Der Schönredner

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller 100 Tage im Amt
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller 100 Tage im Amt

(25.03.2014) Große Worte, viele Versprechen: Der neue Entwicklungsminister kommt gut an bei der Zivilgesellschaft. Doch inhaltlich hat Gerd Müller bislang kaum Konkretes geboten, schreibt "welt-sichten"-Redakteur Tillmann Elliesen. Hinzu kommt eine unerfreuliche Arbeitsteilung in der deutschen Außenpolitik: Während der Entwicklungsminister schöne Reden schwingt, schafft die Verteidigungsministerin Fakten.

„Mut ist, zu geben, wenn alle nehmen.“ Es dürfte schon eine ganze Weile her sein, dass ein Entwicklungsminister zu Beginn seiner Bundestagsrede eine nichtstaatliche Hilfsorganisation zitiert – wenn es überhaupt schon einmal vorgekommen ist. Gerd Müller hat es getan und seiner Rede zur Afrikapolitik Ende März das Motto der diesjährigen Fastenaktion des katholischen Hilfswerks Misereor vorangestellt. Das kann man als starkes Zeichen deuten: Der CSU-Mann streckt die Hand aus zur entwicklungspolitischen Zivilgesellschaft in Deutschland, insbesondere zu den Kirchen. Das dürfte Balsam sein für die Seele der nichtstaatlichen Entwicklungsszene, die es schwer hatte in den vier Jahren unter Müllers Vorgänger Dirk Niebel: Der FDP-Mann hatte für die von ihm so genannten „Schlabberpulli“-Helfer vor allem Spott übrig.

Die neuerdings wieder gestreichelte Zivilgesellschaft dankt es Gerd Müller, indem sie ihm für seine bisherigen Auftritte und Äußerungen viel Lob zollte. Allerdings muss sie nun aufpassen, dass sie sich vom neuen Minister und dessen Annäherungsversuchen nicht einlullen lässt: Das Misereor-Motto zielt aufs Herz, leuchtet sofort ein, spitzt zu und vereinfacht die Dinge – genau richtig für eine Fastenaktion. Aber auch für ein politisches Programm?

Auch das neue Afrikakonzept ist vage und beliebig

Gerd Müller liebt die großen Worte. Für ihn geht es in der Entwicklungspolitik um die „Überlebensfragen der Menschheit“; er nennt es einen Skandal, dass eine Milliarde Menschen hungern, während die reichen Länder mit Übergewicht kämpfen; sein Ministerium sei zuständig für Antworten auf die globalen Probleme; Afrika sei ein Chancenkontinent und müsse endlich so wahrgenommen werden. Das ist alles irgendwie richtig – aber auch nichtssagend und beliebig.

Müller kündigt viel an, aber bislang steckt nicht viel dahinter. Im neuen Afrikakonzept seines Hauses werden „10 Grüne Zentren für nachhaltige landwirtschaftliche Wertschöpfung“ und „10 Berufsbildungszentren für ländliche Entwicklung“ versprochen, mit denen die Chancen afrikanischer Bauern verbessert werden sollen. Seit Wochen präsentiert Müller diese Idee bei jeder sich bietenden Gelegenheit. Allerdings weiß in seinem Ministerium offenbar niemand, was man sich darunter eigentlich vorstellen soll und wie und wo solche Zentren funktionieren sollen. Zumindest kann die Pressestelle keine Auskunft auf diese Frage geben.

100 Tage ist die Große Koalition nun im Amt, und in der Außenpolitik zeichnet sich eine unerfreuliche Arbeitsteilung ab: Der Entwicklungsminister schwärmt von einer besseren Welt, appelliert an die Moral und das Gewissen und verspricht den Armen Wohltaten aus deutscher Entwicklungshilfe. Unterdessen schafft die Verteidigungsministerin mit Rückendeckung des Bundespräsidenten Fakten und übernimmt im Namen Deutschlands „mehr Verantwortung“ in der Welt – die sich für sie vor allem in der Zahl entsandter Bundeswehrsoldaten bemisst.

„Die Entwicklungszusammenarbeit kommt nie zuletzt, sie kommt immer zuerst“, hält Müller dem entgegen. Auch das ist schön formuliert, klingt aber ebenfalls nur wie ein frommer Wunsch. (ell)

Länder

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