Schmutziges Gold

Der Bergbau hat im Südpazifikstaat Papua-Neuguinea eine herausragende volkswirtschaftliche Bedeutung. Die Bevölkerung profitiert davon allerdings nur wenig. Zwar hat der Betreiber der Porgera-Goldmine im Nordwesten des Landes in die soziale und wirtschaftliche Infrastruktur investiert. Aber die Regierung setzt weiter auf die ungebremste Ausbeutung von Rohstoffen, ohne zugleich sozial- und umweltverträgliche Rahmenbedingungen für Investitionen zu schaffen.

Im vergangenen Sommer herrschte im Hochland Papua-Neuguineas der Ausnahmezustand. Mit einem großen Polizeieinsatz wollte die Regierung Recht und Ordnung wiederherstellen. Ziel des Einsatzes war die seit 1990 betriebene Mine Porgera. Sie zählt zu den zehn größten Goldbergwerken der Welt. Sondereinheiten durchkämmten das Minengelände, vertrieben Menschen, von denen die Regierung, die Polizei und der Minenbetreiber sagen, sie hätten sich illegal angesiedelt, und brannten Dutzende von Unterkünften nieder. Besitzer der Mine ist der kanadische Goldkonzern Barrick, der mit 26 Projekten auf fünf Kontinenten der größte der Branche ist. Auf der Ethik-Rangliste der internationalen Rohstoffwirtschaft nahm Barrick 2008 einen der letzten drei Plätze ein. Wegen ethischer Verfehlungen wurde der Konzern bereits aus dem Portfolio des staatlichen norwegischen Pensionsfonds gestrichen.

Autor

Roland Seib

ist Politikwissenschaftler und beschäftigt sich seit vielen Jahren mit den Folgen des Bergbaus auf Papua-Neuguinea. Er arbeitet derzeit als Gastwissenschaftler bei der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK).

Die Konflikte zwischen Anwohnern, Minenbetreibern und der Staatsgewalt reichen schon ein Jahrzehnt zurück. 2001 wurden aus Protest die ersten Strommasten gefällt. Immer wieder kommt es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit dem Sicherheitspersonal und der Polizei, bei denen bisher mehrere Dutzend Menschen getötet worden sind. Betroffene und Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International und MiningWatch fordern seit Jahren eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle. Mittlerweile werden sie vor dem ständigen UN-Forum für indigene Angelegenheiten verhandelt. Obwohl Regierungschef Michael Somare schon 2005 eine Aufklärung der Todesfälle zugesagt hat, ist bisher nichts geschehen.

Die Menschenrechtsorganisationen verlangen ferner, dass der Konzern aufhört, die Polizei zu unterstützen. Die Beamten erhalten im Gegenzug für ihre Präsenz Unterkunft auf dem Minengelände sowie Nahrung und Benzin. Die Royal Papua New Guinea Constabulary, der Brutalität und schwere Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden, ist in einer maroden Verfassung, vor allem weil die Regierung sie jahrzehntelang unterfinanziert hat. Sie hat zu wenig Personal, zahlreiche Dienststellen, Gefängnisse und Unterkünfte sind baufällig oder sogar von den Gesundheitsbehörden für unbenutzbar erklärt worden. So sind die Polizisten anfällig für Geschäfte mit Privatfirmen, die wiederum auf ihren Einsatz angewiesen sind. Die autoritär geführte Truppe wird weder einer rechtsstaatlich verfassten Institution noch den Sicherheitsbedürfnissen des Landes gerecht.

Zwei Jahrzehnte Bergbau haben im Hochland Papua-Neuguineas soziale und ökologische Schäden hinterlassen. Schon seit der Unabhängigkeit von Australien 1975 haben sich die Kriminalität und die Zahl gewalttätiger ethnischer Konflikte erhöht. Bereits 1977 wurde der Einsatz der Armee zur Unterstützung der Polizei erwogen, um den Landesteil zu befrieden. Ein Jahr später herrschte in allen fünf Hochlandprovinzen der Notstand, der kurz darauf wieder aufgehoben, aber seitdem in einzelnen Regionen wiederholt ausgerufen wurde.

Porgera ist die einzige produzierende Mine in Papua-Neuguinea, die über eine Straße zugänglich ist; alle anderen Bergwerke sind nur mit dem Flugzeug oder dem Firmenhelikopter zu erreichen. Die Folge seit vielen Jahren ist eine ungebremste Zuwanderung von Menschen, die sich Arbeit und ein besseres Leben erhoffen. Mit dem Bevölkerungszuwachs auf heute bis zu 50.000 Menschen haben die sozialen Probleme in der Region zugenommen. Gesetzlosigkeit, Gewalt in der Familie, Glücksspiel, Alkoholmissbrauch sowie Prostitution und damit auch die Verbreitung des Aids-Virus haben zu Spannungen geführt. Zugezogene Verwandte und Migranten lassen sich auf dem größtenteils nicht eingezäunten Minengelände nieder und bauen sich Hütten. Da es kaum Flächen für die landwirtschaftliche Selbstversorgung gibt, versuchen sie, das Restgold nachts aus den Abraumhalden zu waschen – ein illegales und lebensgefährliches Unternehmen.

