„In Burundi gibt es keine Pressefreiheit“

Zwei Frauen und zwei Männer in grüner Sträflingskleidung und ein Mann mit Sonnenbrille sitzen auf einer Bank vor einer Wand.
AFP via Getty Images/TCHANDROU NITANGA
Vier Journalistinnen und Journalisten der Iwacu Press Group, die eine gewisse Unabhängigkeit bewahren will, und ein Fahrer vor ihrem Prozess 2019; sie sind wegen Gefährdung der inneren Sicherheit angeklagt.
Medien
Das unabhängige burundische Radio Publique Africaine kann seit 2015 nur noch aus dem Ausland per Internet verbreitet werden. Aber es hat in Burundi viele Hörer, anonyme Mitarbeiter und Informanten. Der Direktor Bob Rugurika spricht im Interview über seine Zeit im Gefängnis und Mordversuche des Regimes.

Bob Rugurika ist Direktor von Radio Publique Africaine (RPA), einem Internet-Radio von burundischen Journalistinnen und Journalisten im Exil. Er lebt zurzeit in Belgien.

Was ist das Besondere an Radio Publique Africaine (RPA)?

Es ist ein unabhängiges Radio, das von einer nicht gewinnorientierten Vereinigung geführt wird. Es wurde auf dem Höhepunkt des Bürgerkriegs zwischen Hutu und Tutsi in Burundi im Jahr 2000 gegründet, um die Volksgruppen zusammenzuführen, Rechenschaftspflicht der Behörden gegenüber Steuerzahlern zu fördern und die Demokratie zu stärken. Wir konzentrieren uns auf investigativen Journalismus.

Welche Themen greifen Sie auf?

Ich habe zum Beispiel den Mord an einem Anti-Korruptions-Aktivisten im April 2009 recherchiert, der illegalen Waffenhandel untersucht hatte und deshalb von jemandem aus dem Umkreis des Präsidenten ermordet worden war. Die Regierung Burundis gab damals Waffen an Gruppen im Osten des Kongo und die lieferten ihr dafür Erze wie Coltan. In einem anderen Fall haben Nachrichtendienste Burundis 2011 nahe an der Grenze zum Kongo etwa 40 Menschen in einer Bar umgebracht, um das der Opposition in die Schuhe zu schieben. An der Tat Beteiligte haben mir gesagt, die Regierung habe sie beauftragt.

Wegen solcher Berichte mussten Sie aus Burundi fliehen?

Ja. Das Regime hat zunächst versucht, mich zu kaufen, aber ich habe das abgelehnt. Daraufhin hat man mir erklärt, dass ich die Wahl hätte, zu sterben, ins Gefängnis zu wandern oder ins Exil zu gehen. Besonders übel genommen wurde meine Recherche über den Mord an drei italienischen Schwestern 2014, die in einem Krankenhaus im Kongo nahe der Grenze zu Burundi immer wieder burundische Offiziere beobachtet hatten, wie sie kongolesische Militärs begruben. Danach hat das Regime mehrmals vergeblich versucht, mich umzubringen, und mich dann ins Gefängnis gesteckt, in Einzelhaft. Auch dort wollten sie mich töten, aber dank Unterstützung aus dem Gefängnispersonal ist das misslungen. Da ist Burundi kompliziert: Im Regime gibt es Leute, die sehr gut finden, was wir tun. Sie haben mich jedes Mal vor der Gefahr gewarnt. Auf starken internationalen Druck, zum Beispiel vom Europäischen Parlament und der EU-Kommission, bin ich dann freigelassen worden und etwas später zuerst nach Uganda, dann nach Kenia, dann nach Belgien gegangen.

RPA ist seitdem in Burundi verboten?

Seit der Krise in Burundi im Jahr 2015. Damals gab es große Demonstrationen gegen die Absicht von Präsident Pierre Nkurunziza, sich entgegen der Verfassung eine dritte Amtszeit zu verschaffen. Die Behörden verboten die Ausstrahlung unserer Programme, und die Sendestation wurde im April 2015 von Militärs zerstört. Wir, die das Radio getragen haben, sind dann ins Ausland gegangen – viele in ein anderes Land der Region wie Uganda, Tansania und Ruanda – und haben ein reines Internet-Radio eröffnet. Seit 2015 haben laut dem burundischen Journalistenverband 117 Journalistinnen und Journalisten Burundi verlassen, darunter viele vom RPA.

Präsident Nkurunziza ist 2020 gestorben. Hat sich unter seinem Nachfolger, der zuerst eine Öffnung angekündigt hat, die Lage verbessert?

Nein. Das Problem liegt im politischen System. Menschen werden umgebracht, freie Meinungsäußerung wird nicht geduldet. Nkurunzizas Regierung war aus dem gewaltsamen Kampf von Rebellen im Busch entstanden und davon geprägt. Seit seinem Tod hat sich daran nichts geändert. Dass es in Burundi keine Pressefreiheit gibt, kann man in Berichten wie von Human Rights Watch nachlesen.

