Oase für Biobauern

Früher sind die Landwirte in Saudi-Arabien verschwenderisch mit Wasser umgegangen. Doch die wertvolle Ressource wird knapp, viele Bauern setzen deshalb zunehmend auf schonenden Bioanbau. Doch wie nachhaltig kann Landwirtschaft in einem Wüstenstaat überhaupt sein?

Hamad al-Fawaz lässt eine Handvoll Wüstensand durch seine Finger rieseln. Sein Vater habe keine 300 Meter tief bohren müssen, um an Grundwasser zu kommen, erzählt er. „Heute muss ich hier fast sechs Mal so tief bohren.“ Die Oase Al-Kharj liegt eine Autostunde südöstlich von Saudi-Arabiens Hauptstadt Riad entfernt. Hier stoppten einst die Karawanen der Beduinen auf ihrem Weg durch die arabische Wüste, um ihre Wasservorräte zu ergänzen. Heute haben sich rund um Al-Kharj einige Bauern angesiedelt.

Hamad al-Fawaz ist Großgrundbesitzer, auch seine Felder liegen rund um die Oase. Doch er ist ein bescheidener Mann geblieben. Was er sein Büro nennt, ist nichts weiter als ein mit Teppichen ausgelegter Schuppen. Hier instruiert er seine Vorarbeiter, trifft seine Söhne und Enkel und empfängt Besucher, die inzwischen auch aus den Nachbarländern angereist kommen. Denn al-Fawaz ist über die Landesgrenzen hinaus bekannt: Er ist einer der ersten Biobauern Saudi-Arabiens.

Schon sein Vater und sein Großvater hätten das Land auf traditionelle Weise bestellt, erzählt er. Nur habe es das Etikett „Biobauer“ damals noch nicht gegeben. „Viele Bauern meiner Generation leiden heute unter schlimmen Haut- und Atemwegserkrankungen oder haben Krebs“, sagt er. „Schuld daran, das ist heute allen klar, war der übermäßige Einsatz von Pflanzenschutzmitteln.“ Heute, so al-Fawaz, vertrauen viele Bauern wieder auf die überlieferten Methoden. Und das nicht nur wegen Gesundheitsschäden: Mittlerweile ist, wie überall auf der Arabischen Halbinsel, der Wassermangel das größte Problem der Landwirtschaft und gefährdet die Versorgung mit Nahrungsmitteln.

König Abdullah, der seit 2005 amtiert, unternimmt zaghafte Versuche, seine Landsleute auf einen behutsameren Umgang mit den schwindenden Wasserreserven einzustimmen. Die Förderung des besonders wasserintensiven Anbaus von Weizen, Reis und Soja läuft 2016 aus; für weitere Produkte, wie Alfa-Alfa und andere Futtermittel, deren Anbau noch größere Wassermengen erfordert, wurde bereits ein Exportstopp verhängt. Dabei hatte Saudi-Arabien mit dem Beginn des Erdölbooms in den 1970er Jahren seine landwirtschaftliche Produktion noch intensiviert. Schon 1984 deckte die inländische Weizenproduktion den eigenen Bedarf. Zu Beginn der 1990er Jahre gehörte Saudi-Arabien zu den größten Weizenexporteuren der Welt. Dabei stehen weniger als 0,5 Prozent der Landesfläche als Kulturland zur Verfügung.

Autor

Frank Odenthal

ist freier Journalist und lebt in Lörrach. Er schreibt vor allem über Umweltschutz und Menschenrechte und bereist regelmäßig Afrika und den arabischen Raum.

Doch der Erfolg war teuer erkauft. Die Felder mussten dem sandigen Boden regelrecht abgetrotzt werden. Hinzu kamen höchst ineffiziente Bewässerungsmethoden, etwa der Einsatz riesiger Beregnungsanlagen, bei denen bis zur Hälfte des versprühten Wassers verdunstet, bevor es den Boden erreicht. Die Folgen zeigen sich heute. Der Grundwasserspiegel ist in den vergangenen Jahrzehnten rapide gesunken. Viele Brunnen sind ausgetrocknet, selbst in fruchtbaren Gegenden.

