Ohne Rücksicht auf Verluste

Ohne Rücksicht auf Verluste

Im argentinischen San Juan ist Goldbergbau in großem Stil geplant

Von Antje Krüger

Die Provinz San Juan im Nordwesten Argentiniens ist reich an Wasser und Gold. Im UNESCO-Biosphärenreservat San Guillermo baut ein kanadischer Konzern das Edelmetall bereits ab. Insgesamt sollen 181 Minen in der ganzen Provinz errichtet werden. Die Folgen für die Umwelt sind katastrophal. Für das Gold werden ganze Berge gesprengt. Es wird mit Hilfe von Chemikalien ausgewaschen, die das Wasser in der landwirtschaftlich geprägten Provinz verschmutzen.

„Das ist San Guillermo. Hier befindet sich die Goldmine Pascua Lama. Veladero liegt gleich nebenan“, sagt Ricardo Vargas, während sein Stift über eine Landkarte fährt. Zwei Schätze hat die Wüstenprovinz San Juan im Nordwesten Argentiniens am Fuße der 6000 Meter hohen Anden zu bieten: Wasser und Gold. Schätze, die unterschiedlichen Reichtum bringen und verschiedene Interessen bedienen.

Vargas erzählt von beiden und zeichnet: runde Kreise für Bergbauprojekte, Linien für Flussverläufe. Am Ende ist die Karte komplett bedeckt, ein Kreis am anderen, darunter das Wasser. Pascua Lama und Veladero gehören der kanadischen Barrick Gold Corporation, einem der größten Goldförderer der Welt. Sie sind die ersten von 181 Minen, die in diesem Gebiet bewilligt wurden. San Guillermo dagegen ist ein Biosphärenreservat in den Bergen. Die Mine Veladero liegt direkt in San Guillermo, Pascua Lama an der Grenze zu Chile knapp daneben.

Früher führte Ricardo Vargas Touristen in das schwer zugängliche San Guillermo. Das Reservat, in dem unter anderem vom Aussterben bedrohte Vicuñas leben, steht unter dem Schutz der UNESCO. Zu dieser Ebene auf 4500 Metern Höhe fährt Vargas nicht mehr. Er bleibt unten in der Provinz San Juan und sucht nach Lösungen für das, was dort oben geschieht, unsichtbar für die Anwohner, doch mit enormen Folgen für die ganze Region.

„San Juan ist eine landwirtschaftlich geprägte Provinz, der zweitgrößte Weinproduzent in Argentinien. Wir exportieren weltweit Trauben und Rosinen. In den vergangenen vier Jahren haben wir unsere Produktion fast verdoppelt“, sagt Juan José Ramos, der Vorsitzende der Vereinigung Unabhängiger Weinbauer in San Juan. Knapp die Hälfte der gut 700.000 Einwohner leben von der Arbeit auf dem Feld. Zahlen, die inmitten der Wüste erstaunen. Denn in San Juan gedeiht Leben einzig entlang der Flüsse. Doch dort gedeiht es üppig. „Unser Wasser aus den  Gletschern der Anden hat Mineralwasserqualität“, sagt Ramos. Er zeigt auf den Kanal am Stausee Ullum, an dessen Ufer er steht. „Das hier ermöglicht das Leben in San Juan. Über die Kanäle wird das Wasser an die Landwirte verteilt. Sie bewässern ungefähr 100.000 Hektar Land.“

Der zweite Schatz, das Gold, lag über Jahrtausende in kleinen Partikeln verstreut tief in den Anden. Es gab keine Möglichkeit, das Metall gewinnbringend abzubauen. Inzwischen ist die nötige Technologie entwickelt. Das Gold wird im Tagebau geschürft – um an das Metall zu kommen, werden ganze Berge gesprengt. Das Gestein wird mit Chemikalien gewaschen. „Die Mine Pascua Lama wird ein 483 Hektar großes Becken mit Zyankali, Sulfid und anderen Chemikalien haben“, erklärt Ricardo Vargas. „Es liegt auf fast 5000 Metern Höhe. Die Siedlungen in San Juan befinden sich auf 600 Metern. Das ganze Ökosystem funktioniert über Wasserlinien. Tinte, die oben hinein geschüttet wird, kommt hier wieder zum Vorschein. Ein Chemiesee auf 5000 Metern Höhe kann zu enormen Problemen führen.“ Zyankali und andere Chemikalien könnten ins Grundwasser gelangen, sich in den Stauseen sammeln und von dort aus in das restliche Land fließen, erläutert Vargas. Bereits jetzt würden aufgrund der Abbauarbeiten in Veladero am Fluss Jachal erhöhte Arsenwerte gemessen. Die Anwohner müssten ihr Wasser jetzt kaufen. „Außerdem hat die Wassermenge stark abgenommen, seit sie es in den Bergen für die Mine brauchen“, sagt Ricardo.

