Gegen die Macht der Konzerne

In ihrer Streitschrift gegen die Macht transnationaler Konzerne dokumentiert Susan George  anschaulich und detailliert das Versagen der Lobbykontrolle in den USA und in Europa. Dabei schreibt sie mehr als Aktivistin denn als Politikwissenschaftlerin.

Als größten Lobbytriumph aller Zeiten und „Verbrechen gegen die Erde und ihre Menschen“ prangert die Autorin „die vorsätzliche Deregulierung“ der ökologischen Systeme der Erde, insbesondere des Klimas, an. Dabei fesselt die ehemalige Vizepräsidentin von attac Frankreich nicht so sehr mit neuen Fakten, sondern vor allem mit vehementer, teils polemischer Kritik und moralischer Entrüstung. So bezeichnet sie das Transatlantische Handelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA als „despotischen und direkten Überfall der Davos-Klassenoligarchie und der von ihr ernannten politischen Diener gegen die Demokratie“.

Weniger bekannt, aber durchaus wichtig für die von ihr beschriebene Weltherrschaft der Konzern-Megalobby ist die in Kapitel 3 behandelte regulatorische Zusammenarbeit zwischen den USA und der EU. Hier werden vermeintlich rein technische Standards und Normen wie etwa für die Zulassung von Chemikalien von demokratisch nicht legitimierten Gremien festgelegt – zum Nutzen der Profitmaximierung und auf Kosten von Gesundheits-, Verbraucherschutz- oder Umweltstandards. In Kapitel 4 zeigt Susan George, wie finanzstarke Konzerne das finanziell ausgetrocknete UN-System unterwandern, so bei der WHO, der UN- Klimapolitik oder dem Global Compact. Das Netzwerk dieser Konzerne beschreibt sie im Anschluss in Anlehnung an marxistische Terminologie mit dem Begriff der „Davos-Klasse“.

Das Schlusskapitel steht unter dem Eindruck des Wechsels an der Spitze der EU-Kommission von José Manuel Barroso zu Jean-Claude Juncker im Jahr 2014. George verbindet mit dem personellen Neuanfang die Hoffnung auf eine Abkehr von der neoliberalen Barroso-Ära – eine Hoffnung, die sie  aus heutiger Sicht relativieren müsste. Die stärkste Hoffnung aber setzt sie auf wachsende demokratische Bürgerbewegungen, als deren Teil sie sich selbst sieht. 

Das Buch besteht aus knapp 160 Seiten Text, einem Index und einem fast 30-seitigen Anhang mit Anmerkungen und Quellennachweisen, die fast nur politische und journalistische Referenzen umfassen. Schon dies macht deutlich, dass es Susan George in erster Linie um eine politische und nicht um eine wissenschaftliche Auseinandersetzung geht. Zwar skizziert sie eingangs ihre liberale Grundhaltung unter Bezug auf Aufklärung und französische Revolution. Auch definiert sie prägnant die Kriterien für demokratische Legitimität von Politik. Aber ihr Buch enthält keine Analyse, wie es zu der von ihr beklagten „Korporatokratie“ kommen und warum die Aufklärung zur „großen neoliberalen Regression“ degenerieren konnte. Sie sieht in der moralischen Dekadenz des Neoliberalismus vor allem ein persönliches und spirituelles Versagen. Aber sie dokumentiert kritikwürdige Zustände, empört sich zu Recht über die Aushöhlung der (westlichen) Demokratie und will die Leserinnen und Leser dagegen mobilisieren. Dies macht das Buch lesens- und empfehlenswert.

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