PR-Offensive für verfolgte Brüder und Schwestern

Deutsche Bischofskonferenz: Alle drei Minuten wird ein Christ umgebracht
Deutsche Bischofskonferenz: Alle drei Minuten wird ein Christ umgebracht

(17.6.2013) Mit dem Thema Christenverfolgung lassen sich Schlagzeilen machen. Das wissen Politiker und Kirchenleute gleichermaßen. Oft heißt es, weltweit seien 100 Millionen Christen verfolgt und die Menschheit erlebe derzeit die größte Christenverfolgung überhaupt. Doch solche Zahlen sind oft wenig belastbar.

Das Thema Christenverfolgung boomt in den Medien. Das hat einen realen Hintergrund: Der internationale Islamismus ist gewaltbereiter geworden und fordert nicht nur unter Christen mehr Opfer. Spätestens seit den Anschlägen auf das World Trade Center im September 2001 ist die Weltöffentlichkeit für den religiös gefärbten Terrorismus sensibilisiert. Christliche Hilfswerke haben darauf mit Medienoffensiven reagiert und die Christenverfolgung auf die Tagesordnung gesetzt. Die überkonfessionelle Organisation Open Doors und das internationale katholische Hilfswerk Kirche in Not haben zum Beispiel in den letzten Jahren stark in die Öffentlichkeitsarbeit investiert. Open Doors Deutschland hat kürzlich erst drei Vollzeitstellen in der PR-Abteilung ausgeschrieben, die sich ausschließlich um die Aufbereitung des Themas für Internet, Print und Fernsehen kümmern sollen.

Die Medienarbeit der Hilfswerke zeigt Erfolge. Die Tageszeitung „Die Welt“ hat auf ihrer Internetseite mittlerweile ein ganzes Dossier zur Christenverfolgung angelegt. Der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Volker Kauder gehört seit einigen Jahren zu den eifrigsten Anwälten der verfolgten Brüder und Schwestern in aller Welt und wird gerne als solcher von den Medien angefragt. Er hat zahlreiche Interviews gegeben und mittlerweile auch ein Buch dazu herausgegeben.

Woher die Zahl stammt, weiß die Bischofskonferenz nicht

Christenverfolgung ist aber auch ein beliebtes Thema für Predigten, ganz besonders an hohen Feiertagen. Am Ostermontag sprach Erzbischof Robert Zollitsch, der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), wieder einmal von der größten Christenverfolgung aller Zeiten. Alle drei Minuten werde weltweit ein Christ wegen seines Glaubens umgebracht. Woher er diese Zahl hat, konnte die Pressestelle der DBK allerdings auch nach mehreren Tagen nicht herausfinden. „Leider kann der Herr Erzbischof auf die Schnelle nicht die Quelle verifizieren“, heißt es knapp in einer Email.

In den Hilfswerken, die auf das Thema spezialisiert sind, kann ebenfalls niemand sagen, woher diese Zahl stammen könnte. Anders bei den 100 Millionen, die gerne von Politikern, Kirchen- und Medienleuten zitiert werden: Diese Angabe stammt von Open Doors, wo man auf Anfrage allerdings gerne bereit ist, die 100 Millionen als eine „Zirka-Angabe“ zu relativieren. „Natürlich hat da niemand genau nachgezählt“, sagt Daniel Ottenberg von Open Doors. Weil Journalisten und Politiker aber immer wieder nach Zahlen gefragt hätten, habe das Hilfswerk die Angaben von Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen in mehr als 50 Ländern mit UN-Berichten und Erhebungen anderer Organisationen abgeglichen. So sei man auf etwa 100 Millionen gekommen.

Das 20. Jahrhundert war für die Christen wesentlich schlimmer

Dass die Zahl so hoch ist, hängt damit zusammen, dass Open Doors den Begriff Verfolgung sehr weit fasst. Für das christliche Hilfswerk fängt sie schon bei der Diskriminierung und dem Schikanieren an. Das sieht Berthold Pelster von Kirche in Not anders. „Verfolgt sind Menschen, die um ihr Leben fürchten müssen, wie zum Beispiel die Christen während des Irak-Kriegs oder Menschen, die vom Islam zum Christentum konvertiert sind.“ Pelster kann auch nicht bestätigen, dass die Christenverfolgung derzeit die größte in der Geschichte des Christentums sei. „Das 20. Jahrhundert mit seinen Ideologien war wesentlich schlimmer“, meint er. Man müsse nur einmal an die Sowjetunion denken, in der die orthodoxe Kirche fast ganz ausgelöscht wurde. Oder an die Kulturrevolution unter Mao Zedong in China.

Die Fokussierung auf Christen lässt leicht vergessen, dass auch andere religiöse Minderheiten wie zum Beispiel die Ahmadis in Pakistan oder die Bahai‘ im Iran wegen ihres Glaubens verfolgt werden. „Religionsfreiheit ist ein universelles Menschenrecht, und in unseren Vorträgen weisen wir auch immer wieder auf andere verfolgte Minderheiten hin“, sagt Pelster. „Wir sind allerdings ein kirchliches Hilfswerk und keine Menschenrechtsorganisation.“ Das Thema Religionsfreiheit müsse von mehreren Seiten gleichzeitig angegangen werden. „Die Zusammenarbeit zwischen Hilfswerken, Menschenrechtsorganisationen, Politikern und Medien ist da erfreulicherweise in Gang gekommen“, fügt Pelster hinzu. (Katja Dorothea Buck)

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