Aufarbeitung der Colonia-Dignidad-Verbrechen geht nur langsam voran

Berlin - Die Aufarbeitung der in der deutschen Sektensiedlung Colonia Dignidad verübten Verbrechen in Chile geht nur langsam voran. Die Grünen-Parlamentarierin Renate Künast äußerte am Dienstag gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit Blick auf den deutschen Hilfsfonds für die Opfer die Hoffnung, „bis Ende dieses Jahres alle Fälle abschließend zu bearbeiten“. Bislang erhielten nach Angaben aus dem Auswärtigen Amt rund 95 Personen jeweils 7.000 Euro.

Das Hilfskonzept einer Gemeinsamen Kommission von Bundestag und Bundesregierung war im Mai 2019 vorgestellt worden. Als Zeichen der Anerkennung ihrer Leidensgeschichte erhalten die Opfer finanzielle Unterstützung. Insgesamt sind 3,5 Millionen Euro für fünf Jahre vorgesehen. Am Dienstag traf sich die Kommission erneut zum vertraulichen Gespräch.

Der Linken-Abgeordnete Friedrich Straetmanns sagte dem epd, dass bei der finanziellen Unterstützung die Unterscheidung von Tätern und Opfern in einigen Fällen schwierig sei. „Wir wollen niemanden entschädigen, der zu den Tätern gehört“, betonte der Politiker.

Laut Künast muss außerdem noch das Pflegekonzept fürs Alter auf den Weg gebracht werden. Über den Fonds „Pflege und Alter“ sollen Zuschüsse an bedürftige Betroffene fließen, damit diese davon Pflegedienste bezahlen können. „Das nächste sehr große und nicht einfache Projekt“ sei indes das Dokumentationszentrum und ein Gedenkort, „der sich sowohl mit dem Leben und Leiden in der Colonia Dignidad beschäftigt, aber auch mit ihrer Verbindung zum Militärputsch in Chile 1973 und den Folterungen und Morden an Oppositionellen durch den chilenischen Geheimdienst“.

"Deutliche Geste" an die Opfer

Nach Angaben des argentinischen Außenministeriums wird Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) Mitte Juni in Argentinien erwartet. Aus dem Auswärtigen Amt gab es zunächst keine Bestätigung.

Politikwissenschaftler Jan Stehle forderte, bei der Reise des Ministers nach Lateinamerika müsse auch die Colonia Dignidad auf dem Programm stehen. „Eine deutliche Geste“ an die Opfer sei nötig, etwa in Form einer Grundsteinlegung für die Gedenkstätte sowie ein Treffen mit Opferverbänden, sagte Stehle, der sich für das Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika seit Jahren mit dem Thema befasst.

Die Colonia Dignidad diente während der Militärdiktatur in Chile (1973-1990) als Folterzentrum des Geheimdienstes. Die Sektensiedlung sorgte auch wegen Fällen sexuellen Missbrauchs und illegalen Waffenhandels für Schlagzeilen. Das Auswärtige Amt erkennt an, dass deutsche Diplomaten zu wenig für den Schutz ihrer Landsleute getan haben. 

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