Kein Widerspruch zwischen Klimaschutz und Entwicklung

Seit 2001 bringt die Österreichische Entwicklungstagung entwicklungspolitische Praktiker und Wissenschaftler an einen Tisch. Dieses Jahr ging es vor allem um das Verhältnis zur Umweltpolitik.

Die Umwelt fühlt sich in die Enge getrieben, auch von jenen, die sie eigentlich beschützen wollen. Verkörpert wird die Umwelt durch eine Studentin aus dem Auditorium, der die Umklammerung einer anderen Frau zu eng ist. Mit seinem Polit- und Sozialtheater nach dem Vorbild des brasilianischen Forumtheaters von Altmeister Augusto Boal versuchte Armin Staffler am Ende der 4. Österreichischen Entwicklungstagung (14. bis 16. November), die Debatten der vorangegangenen Tage zusammenzufassen.

Das Thema der Veranstaltung in der Universität Innsbruck lautete „Wachstum – Umwelt – Entwicklung“, das angesichts der aktuellen Finanzkrise aus einer neuen Perspektive gesehen werden kann. Zu Beginn wies die Wiener Klimaforscherin Helga Kromp-Kolb darauf hin, dass es zwar Klimawandel und Wanderungsbewegungen im Laufe der Geschichte immer wieder gegeben hat, der Planet heute aber nicht mehr genug Raum für Klimaflüchtlinge biete. Deswegen sei das Bremsen des Bevölkerungswachstums genauso notwendig wie die Abkehr von fossilen Brennstoffen. Anders als die meisten Tagungsteilnehmer gab sie sich optimistisch, dass eine Klimakatastrophe abzuwenden sei.

Die Entwicklungstagung, veranstaltet vom Mattersburger Kreis, ist ein Forum, das entwicklungspolitische Wissenschaft und Praxis zusammenbringt. Unter den mehr als 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmern fanden sich Vertreter aus den nichtstaatlichen Organisationen ebenso wie von den Universitäten oder der staatlichen Agentur ADA (Austrian Development Agency). Bei den vorangegangenen Tagungen hatte die Vernetzung der Wissenschaft mit den sozialen Bewegungen im Vordergrund gestanden. Dieses Mal ging es um die Einbindung der Umweltorganisationen. Für Ruth Picker, Geschäftsführerin des nichtstaatlichen Dachverbandes AG Globale Verantwortung, ist der Zusammenhang offensichtlich: „Die aktuellen Krisen – Hunger, Energie, Klima und Finanzmärkte – zeigen deutlich: Dieses System ist am Ende. Die sozialen und ökologischen Kosten sind zu hoch.“ Und Markus Piringer, Geschäftsführer des ÖKOBÜRO in Wien, rief die künftige Regierung auf, vor den internationalen Klimaverhandlungen 2009 in Kopenhagen mit Investitionen in die Sanierung von Gebäuden, erneuerbare Energien und öffentliche Verkehrsmittel die Energiewende in Österreich einzuleiten.

Für Elmar Altvater, den Kapitalismuskritiker von der FU Berlin, ist die Aussicht auf ein Abschmelzen der Polkappen erschreckender als die gegenwärtige Finanzkrise. Gesellschaftliche Veränderungen seien unumgänglich – beispielsweise die Einschränkung der Mobilität oder die Rückkehr zum Konsum lokal hergestellter Lebensmittel.Grundsätzlich stellte in Innsbruck niemand in Frage, dass Armutsbekämpfung mit gesteigertem Energiekonsum einhergeht. Johanna Mang, Leiterin des Referats für NGO-Kooperation und humanitäre Hilfe in der ADA, sieht aber keinen Widerspruch zwischen der Notwendigkeit, dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen, und dem Ziel, in armen Ländern die Energieversorgung auszubauen und die Armut zu reduzieren. Die Industriestaaten seien in der Pflicht, ihre selbst gesteckten Kyoto-Ziele zu erreichen und gleichzeitig „den ärmsten Menschen Zugang zu verläßlicher und moderner Energie“ zu verhelfen. Diese sollte möglichst klimafreundlich generiert werden. Klimapolitische Kohärenz habe sich in der österreichischen Entwicklungspolitik noch nicht durchgesetzt. Gelegenheit, die Debatte zu vertiefen, soll es Anfang 2009 bei einer Nachtagung mit Regierungsvertretern geben.

Ralf Leonhard

erschienen in Ausgabe 12 / 2008: Wirkung der Entwicklungshilfe
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