Hamad al-Fawaz in Al-Kharj hat seine Produktion deshalb ganz auf Tröpfchenbewässerung umgestellt. Ohne die neuen Techniken müsste er seinen Betrieb in wenigen Jahren schließen, glaubt er, dann würde er nicht mehr an das Grundwasser herankommen. 400 Tunnelzelte dienen als Gewächshäuser. Hier baut er Tomaten an, Gurken und Zucchini. Auf den umliegenden Feldern gedeihen Karotten, Auberginen, Peperoni, Kürbisse und Bohnen – alles in bester Bioqualität. Die schwarzen Schläuche durchziehen seine Felder und führen das kostbare Wasser direkt an die Pflanzenwurzeln. So spare er mehr als 40 Prozent Wasser gegenüber den üblichen Beregnungsanlagen, sagt er. Zwar sei die Anschaffung teurer und die Wartung aufwendiger, doch ein staatlicher Entwicklungsfonds erstatte 70 Prozent der Kosten.

Und das ist erst der Anfang. Inzwischen kompostiert Al-Fawaz die vertrockneten Überreste aus den Gewächshäusern und düngt damit die Felder. Er beachtet Fruchtfolgen bei der Aussaat; durch den Wechsel der Bepflanzung könne sich der Boden besser regenerieren. Er verwendet stickstoffbindende Pflanzensorten, sogenannte Leguminosen. Und natürlich verzichte er auf Kunstdünger und Pestizide, sagt al-Fawaz stolz. Das alles verbessere die Qualität der Böden und damit ihre Fähigkeit, Wasser zu speichern, haben ihm die deutschen Berater erklärt.
Die Experten der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sind seit 2005 im Auftrag des saudischen Agrarministeriums vor Ort. Die Erfahrung in der Biolandwirtschaft habe damals den Ausschlag für die Deutschen gegeben, sagt Saad Khalil, der Leiter des saudischen Ökolandbauverbandes SOFA (Saudi Organic Farming Association). Anfangs sei es nur darum gegangen, einen verlässlichen Rahmen abzustecken. „Wir mussten zunächst eine saudische Ökoverordnung schaffen, die Kriterien für den Anbau und die Zertifizierung festlegt“, erklärt Khalil. Außerdem sei die SOFA ins Leben gerufen worden, die als Schnittstelle zwischen den Landwirten, den Verbrauchern und der Regierung dient.

Heute gehe es vor allem darum, das Vertrauen in die heimischen Produkte zu stärken. Denn daran hat es in den vergangenen Jahren gemangelt. Viele Saudis misstrauten den ausländischen Experten auf den konventionell bewirtschafteten Farmen, die aus Indien, Pakistan oder Bangladesch geholt worden waren. Viele dieser Berater von ihnen verfuhren nach dem Motto „mehr bringt mehr“ – und versprühten Unmengen an Pflanzenschutzmitteln in der Hoffnung auf höhere Erträge. „Die Kunden müssen sich darauf verlassen können, dass die Biolandwirte saubere und gesunde Ware liefern“, betont Khalil. Dazu soll das saudische Biosiegel beitragen, das 2011 eingeführt wurde; das erste seiner Art auf der arabischen Halbinsel. Es orientiert sich stark an dem Vorbild aus der Europäischen Union (EU), das unter anderem festlegt, dass mindestens 95 Prozent eines Produktes aus Ökoanbau stammen müssen. Außerdem garantiert das Siegel Gentechnikfreiheit und den Verzicht auf chemisch-synthetische Pflanzenschutz- und Düngemittel.

Nach heutigem Stand werden 16.000 Hektar Land gemäß der saudischen Ökoverordnung bewirtschaftet; das sind knapp zwei Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche des Landes. Ähnlich wie in der EU gelten sehr niedrige Grenzwerte für Pflanzenschutzmittel und es dürfen keine gentechnisch veränderten Pflanzen, auch nicht als Futtermittel, angebaut werden. Geplant ist ferner, den Einsatz der ineffizienten Beregnungsanlagen zu verbieten, eine Entscheidung darüber steht aber noch aus. Nach einer gewissen Übergangszeit – zwei Jahre beim Gemüseanbau und in der Nutztierhaltung, drei Jahre beim Obstanbau – können sich Farmer als Biobauern zertifizieren lassen. Inspektionen finden mehrmals jährlich unangemeldet statt. Noch werden auch europäische Zertifizierer beauftragt, doch die ersten saudischen Kontrolleure sind ausgebildet worden und sollen demnächst ihre Arbeit aufnehmen. Bis 2017 soll der Anteil des Ökolandbaus auf fünf Prozent steigen. Ein realistisches Ziel, wenn man berücksichtigt, dass der König und einige der Prinzen der herrschenden Al-Saud-Familie angekündigt haben, die gesamte Produktion ihrer riesigen Farmen auf ökologische Methoden umzustellen. Zum Vergleich: In Deutschland werden momentan etwa sechs Prozent der landwirtschaftlichen Fläche ökologisch genutzt.

