Stoppt die Eskalation im Ostkongo!

Afrika der großen Seen
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo droht sich ein regionaler Krieg zu entzünden. Europa darf nicht länger wegschauen und sollte als erstes Ruanda unter Druck setzen, die Rebellengruppe M23 zurückzupfeifen.

Bernd Ludermann ist Chefredakteur von „welt-sichten“.

Im Osten der DR Kongo marschieren die Rebellen der M32 auf Goma zu. Mindestens 135.000 Menschen sind bis Ende Februar vor ihnen in die Stadt an der Grenze zu Ruanda geflohen, in der schon vorher eine halbe Million Geflüchtete lebten. Diese neue Eskalation wird angetrieben von Konflikten zwischen den Regierungen Ruandas einerseits und des Kongo, Burundis und Südafrikas andererseits – es droht ein regionaler Krieg. Der dringendste Schritt, ihn zu vermeiden, ist starker Druck auf Ruanda.

Natürlich haben die Kämpfe im Ostkongo, die im Grunde seit 1998 nie aufgehört haben, wichtige Ursachen im Kongo selbst. Dessen Sicherheitskräfte sind schwach, korrupt und rücksichtslos; auch von der Justiz können Ostkongolesen weder Schutz erwarten noch Hilfe in Konflikten zwischen ihren Gemeinschaften, etwa um Landrechte. So haben viele Selbstschutzmilizen gebildet, die sich verselbstständigt haben und zum Teil von Schmuggel oder Schutzgeldern leben.

Ein internationalisierter Bürgerkrieg 

Doch schon immer haben andere Staaten, besonders Ruanda und Uganda, in den Kämpfen mitgemischt – vor allem weil die ein Sicherheitsrisiko für sie sind, denn Rebellengruppen aus dem eigenen Land operieren im Ostkongo. Im Fall Ruandas ist das eine Nachwirkung des Genozids an den Tutsi 1994: Ein Teil der Täter floh in den Kongo und bildete dort eine Miliz, die Ruanda bis heute als Bedrohung ansieht. Zudem sieht sich Ruandas Staatschef Paul Kagame als Beschützer der Minderheit der Tutsi im Ostkongo; vor allem die haben die M23 mit Hilfe Ruandas aufgebaut. Andererseits sucht die Regierung des Kongo selbst ausländische Truppen einzuspannen, wenn die eigene Armee versagt. So mussten die UN-Friedenstruppen helfen, die M23 zurückzudrängen, als die 2012 Goma erobert hatte.

Dass diese Konfliktmuster nun einen neuen regionalen Krieg auslösen können, liegt an einer neuen Bündniskonstellation. Nach seinem Amtsantritt 2019 suchte Kongos Präsident Félix Tshisekedi zunächst die Verständigung mit Ruanda, wandte sich dann aber 2021 Ruandas regionalem Rivalen Uganda zu. Daraufhin belebte Ruanda die M23 neu, was die Gewalt im Ostkongo anheizte und Tshisekedis Macht dort weiter untergrub. Der setzt nun auf militärische Hilfe der Südafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft SADC und aus Burundi. Doch Südafrika, die Führungsmacht der SADC, und Burundi haben beide ein äußerst angespanntes Verhältnis zu Ruanda. So fürchtet Kagame offenbar um seinen Einfluss im Ostkongo und unterstützt die M23 mit Soldaten und schweren Waffen.

Widersprüchliche Signale aus Europa

Diese Eskalation muss dringend gestoppt werden. Kurzfristig sollten Europa und die USA, statt weiter wegzuschauen, Kagame unter Druck setzen, die M23 zurückzupfeifen. Das hat 2013 funktioniert, und Hebel dafür gibt es: Etwa ein Drittel von Ruandas Staatshaushalt stammt aus Entwicklungshilfe; zudem zahlt die EU Millionen an Ruandas Armee für ihren Einsatz gegen Islamisten in Mosambik. Darüber hinaus sollten die USA und Europa prüfen, keine illegal aus dem Kongo geholten Mineralien mehr zu kaufen – weder aus Ruanda noch aus Uganda oder Burundi. Die Rohstoffe sind zwar nicht der Grund für den Krieg, aber sie finanzieren die Armeen der Nachbarländer mit und verlängern die Kämpfe. Und die westlichen Geber sollten die Versuche des zurzeit der glaubwürdigsten Vermittlers Angola unterstützen, Kagame und Tshisekedi an einen Tisch zu holen.

Stattdessen senden sie widersprüchliche Signale. Zwar rufen sie Ruanda auf, dessen Truppen aus dem Kongo abzuziehen. Die USA haben immerhin ihre Militärhilfe für Kigali Ende 2023 ausgesetzt, aber nicht die Entwicklungshilfe. London umschmeichelt Kagame wegen eines umstrittenen Handels über die Deportation von Flüchtlingen nach Ruanda. Und die EU visiert ein Abkommen über vermehrte Rohstoffimporte aus Ruanda an. All das signalisiert Kagame, dass er Friedensmahnungen aus dem Norden nicht ernst nehmen muss.

Um die Gefahr eines regionalen Krieges zu bannen, reicht Druck auf Ruanda allein allerdings nicht. Mittelfristig muss die Regierung des Kongo dafür sorgen, dass von ihrem Gebiet keine Rebellen die Nachbarländer angreifen. Uganda und Ruanda sollten das erleichtern, indem sie aufhören, friedliche Oppositionelle zu Haus zu unterdrücken und so Rebellionen zu begünstigen. Und Frieden im Ostkongo selbst wird erst einkehren, wenn der kongolesische Staat die Bevölkerung, einschließlich der Tutsi-Minderheit, wirksam vor organisierter Gewalt schützt. Das alles ist leider nicht absehbar. Jetzt die Ausweitung des Kriegs zu verhindern, ist aber für all das ein nötiger erster Schritt. 
 

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erschienen in Ausgabe 2 / 2024: Von Fahrrad bis Containerschiff
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