Welche Medien sind in Burundi verbreitet?

Das staatliche Radio und Fernsehen RTNB (Radio Television Nationale du Burundi), aber das Programm besteht aus Lobliedern auf die Regierung, das ist kein wirklicher Journalismus. Es gibt daneben zwei Radios, die nach 2020 wieder eröffnet wurden und in gewissem Maße unabhängig sind, aber sie mussten eine Versicherung unterschreiben, nicht über heikle Themen wie die Sicherheit oder die Wirtschaftslage zu berichten. Und eine im Internet publizierte Zeitung hat sich mit der Lage arrangiert; zum Beispiel liest man dort niemals etwas über politische Morde, über die Beteiligung der Sicherheitskräfte am Verschwindenlassen von Personen oder über die große Korruption, an der das Präsidenten-Ehepaar und hohe Vertreter der Armee und der Polizei beteiligt sind.

Wie kommen Sie im Exil an solche Informationen aus Burundi?

Wir haben ein festes Netz von Journalisten dort, die mit uns zusammenarbeiten und für uns aus Sicherheitsgründen anonym arbeiten. Darunter sind auch Beschäftigte aus offiziellen Medien, die sagen: Wir können darüber nicht berichten, aber ihr könnt das. Und wir haben viele Freunde in der Bevölkerung, zum Beispiel unter Führern in den Kommunen und in den Religionsgemeinschaften. Sie geben uns regelmäßig weiter, was im Land passiert. Darauf beruht unsere Glaubwürdigkeit.

Gibt es im Regime Leute, die Ihre Arbeit unterstützen?

Ja. Radio RPA ist heute das einzige Medium in Burundi, das Informationen veröffentlicht, die unter dem Tisch gehalten werden und wichtig sind – zum Beispiel, dass der Kreis des Staatspräsidenten Hunderte Millionen US-Dollar unterschlagen hat. Diese Informationen haben uns Leute aus der regierenden Partei zugespielt.

Wie viele Stunden Programm macht RPA pro Tag?

Wir produzieren jeden Tag ein halbstündiges Informationsmagazin in der Landessprache Kirundi und eines auf Französisch. Außerdem machen wir pro Woche vier Sendungen zu einzelnen Themen wie Gesundheit, Politik, Wirtschaft. Am Wochenende gibt es eine Debattensendung, das ist unsere bekannteste Sendung. Sie heißt übersetzt „Das Wort habt ihr“. Wir laden dazu zwei oder drei Leute ein und das Publikum stellt ihnen Fragen mit Hilfe von Plattformen wie Zoom, WhatsApp oder sozialen Medien. Auch Mitarbeitende von Behörden beteiligen sich, aber nicht aus der Führungsebene, sondern zum Beispiel aus den Kommunen. Sie sprechen mit uns, wollen aber nicht, dass wir ihre Stimme senden, weil RPA in Burundi nicht erlaubt ist.

Wissen Sie, wie viele Menschen in Burundi RPA verfolgen?

Vor 2015 hat ein französisches Institut mit einer Mediennutzungsstudie herausgefunden, dass RPA der am meisten genutzte Sender in Burundi war. Sie schätzten, dass von den damals etwa 10 Millionen Einwohnern über 2 Millionen täglich RPA verfolgten. Seit der Zerstörung des Senders im Land ist es natürlich schwierig zu wissen, wie viele ihn hören. Heute verfolgen uns die Leute auf Facebook, Twitter und Instagram, aber vor allem teilen sie unsere Inhalte enorm viel über WhatsApp. Man hat uns deshalb schon als Radio WhatsApp Burundi bezeichnet. Mindestens 7 Millionen Menschen in Burundi haben ein Smartphone. Diese Zahl ist seit 2015 stark gestiegen, weil die Leute nun Medien online nutzen wollten.  

Wie finanzieren Sie sich?

RPA lebt von Subventionen aus dem Ausland, zum Beispiel von in Burundi vertretenen Regierungen. Auch UN-Organisationen arbeiten punktuell mit uns zusammen. Als wir 2015 ins Exil gehen mussten, mussten wir zuerst ein Jahr lang fast ohne Unterstützung auskommen, aber dann haben internationale Organisationen begonnen, uns zu helfen, unter anderen das deutsche Entwicklungsministerium BMZ bis 2021 sowie die französische und niederländische Entwicklungszusammenarbeit. Von anderen bekommen wir ab und an kleinere Hilfen. Leider verlieren wir zurzeit die Unterstützung einiger großer Organisationen. Wir haben zuletzt an viele Türen geklopft, mal sehen, was dabei herauskommt.

Das Gespräch führte Bernd Ludermann. 

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