Alles über die Philippinen

Niklas Reese, Rainer Werning (Hg.)
Handbuch Philippinen. 
Gesellschaft. Politik. Wirtschaft. Kultur
Horlemann Verlag, Berlin 2012,
495 Seiten, Euro 19,90

Die Philippinen liegen weit weg und jenseits spezialisierter Zirkel sind in westlichen Breiten die Kenntnisse über den aus 7107 Inseln bestehenden Archipel bescheiden. Deswegen erfahren wir zwar alle Details, wenn Hurrikan Sandy in den USA wütet, werden aber nur via Kurzmeldung informiert, wenn Taifune wie Pepeng und Ondoy im Herbst 2009 binnen weniger Tage tausend Menschenleben auf den Philippinen fordern.

Dieses Ungleichgewicht in der Bewertung der Nachrichten wird das zum Standardwerk geadelte Handbuch schwerlich beeinflussen können. Doch jenen, die sich für den fernen Inselstaat interessieren, beantwortet es fast alle Fragen, aufbereitet in handlichen Häppchen und immer wieder gewürzt mit der notwendigen Prise Humor und Selbstironie. Denn es dozieren nicht nur deutsche Experten über ihren Forschungsgegenstand, sondern es kommen auch Filipinas und Filipinos zu Wort.

Die Neuauflage wurde gegenüber den ersten drei Auflagen um 120 Seiten erweitert und berücksichtigt nicht nur jüngere politische Ereignisse, sondern bringt neue Kapitel ein: etwa über das Versenden von SMS, bei dem die Filipinos den Weltmeistertitel beanspruchen können, die Brutalität in den Machtkämpfen der politischen Clans und die „ lebende Boxlegende“ Manny Paquiao. Der mehrfache Champion im Bantamgewicht, einst einer der bestverdienenden Sportler der Welt, setzt sich heute im  Provinzparlament seiner Heimat gegen den illegalen Bergbau ein. 2013 will er Gouverneur werden, eine Präsidentschaftskandidatur scheint nicht ausgeschlossen.

Ernüchternd fällt die Einschätzung der bisherigen Amtszeit von Benigno „Noynoy“ Aquino aus, der 2010 begleitet von großen Hoffnungen ins Amt kam. Die unter seiner Vorgängerin Gloria Macapagal Arroyo grassierende Korruption konnte er bisher nur  teilweise bremsen.Immerhin beendete seine Regierung im Oktober 2012 den 40-jährigen Konflikt mit der bewaffneten Moro Islamic Liberation Front und versprach der muslimischen Minderheit eine autonome Provinz auf der Insel Mindanao. Darüber kann man im Philippinen-Handbuch zwar nichts lesen, denn es kam wenige Wochen zuvor auf den Markt. Doch wer den Konflikt verstehen will, ist mit den Erläuterungen von Rainer Werning gut beraten.

Noch vor hundert Jahren war der Süden der Philippinen fast vollständig von Muslimen bewohnt, die sich erfolgreich gegen die spanische Kolonialverwaltung zu Wehr setzten. Erst dem Kolonialregime der USA (ab 1898) gelang es, dank einer aggressiven Siedlungspolitik und einer straffen militärischen Verwaltung den Einfluss der Moros zurückzudrängen und die reichen Ressourcen des Südens für die Zentralregierung zu erschließen. Die internationalen Bergbau- und Agrarkonzerne übernahmen das Kommando bei der Ausbeutung der Naturschätze. Nach Jahrzehnten der brutalen Unterdrückung erhoben die muslimischen Rebellen die Forderung nach einer unabhängigen Republik, die der damalige Diktator Ferdinand Marcos 1972 mit dem Verhängen des Kriegsrechts beantwortete. Der Konflikt eskalierte zum offenen Krieg, der geschätzte 150.000 Menschenleben forderte und materielle Schäden von weit mehr als einer Milliarde Euro verursachte. (Ralf Leonhard)

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