Mit Tchibo nach Trebic

Fairer Handel für Osteuropa
Auch in den Ländern Osteuropas nimmt das Interesse am fairen Handel zu. Deutsche Kommunen und Initiativen helfen mit Informationen und beim Aufbau von Strukturen.

Die ersten Anfänge des fairen Handels in Osteuropa gehen auf die 1990er Jahre zurück. Anders als in Westeuropa haben nicht Dritte-Welt-Initiativen die ersten fairen Kaffees verkauft, sondern internationale Supermarktketten nahmen sie in ihr Sortiment auf. Seither ist der Absatz von fair gehandelten Produkten in Polen und Tschechien stetig gestiegen und liegt jetzt bei rund sechs Millionen Euro in Tschechien. In Deutschland wurden 2014 Waren mit dem Transfair-Siegel im Wert von über 800 Millionen Euro verkauft. Tschechien hat den größten Fairtrade-Markt in Osteuropa. Ein großer Teil des Umsatzes geht auf den Verkauf in Handelshäusern wie Tchibo oder Starbucks zurück.

Deutsche Städte und Gemeinden unterstützen in beiden Ländern einheimische Initiativen, in der Zivilgesellschaft mehr Bewusstsein für Produkte aus fairem Handel zu schaffen. Wichtige Anstöße hat das dreijährige Projekt aware & fair der Stadt Hannover in seiner polnische Partnerstadt Poznan sowie im tschechischen Litoměřice und in Mikolc in Ungarn gegeben. Mit Ausstellungen, spielerischen Aktionen und Probeverkostungen wurden die Bürger dort über den fairen Handel informiert. Poznan und Litomerice wurden jeweils die ersten Fair-Trade-Städte in ihren Ländern und haben damit eine Vorreiterrolle eingenommen. Diesen Titel erhalten Städte, wenn in Verwaltung und im Einzelhandel Produkte aus fairem Handel angeboten werden.

Der faire Handel ist bekannter geworden, aber die Fairtrade-Lebensmittel sind in Osteuropa noch nicht in größerem Ausmaß verfügbar. Das Angebot ist noch weitgehend auf Kaffee, Tee, Zucker und in Einzelfällen Bananen oder Blumen beschränkt. Damit die Konsumenten auf eine größere Produktpalette zugreifen können, müssen notwendige Strukturen aufgebaut werden. Die Siegelorganisation Transfair hat deshalb die Rolle des Mentors für die erst 2014 entstandene polnische Fairtrade-Oganisation Foundation of the Fair Trade Coalition übernommen. Transfair hilft finanziell, bei der Schulung von Mitarbeitern und stellt Informationsmaterial für die Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung. Ziel ist es auch, mittelständische Unternehmen anzusprechen, damit sie Produkte aus fairem Handel anbieten.

Stadtpolizei will keine nachhaltige Dinstkleidung

Nationale Strukturen sind notwendig, damit Kommunen in Tschechien und Polen leichter sozial und ökologisch nachhaltig einkaufen können. Initiativen dazu stecken noch in den Kinderschuhen. Ein Drei-Länder-Projekt der Städte Dortmund und Wels in Österreich zusammen mit dem tschechischen Trebic gibt erste Impulse. Beraten von den zivilgesellschaftlichen Organisationen Christliche Initiative Romero (CIR) und Nazema in Tschechien hat Trebic, eine Stadt mit rund 40.000 Einwohnern, fairen Kaffee und Tee in der Stadtverwaltung eingeführt. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter hätten davor noch nie vom fairen Handel gehört, sagt Anna Machátová von der Kommune Trebic. Der Versuch, die Stadtpolizei mit sozial und ökologisch nachhaltiger Dienstkleidung auszustatten, scheiterte jedoch vorerst – allerdings nicht an den Kosten, sondern am Widerstand des Polizeichefs, etwas Neues auszuprobieren.

Johanna Fincke von der Christlichen Initiative Romero war überrascht, wie ähnlich die Verwaltungen arbeiten, obwohl sich die Städte Trebic, Wels und Dortmund in Bevölkerungszahl und verfügbaren Mitteln stark unterscheiden. Es gebe ein „starkes Beharrungsvermögen“ in der Verwaltung. Europäische Kooperationen seien sinnvoll, weil die rechtlichen Vorgaben für öffentliche Ausschreibungen in der gesamten Europäischen Union im Wesentlichen gleich sind.

Naheliegend ist die Zusammenarbeit unmittelbar in Grenzregionen. Die Städte Frankfurt an der Oder und Slubice sind nur durch den Grenzfluss getrennt. Initiativen in beiden Städten wollen den Fairtrade-Gedanken gemeinsam verfolgen und streben den Titel der ersten europäischen Fair-Trade-Doppelstadt an. Dafür rechnen sie allerdings mit einem zeitlichen Aufwand von rund drei Jahren Vorarbeit.

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erschienen in Ausgabe 10 / 2015: Gesundheit: Ohne Fachkräfte geht es nicht
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