Gold kann ohne Wasser nicht abgebaut werden. Pro Tag werden alleine in Pascua Lama dafür zwölf Millionen Liter benötigt. Die Sprengung und Versetzung der Berge beschädigt aber die umliegenden Gletscher und ändert sogar die Windrichtung. Niemand kann vorhersagen, wie sich das auf die Niederschläge in den Anden auswirkt, die überlebensnotwendig für San Juan sind. Zudem ist die Provinz ein Erdbebengebiet. Risse in einem Chemikalienbecken könnten das Grundwasser auf Jahrzehnte vergiften.

Im Büro der Barrick Gold Corporation im chilenischen Ort Vallenar schiebt Carolina Informationsmaterial über den Tisch. Von Vallenar aus betreibt der Konzern die Mine Pascua Lama, während Veladero in Rodeo, San Juan, betreut wird. Die Politik der Firma ist in beiden Ländern die Gleiche. Carolina lächelt unter einem gigantischen Poster. Darauf bückt sich eine Frau zu einem munteren Bach. „Barrick Gold Corporation – verantwortungsvoller Bergbau“ verkünden große Buchstaben. „Alleine für den Aufbau von Pascua Lama schaffen wir 5500 Arbeitsplätze. Wir bauen Straßen und helfen den Kommunen mit Computern, Krankenwagen oder Weiterbildungen“, erklärt Carolina. „Und wir arbeiten eng mit den chilenischen und argentinischen Umweltbehörden zusammen.”

Das Unternehmen hat für beide Minen Umweltberichte eingereicht. In den mehr als tausend Seiten starken Ausführungen ist all das aufgezählt, worauf Ricardo Vargas sein Wissen stützt. „In ihren Umweltberichten lügt die Barrick Gold nicht. Die wissen genau, was sie dort oben tun. Auch unsere Regierung weiß es und stimmt trotzdem zu. Die Barrick hat damit saubere Hände und die Verantwortung abgegeben. Und dann heisst es, alles sei unter Kontrolle”, sagt Vargas. Aber nachprüfen könne das niemand.

 „Die Barrick sagt, wenn die Mine nach zwanzig Jahren geschlossen wird, soll hier alles wieder so hergerichtet werden, wie es war”, berichtet einer der wenigen Einwohner von San Juan, die in Veladero arbeiten. Seinen Namen möchte er nicht nennen. Mit der Arbeit kann er seinen fünf Kindern eine gute Ausbildung zukommen lassen. Die Wege der Maschinen, die er fährt, werden über Funk aus Kanada gesteuert. Die Minenarbeiter haben ein Hotel mit Internet und Fernsehen auf über 4500 Metern Höhe, Krankenhaus und Turnhalle. Sie sind zwei Wochen oben, arbeiten täglich zwölf Stunden, haben dann zwei Wochen frei. Der Arbeiter bezweifelt, dass der Konzern die Verschmutzung unter Kontrolle hat. „Wir tragen mehr als 1000 Meter des Berges ab. Das setzt Arsen frei. Und ich sehe doch, wie der Staub von den Sprengungen sich auf die Gletscher legt. Die schmelzen schneller und das geht ins Grundwasser. Wie soll man das denn wieder rückgängig machen?”

Die Regierung von San Juan genehmige die Bergbauprojekte mit Verweis auf die Arbeitsplätze, die dadurch geschaffen würden, sagt der Weinbauer Juan José Ramos. „Aber der gesamte Weinbau bringt 300.000 Arbeitsplätze, der Metallbergbau nur 5000.” Viele Jobs würden noch nicht einmal an Einheimische vergeben, da sie nicht die notwendige Ausbildung haben. Der Konzern mache ohne Zweifel große Gewinne, doch: „Die Provinz profitiert davon nicht.”  In den Nachbarprovinzen Mendoza und La Rioja, die ebenfalls stark landwirtschaftlich geprägt sind, wurde diese Art Berbau deshalb verboten.

„In den Regionen, in denen die Projekte gestoppt wurden, haben die Leute den Berg vor Augen, um den es geht. Deshalb lehnen sie seine Zerstörung ab”, sagt Ricardo Vargas. „Doch kaum jemand aus San Juan war schon einmal im San Guillermo-Reservat. Es ist so, als würde man für die Rettung der Pinguine kämpfen.” Und er fügt hinzu: „Alle Beteiligten sollten sich an einen Tisch setzen und sich überlegen, wie  die Provinz sich entwickeln soll. Bergbau, Tourismus, Landwirtschaft, Viehzucht?” Aber dieser Schritt sei nie gemacht worden, sagt Ricardo ein wenig resigniert und packt Karte und Stifte zusammen.

Antje Krüger ist freie Journalistin mit Schwerpunkt Südamerika in Berlin.

welt-sichten 8-2008

 

erschienen in Ausgabe 8 / 2008: Die Macht der Religionen
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