Dabei profitieren vom Bergbau durchaus auch Einheimische, zum Beispiel die ursprünglich 5000 Landbesitzer der Volksgruppe der Ipili. Ohne ihre Zustimmung wäre ein Weiterbetrieb der Porgera-Mine bis heute undenkbar. Sie profitieren von einer staatlichen Bergbaupolitik, die als Folge des Bürgerkriegs auf der Papua-Neuguinea zugehörigen Kupferinsel Bougainville (1988-1997) eine stärkere Teilhabe von Landbesitzern und der Provinzregierung an den Einnahmen aus dem Bergbau vorsieht. Beide sind mit jeweils 2,5 Prozent der Aktien am Porgera-Projekt beteiligt; Einheimische stellen 93 Prozent der 2500 Beschäftigten.

Ferner stellt der Konzern Bildungs-, Gesundheits- und Kommunikationsdienste bereit und sorgt für einen Ausbau der Infrastruktur. Im bevölkerungsreichen Hochland, in dem die Bewohner erst vor zwei Generationen mit der Moderne in Berührung kamen, gibt es kaum staatliche Strukturen. Erst die Dienstleistungen des Bergbau-Unternehmens haben die Lebenserwartung und den Lebensstandard der Landbesitzer wesentlich erhöht.

Noch heute befinden sich 97 Prozent des Bodens im Eigentum der Clans. Der Staat hat darauf keine Zugriffsrechte. Entsprechend selbstbewusst verliefen auch die Verhandlungen der Ipili mit dem Vorbesitzer der Mine, dem kanadischen Unternehmen Placer Dome. Der damals beteiligte Anthropologe Alex Golub erinnert sich: „Sie sagten ,Placer: Wir wollen ein Gymnasium, wir wollen ein Krankenhaus, wir wollen eine langfristige wirtschaftliche Entwicklung, wir wollen eine Straße, wir wollen einen Flughafen und wir wollen, dass eine Stadt gebaut wird. Wenn ihr dem zustimmt, bekommt ihr eure Mine. Wenn ihr die Mine ohne unsere Genehmigung baut, töten wir euch‘.“ Die Landbesitzer bekamen ihren Deal und die Mine wurde gebaut. Sie selbst wurden in neue Häuser umgesiedelt.  

Verlierer des Projekts sind die Menschen, die außerhalb des Einzugsgebiets der Mine an den bis in den Golf von Papua reichenden Flüssen leben. Bis heute leiten landesweit alle Bergbauprojekte ihre Verarbeitungsrückstände entweder in die angrenzenden Flüsse oder in das Meer ein. Die schwermetallhaltigen Sedimente lagern sich in den Flüssen ab; die Anwohner, die fast ausschließlich Nahrungsmittel zu ihrer eigenen Versorgung anbauen und auf eine intakte Natur angewiesen sind, verlieren ihre Lebensgrundlage. Papua-Neuguinea und Indonesien sind im asiatisch-pazifischen Raum die einzigen Länder, die eine solche Deponierung von Abfällen in Flüssen noch zulassen.

Bisher lässt Barrick keine Absicht erkennen, seine Entsorgungspraxis zu ändern. Täglich werden weiterhin bis zu 22.000 Tonnen Rückstände in den Fluss gekippt. Schon seit 1996 liegen Vorschläge der australischen Forschungsbehörde CSIRO vor, die eine Landlagerung der Sedimente vorsehen. Hilfe können die Betroffenen nicht erwarten, da es keine unabhängige staatliche Umweltaufsicht gibt. Die zuständige Behörde fungiert als verlängerter Arm des Bergbauministeriums und der Industrie.

Die Regierung von Papua-Neuguinea setzt weiterhin auf einen ungebremsten Ausbau der Bergbau-, Rohöl- und Flüssiggasindustrie, zuletzt im März öffentlichkeitswirksam auf der wichtigsten internationalen Rohstoffmesse im kanadischen Toronto. Bereits Ende vergangenen Jahres wurde ein Flüssiggasprojekt des US-Ölkonzerns ExxonMobil genehmigt, dessen Investitionsvolumen mehr als das Doppelte des heutigen Bruttoinlandprodukts von 8,5 Milliarden US-Dollar beträgt. An dem Projekt sind vier Provinzen, zehn kommunale Behörden und mehr als tausend Landbesitzergruppen beteiligt. Erstmals dabei ist zudem ein global tätiger Sicherheitskonzern. Es braucht keine prophetischen Qualitäten, um angesichts dieser Planungen mehr innerstaatliche Gewalt, Korruption und Armut zu prognostizieren.

erschienen in Ausgabe 5 / 2010: Menschenrechte - Für ein Leben in Würde
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