Bauern als Opfer oder Gewinner?

Experten debattieren über Folgen der Landreform in Simbabwe
Experten debattieren über Folgen der Landreform in Simbabwe

(29.4.2013)  Simbabwes umstrittene Landreform ist erneut in der Diskussion. Experten streiten, ob die sogenannte Fast Track Reform tatsächlich zum Niedergang der Agrarproduktion geführt hat. Der britische Sozialwissenschaftler Joseph Hanlon hatte in „welt-sichten“ für eine völlig neue Lesart plädiert: Ursprünglich hätten Veteranen des Unabhängigkeitskrieges im Jahr 2000 rund 4000 weiße Farmer vertrieben, um damit gegen Robert Mugabe und seine raffgierige politische Elite zu protestieren. Mugabe habe die Farmbesetzungen erst im Nachhinein als seine Reform ausgegeben und damit legalisiert. „Die 170.000 Bauern der Landreform haben das Chaos von Inflation nicht nur überlebt“, erklärte Hanlon, „sondern sind sogar aufgeblüht“.

Der Ökonom Tony Hawkins erwidert in der Mai-Ausgabe von „welt-sichten“, Hanlon singe ein absurdes Loblied auf die Landreform. Er übersehe, dass heute „dieselben Leute aus der Politik, der Wirtschaft, der Regierung und den Sicherheitskräften dieselbe Sprache wie damals benutzen, um die Enteignung von Bergwerken und Unternehmen zu rechtfertigen“. Korruption, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie und Menschenrechte spielten bei Hanlon für den Entwicklungsprozess offenbar keine Rolle, schreibt Hawkins. Und er ignoriere „die 60 Prozent der Simbabwer, die in Armut leben, sowie die mindestens 50 Prozent Arbeitslosen. (osk)

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Liebe Redaktion,

herzlichen Dank für diesen Artikel. Er bestätigt gut aufbereitet das, was ich während einer Reise nach Zimbabwe im letzten Jahr auch flüchtig wahrgenommen habe.
Wenn ich mich richtig entsinne, geht die "Radikalisierung" von Mugabe mit allen ihren schlimmen Begleiterscheinungen auch darauf zurück, dass ihm GB bei den ersten Schritte in Richtung Landreform massiv Steine in den Weg gelegt hat. Das wird heute in der Berichterstattung weitgehend ausgeblendet.
Mehr Gerechtigkeit und langfristige politische und soziale Stabilität wird es im südlichen Afrika nur geben, wenn die kolonial bedingte Ungleichheit drastisch beseitig wird. Und das wird auch noch in Südafrika zu Lasten großer weißer Farmer gehen müssen. Der Westen tut sich keine Gefallen, wenn er sich unter Pochen auf Eigentumsrechts zum Verbündeten dieser Farmer macht und ihre Verhandlungsposition stärkt. Umverteilung tut in diesem Fall weh, ist aber unabdingbar nötig, um historische Ungerechtigkeiten zu beseitigen. Das Ganze sollte friedlicher und transparenter als in Zimbabwe erfolgen, aber ohne massiven Druck wird es nicht gehen.

Grüße

Roger Peltzer

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Es war zu erwarten, dass eine Debatte über Zimbabwes Landreform kontrovers geführt wird. Das ist gut. Es hilft, hinter die verkrustete Fassade unseres westlichen, gut gefütterten Bildes der Landreform in Simbabe zu blicken.

Hawkins versucht in seinem Artikel ein Bild zu vermitteln, in der das Agrarmodell vor der Fast Track Land Reform 2000 die nationale Ernährung besser gesichert hätte. Laut FAO ist trotz des Bevölkerungswachtums die Zahl der Hungernden in Simbabwe von 2000 bis 2011 jedoch von 5 auf 4 Millionen Menschen gesunken. Man bedenke: all dies ohne einen Cent Entwicklungshilfe. Daher ist es wichtig über den Tellerrand von Produktionsmengen, wie Hawkins es tut, zu blicken.

Typisch für jeden Transformationsprozess ist, dass einige Sektoren verlieren und andere
gewinnen. So darf es nicht verwundern, dass der Exportsektor (Rindfleisch, Kaffee, Tee,
Weizen) nach 2000 stark geschrumpft ist. Auf der anderen Seite boomte jedoch der Anbau von Grundnahrungsmitteln für den nationalen Verbrauch. Die Hirseproduktion ist um 163 Prozent gestiegen, der Bohnenanbau hat sich mit 283 Prozent fast verdreifacht. Ein möglicher Grund für den Rückgang der Hungerzahlen der FAO.

Hanebüchen ist zudem Hawkins Vergleich mit China. Das gleich auf zweierlei Weise. Zum einen ignoriert er die dortige „Institutionen-Ökonomik“. Genau dies wirft er ja seinem Gegenüber Hanlon für Simbabwe vor. Zum anderen sollte er als Ökonom am besten wissen, dass man Simbabwes Agrarwirtschaft vor 2000 eher mit der Sambias oder Namibias vergleichen sollte. Die dort dominierende Agrarexportpolitik bzw. Nicht-Umsetzung einer umfassenden Agrarreform geht laut FAO einher mit einem starken Anstieg des Hungers (Sambia 131 Prozent mehr Hungernde, Nambia 43 Prozent mehr Hungernde).

Auch wenn die FAO-Zahlen mit Vorsicht zu genießen sind, sind sie gewichtige Indikatoren, die uns daran erinnern, umverteilende Agrarreformen wieder ins Zentrum der entwicklungspolitischen Debatten zu rücken.

Beste Grüße,
Roman Herre

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