Eine Zukunft ohne Fleischesser?

Wie kann im Zeitalter der Globalisierung eine Welt aussehen, die auf Fleischkonsum verzichtet und dennoch eine wachsende, hungrige Menschheit ernähren kann? Pflanzlich und unterstützt von Biotechnologie, meint Marc Pierschel in seinem facettenreichen Dokumentarfilm „The End of Meat“.

Mit seinem filmischen Problemaufriss hat der 1978 in Hildesheim geborene Filmemacher offensichtlich einen Nerv getroffen. Denn es gelang ihm, das Projekt zu 80 Prozent über Crowdfunding zu finanzieren. Pierschel knüpft dabei an seinen Vorgängerfilm „Live and Let Live“ an, der 2013 die Geschichte der veganen Bewegung schilderte und den er zu 50 Prozent über Crowdfunding finanziert hatte.

„The End of Meat“ geht davon aus, dass nach BSE-Skandal, Gammelfleischaffären und Enthüllungen über Missstände in der Massentierhaltung das Interesse vieler Menschen im Westen an fleischfreier Ernährung gewachsen ist. Während vegane Supermärkte und Kochbücher rapide erfolgreicher werden, beginnen selbst große Fleischkonzerne, Veggie-Wurst herzustellen. Berlin beherbergt mit „Veganz“ die erste vegane Supermarktkette der Welt und gilt als vegane Hauptstadt Europas.

Auf seinen Recherchereisen führt uns Pierschel in Labore, Hochschulen, Unternehmen, Farmen, Schlachthöfe und Gnadenhöfe für ehemalige Nutztiere von New York bis Indien und von London bis Maastricht und erläutert aus dem Off, was zu sehen ist. Auch befragt er Wissenschaftler, Philosophen, Künstler, Start-up-Unternehmer und Aktivisten, die mit vielen Vorschlägen etwa für gesündere Ernährungsweisen auf pflanzlicher Basis aufwarten.

Die Fleischproduktion verbraucht laut Regisseur, global schon jetzt ein Drittel des Trinkwassers, belegt 45 Prozent der irdischen Landfläche, ist für 15 Prozent der Treibhausgasemissionen verantwortlich und ist die größte Bedrohung der Artenvielfalt. Dennoch ermittelte die staatliche britische Denkfabrik Chatham House bei einer Umfrage, dass nur ein Drittel der Befragten die Tierhaltung als wichtigen Faktor der Klimaveränderung nennen.

Einen hoffnungvollen Weg weist Marco Springmann vom Oxford Martin Programme on the Future of Food an der Universität Oxford. Eine von ihm mitverantwortete Studie ergab: Wenn sich die Weltbevölkerung bis 2050 vegetarisch oder vegan ernähren würde, könnte das die Emission von Treibhausgasen um bis zu zwei Drittel senken, Millionen Menschenleben vor schweren Erkrankungen retten und die Kosten für Klimaschäden und Krankenbehandlungen um bis zu 1,5 Billionen US-Dollar senken. Ein Beispiel aus Indien zeigt, dass das durchaus machbar ist. In dem Land essen ohnehin schon 400 Millionen Bürger kein Fleisch – 32 Prozent der Bevölkerung.

Darüber hinaus zeigt der Filmautor anhand mehrerer Beispiele auf, wie weit die Biotechnologie bereits in ihren Bemühungen vorangeschritten ist, Fleischfasern, Milch und Käse herzustellen, ohne Tiere zu nutzen oder zu töten. So hat Mark Post von der Universität Maastricht 2013 das erste künstlich erzeugte – und noch enorm teure – Fleisch in Form des ersten Rindfleischburgers aus dem Labor vorgestellt. Noch wichtiger für die Ernährung der Menschheit sind die Experimente zur „post-tierischen Bioökonomie“: Etwa wenn eine Firma aus Oakland/USA Käse aus Hefe-Proteinen erzeugt oder die Universität Oregon eine leicht zu züchtende Alge entdeckt hat, „die gesünder als Grünkohl ist und frittiert wie Speck schmeckt“. Mit aktuellen Beispielen wie diesen gibt der sehenswerte und solide recherchierte Film jenseits der kritischen Bestandsaufnahme auch konstruktive Denkanstöße für die Diskussion über diesen komplexen Sachverhalt.

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