Hilfe mit Nebenwirkungen

Die International Finance Corporation (IFC), der privatwirtschaftliche Arm der Weltbank, fördert Privatinvestitionen in Entwicklungsländern. Die Unternehmen müssen darauf achten, möglichst wenig Schaden für Mensch und Umwelt anzurichten. Aber ein neues Geschäftsmodell der IFC macht die Kontrolle zunehmend schwierig.

Im vergangenen Jahr machte die IFC Zusagen in Höhe von fast 18 Milliarden US-Dollar. Den größten Teil erhielten Banken und andere Finanzdienstleister, gefolgt von Infrastrukturprojekten und der verarbeitenden Industrie. Zivilgesellschaftliche Organisationen wie „urgewald“ in Sassenberg kritisieren vor allem Großprojekte wie Ölpipelines, Bergbauvorhaben oder Plantagen für Agrartreibstoffe. Für sie müssen manchmal Menschen umgesiedelt werden, oder sie wirken sich auf andere Weise schädlich auf die Lebensbedingungen und die Umwelt vor Ort aus. Kritiker monieren, dass die Sozial- und Umweltstandards der IFC in der Praxis häufig nicht eingehalten werden.

Autor

Tillmann Elliesen

ist Redakteur bei "welt-sichten".

Zu diesem Ergebnis ist im Mai 2010 auch der unabhängige IFC-Ombudsmann (Compliance Advisor Ombudsman, CAO) gekommen. Hintergrund: Die IFC hatte 2006 ihre Projektstandards komplett überarbeitet. Nach drei Jahren prüfte sie, ob die neuen Standards ausreichen und in welchen Bereichen nachgebessert werden muss. In seinem Gutachten, das die Prüfung der IFC ergänzt, stellt der Ombudsmann mehrere Mängel fest: Die geförderten Unternehmen informierten beispielsweise häufig nur unzureichend über ihre Schutzmaßnahmen. Die IFC-Standards machten zudem nicht klar, in welchen Fällen ein Investor sich um Akzeptanz in der Bevölkerung für ein Vorhaben bemühen muss. Die IFC unterstütze die Unternehmen zu wenig darin, die für die Einhaltung der Sozial- und Umweltstandards erforderlichen Fähigkeiten aufzubauen.

Seit Mitte 2009 überarbeitet die IFC ihre Standards erneut, um die Mängel abzustellen. In den vergangenen anderthalb Jahren hat sie eine Vielzahl von Diskussionsrunden in aller Welt mit Interessierten aus Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft veranstaltet. Die Ergebnisse und ihre Schlussfolgerungen daraus fasst sie in öffentlich zugänglichen Berichten zusammen. Im Laufe dieses Jahres sollen die neuen Standards in Kraft treten. Das Entwicklungsministerium (BMZ) lobt die Offenheit und Gründlichkeit des Verfahrens. Auch bei „urgewald“ sieht man Fortschritte – etwa dass die IFC bei bestimmten Großprojekten das Prinzip der „freien, vorherigen und informierten Zustimmung“ der Bevölkerung in die Standards aufnehmen will.

Zugleich bleibt Skepsis: „Die Frage ist, wie viel davon am Ende verwirklicht wird“, sagt „urgewald“-Mitarbeiter Knud Vöcking. In einem wichtigen Punkt sieht auch das BMZ noch Verbesserungsbedarf. Er betrifft die Praxis der IFC, zunehmend in Banken, Investmentfonds oder Beteiligungsgesellschaften zu investieren. Beim klassischen Geschäft beteiligt sich die Weltbank-Tochter direkt an Projekten. Seit einigen Jahren jedoch fließt der größte Teil ihrer Mittel in Finanzinstitute, die dann in Entwicklungsländern privatwirtschaftliche Investitionen fördern. Im vergangenen Jahr hatten Finanzdienstleister einen Anteil von knapp 40 Prozent am IFC-Portfolio, vor zehn Jahren waren es weniger als 30 Prozent. Bei der IFC heißt es, über Finanzinstitutionen erreiche man Unternehmen in Entwicklungsländern, zu denen man keinen direkten Zugang habe, beispielsweise kleine und mittelgroße Betriebe, die für die wirtschaftliche Entwicklung besonders wichtig seien.

Projekte von Banken und Fonds sind schwer zu kontrollieren

Der Haken daran ist, dass die IFC weniger gut kontrollieren kann, was mit ihrem Geld geschieht – und ob ihre Sozial- und Umweltstandards eingehalten werden. Zwar müssen auch Finanzdienstleister darauf achten, dass ihre Vorhaben umwelt- und sozialverträglich sind. Aber die IFC habe bislang nur unzureichend geprüft, ob sie das auch tun, heißt es im Bericht des Ombudsmanns: Die zuständigen Mitarbeiter in Washington seien damit überfordert oder nicht sonderlich daran interessiert.

Die IFC hat deshalb nach eigenen Angaben ihr Personal für diese Aufgaben aufgestockt und weiterqualifiziert. IFC-Pressesprecher Aaron Rosenberg räumt aber ein, dass es gegenüber Finanzdienstleistern schwieriger ist, Sozial- und Umweltstandards durchzusetzen, weil die IFC in diesen Fällen nur ein Anteilseigner unter vielen ist. Die IFC habe aber das Recht, alle Vorhaben aus dem Portfolio eines Finanzdienstleisters, die sich gravierend auf Mensch und Umwelt auswirken könnten, gesondert zu inspizieren. Um das zu erleichtern, will die Weltbank-Tochter ihre Investitionen in Banken, Fonds und Beteiligungsgesellschaften künftig nach der Schwere der zu erwartenden Auswirkungen kategorisieren – so wie sie das bereits seit langem mit den von ihr direkt geförderten Vorhaben tut. Für Projekte mit voraussichtlich schweren Auswirkungen gelten strengere Prüfmaßstäbe als für andere.

Derzeit fallen knapp 3 Prozent der direkt geförderten Vorhaben in die kritischste Kategorie. Nach der Verschärfung der Umwelt- und Sozialstandards könnte sich der Anteil auf 5 bis 7 Prozent verdoppeln, schätzt die IFC. Bei den Investitionen in Finanzdienstleister rechnet man mit einem Anteil von 10 Prozent kritischer Vorhaben, sobald die neue Kategorisierung eingeführt ist. Angesichts dieser eher geringen Werte hält IFC-Sprecher Rosenberg die Aufregung zivilgesellschaftlicher Gruppen über die Arbeit der Weltbank-Tochter für nicht nachvollziehbar. Bei „urgewald“ sieht man das freilich ganz anders: Häufig falle die Einstufung viel zu lasch aus – um Kosten zu vermeiden und die Rendite nicht zu schmälern. Ginge es mit rechten Dingen zu, müsste die IFC viel mehr Projekte als kritisch einordnen.

 

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erschienen in Ausgabe 3 / 2011: Welthandel: Auf dem Rücken der Armen
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