 

 

 

 

 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2021: Sport im Süden
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