Inzwischen gibt es landesweit 30 Biosupermärkte. Der Abazeer-Biosupermarkt in Dschidda am Roten Meer hat mehr als 70 Tomatensorten und acht Knoblauchvarianten im Sortiment und bietet neben Mangos, Papayas, Pfirsichen und Aprikosen sogar Weintrauben und Oliven aus heimischer Produktion an. Der Stand mit biologisch erzeugtem Obst und Gemüse auf einem der großen Wochenmärkte in Riad ist regelmäßig nach kurzer Zeit ausverkauft. Zuletzt startete sogar ein Auslieferungsservice, eine „saudische Biokiste“. Und demnächst soll das erste Bio-Restaurant im Land eröffnen. Doch von einem Bioboom wie in Deutschland, so Khalil, sei man noch weit entfernt.

Das Bewusstsein für Nach­haltigkeit hat eine Schattenseite
„Das Problem des saudischen Marktes ist, dass noch nicht das ganze Jahr über konstant Bioprodukte angeboten werden können“, erklärt der Agrarökonom Marco Hartmann. „Was bringt es, die Kundschaft mit großem Werbeaufwand für Biopaprika zu begeistern, wenn man in den folgenden sechs Monaten keine liefern kann?“ Darüber hinaus gebe es zu wenig Saatgut und Düngemittel, fügt der Leiter des GIZ-Projektes „Organic Farming“ hinzu. Saudische Landwirte könnten die Nachfrage nach Ökoprodukten kaum decken. Kurzfristig sollen Engpässe deshalb mit Hilfe von Importen überbrückt werden. Das Agrarministerium hat bereits Verhandlungen mit möglichen Lieferanten aus dem Mittelmeerraum und dem Nahen Osten aufgenommen.

Doch das neu entdeckte Bewusstsein der Saudis für Nachhaltigkeit hat auch eine Schattenseite. Sie zeigt sich einige Tausend Kilometer westlich, auf dem afrikanischen Kontinent. Wasserintensive Feldfrüchte wie Weizen, Soja und Reis für die Bewohner der Arabischen Halbinsel sollen in Zukunft hier wachsen, auf den fruchtbaren Feldern Tansanias, Äthiopiens, Kenias, des Sudan, Ghanas und des Senegal. Globalisierungskritiker sprechen von Landraub, „land grabbing“. Der Vorwurf: Saudi-Arabien und andere reiche Golfstaaten kaufen oder pachten in großem Stil Land in Afrika, das den dortigen Kleinbauern nicht mehr zur Verfügung stehe und die lokalen Märkte zusammenbrechen lasse.

Zwar sind Szenarien denkbar, in denen Landkäufe ausländischer Investoren wünschenswert erscheinen: Laut einer Studie der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation FAO von 2008 etwa, wenn das erworbene Land zuvor ungenutzt war oder die Erschließung zu kostspielig, und wenn der lokalen Bevölkerung neue Arbeitsplätze angeboten werden können – und vor allem wenn der Prozess transparent und unter Beteiligung aller Betroffenen, auch der Kleinbauern vor Ort, vollzogen wurde.

Doch gerade die saudischen Investoren schneiden, gemessen an diesen Kriterien, denkbar schlecht ab. Die internationale nichtstaatliche Organisation „Grain“ hat erst kürzlich dem staatlich kontrollierten saudischen Fonds eine besonders rigorose Praxis der Landnahme nachgewiesen. Von systematischer Vertuschung und Bestechung war die Rede, von der Vertreibung unzähliger Kleinbauern und vom Fehlen jeglicher Transparenz.

Zur fehlenden Transparenz seiner Regierung will sich Saad Khalil, der Geschäftsführer des Ökolandbauverbandes, nicht äußern. Ob er glaube, dass die ökologische Landwirtschaft sein Land vor dem Austrocknen bewahre? Das könne er nicht abschätzen, antwortet Khalil. „Wir haben im Landesinneren eine Dürreperiode, die nun schon 20 Jahre andauert. Wenn es auch die kommenden 20 Jahre nicht regnet und die Versandung infolge des Klimawandels fortschreitet, brauchen wir uns über Landwirtschaft in Saudi-Arabien – bio hin oder her – keine Gedanken mehr zu machen.“ Dann, so Khalil, müsse man wohl mit den Einnahmen der einen knappen Ressource, dem Erdöl, den Import der anderen knappen Ressource Wasser, enthalten in den eingeführten Nahrungsmitteln, finanzieren. Keine wirklich nachhaltige Praxis.              

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erschienen in Ausgabe 8 / 2012: Auf der Flucht
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