Gegen die Armut: Laufschuhe "Made in Kenya"

epd-bild/Bettina Ruehl
Die kenianische Juristin Navalayo Osembo und der US-amerikanische Kommunikationsexperte Weldon Kennedy haben den ersten Laufschuh "Made in Kenya" der Marke "Enda" entwickelt
Aus Kenia kommen Spitzenläufer. Zwei junge Unternehmer möchten, dass dieser Erfolg noch mehr Menschen im Land zugutekommt - und präsentieren den ersten Laufschuh "Made in Kenya".

Nairobi (epd). 2018 stellten zwei Kenianer Weltrekorde bei Langstrecken auf. Eliud Kipchoge lief den Marathon in Berlin in 2:01:39 Stunden. Abraham Kiptum brauchte für den Halbmarathon im spanischen Valencia 58:18 Minuten. International erfolgreiche Athleten wie diese beiden trainieren und laufen in Schuhen aus westlicher Produktion, meist aus den USA.

Daniel Simiyu hingegen trägt "Enda", die ersten Laufschuhe "Made in Kenya", ersonnen von der kenianischen Juristin Navalayo Osembo und dem US-Kommunikationsexperten Weldon Kennedy. Der 20-jährige Simiyu trabt darin leichtfüßig über die rotbraune Lehmpiste in der Stadt Iten. Hier im Hochland ist es frisch, was Simiyu recht ist, denn er läuft jede Woche etwa 160 Kilometer. "Ich träume davon, bei internationalen Wettkämpfen für mein Heimatland zu starten", sagt der drahtige junge Mann.

"Denn im Sport sind Kenianer wirklich gut"

Das wird nicht leicht. Im Läuferland Kenia, das zurzeit auch wegen Dopings Schlagzeilen macht, ist die Konkurrenz stark. Dass Simiyu einer der beiden Athleten ist, die "Enda"-Schuhe testen, könnte ihn seinem Ziel näher bringen. Denn sonst sind gute Laufschuhe für ihn, der ganz am Anfang seiner Karriere steht, fast unerschwingliche Luxusgüter. Ein Schuh von "Enda" kostet wie andere hochwertige Laufschuhe rund 100 US-Dollar.

"Enda" bedeutet "Lauf!" in der Landessprache Kisuaheli - der Ruf, mit dem Fans ihre Athleten anfeuern. Osembo und Kennedy haben das Unternehmen 2016 gegründet. Sie habe sich lange gefragt, "wie wir erreichen können, dass Sport den größtmöglichen gesellschaftlichen Einfluss hat", erklärt die 33-jährige Wirtschafsprüferin. "Denn im Sport sind Kenianer wirklich gut." Bei einem Forum für Unternehmensgründer traf sie Kennedy, ein Experten für soziale Kampagnen.

Arbeitsplätze und Chancen schaffen

Die beiden überlegten, wie Kenia auch wirtschaftlich vom Erfolg seiner Läufer profitieren könnte. Sie wollten Arbeitsplätze und Chancen schaffen, damit mehr Menschen etwas aus ihrem Leben und für die Zukunft ihrer Kinder machen könnten, erklärt Osembo.

So entstand die Idee, einen Laufschuh in Kenia zu produzieren. Das Geld für ihr erstes Modell sammelten die jungen Unternehmensgründer durch eine Kampagne auf der Online-Plattform Kickstarter. Sie bekamen fast das Doppelte der Summe, auf die sie gehofft hatten: 140.000 US-Dollar. Ihre Schuhe entwickelten sie zusammen mit Athleten. "Wenn unsere Schuhe bei kenianischen Läufern ankommen sollen, müssen wir sie als Experten fragen", sagt Osembo.

Laufen ist die einzige Hoffnung

Daniel Simiyu testet gerade den Prototyp des zweiten "Enda"-Modells, "Lapatet". Für den jungen Mann ist das Laufen die einzige Hoffnung. Er gehört zum Hirtenvolk der Rendile und verlor seine Eltern 2002 bei einem bewaffneten Raubüberfall, der dem Vieh der Familie galt. Weil Geld immer knapp war, hat Simiyu nur die Grundschule besucht. Derzeit kann er sich nur dank des Großmuts eines Kollegen, der ihn bei sich wohnen und essen lässt, auf den Sport konzentrieren. Auch bei den Startgebühren ist Simiyu auf Sponsoren angewiesen, bisweilen übernimmt "Enda" die Kosten.

Die 28-jährige Joan Cherop Massah, die ebenfalls für Enda testet und startet, kann bereits von ihren Preisgeldern leben. Sie ist schon in Deutschland, Korea, Peru und den USA gelaufen. Auch für sie gab es keine Alternative zum Laufen: Sie ist Angehörige der Pokot, ebenfalls ein Hirtenvolk. "Ich bin kaum in die Schule gegangen, weil mein Vater das nicht wollte", erzählt sie. Ihr Vater sah in seinen Töchtern vor allem den Gegenwert: den Brautpreis, der in Rindern gezahlt wird.

Ihr Ziel fest vor Augen

Zwei Mal lief Massah von zu Hause fort: zuerst, um ihrer Beschneidung zu entgehen. Ein zweites Mal und dann endgültig, um nicht schon als Mädchen verheiratet zu werden. Erst vor fünf Jahren kehrte sie für einen Besuch zurück und ließ ihren Eltern ein Haus aus Stein bauen, das sie von Preisgeld bezahlte. "Ich wollte ihnen zeigen, dass auch Mädchen etwas leisten können."

Beide Athleten träumen davon, eines Tages genug Geld zu haben, um anderen helfen zu können: Simiyu möchte ein Waisenhaus gründen, Massah ein Trainingsheim für Sportlerinnen und Sportler. Außerdem möchte sie in ihrer Gesellschaft gegen Beschneidung und gegen Zwangsheiraten werben.

Auch die "Enda"-Gründer haben ihr Ziel fest vor Augen. Zwar werden ihre Schuhe bisher erst zu einem guten Drittel in Kenia produziert, weil Wissen und Produktionskapazitäten noch nicht reichen. "Aber wir sind sicher, dass wir eines Tages zu 100 Prozent 'Made in Kenya' sind", meint Osembo. Das bedeutete noch mehr Arbeitsplätze, und weitere Sponsorenprogramme für Athleten.

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