Experte: Abkommen mit Namibia zu Kolonialverbrechen ist Beleidigung

Uppsala, Frankfurt a.M. - Die Vereinbarung zwischen Deutschland und Namibia zu den deutschen Kolonialverbrechen ist nach Ansicht des Afrika-Experten Henning Melber eine Beleidigung. „Die vorgesehene deutsche Zahlung von 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre ist schäbig“, sagte der frühere Forschungsdirektor des Afrikainstituts der schwedischen Universität Uppsala dem Evangelischen Pressedienst (epd). Der Bau des Berliner Flughafens habe sieben Milliarden Euro gekostet, der Umbau des Bahnhofs in Stuttgart sei derzeit mit acht Milliarden Euro veranschlagt. „Setzen Sie das mal in Relation zu den 1,1 Milliarden für den eingestandenen Völkermord an den Ovaherero und Nama!“

Daher rühre auch die Empörung in Namibia, wo die Vereinbarung derzeit hohe Wellen schlage, betonte der Deutsch-Namibier. „Wenn man einen Völkermord eingesteht, braucht es mehr als eine Geste der Anerkennung“, sagte er mit Blick auf die Wortwahl von Außenminister Heiko Maas (SPD). Die deutschen Kolonialtruppen schlugen zwischen 1904 und 1908 im damaligen Deutsch-Südwestafrika Aufstände der Ovaherero, im deutschen Sprachgebrauch meist im Singular Herero, und Nama brutal nieder. Mehr als 80.000 Menschen kamen ums Leben.

Von Beginn an sind Fehler gemacht worden

Er bedaure das Ergebnis dieser wichtigen Initiative. „Denn es ist ja ein einzigartiger Schritt“, betonte der Politologe, der an Universitäten in Europa und Afrika lehrt. „Die Bundesregierung ist die erste westliche Regierung, die bereit ist anzuerkennen, dass man einen Völkermord begangen hat.“ Diese Tatsache werde weltweit beobachtet und übe großen Druck auf andere ehemalige Kolonialmächte aus wie Frankreich, Belgien, Großbritannien, Spanien und Portugal. „Jetzt haben wir die fast tragische Situation, dass eine unglaublich wichtige Symbolhandlung mit Begleitumständen behaftet ist, die sie zu einem peinlichen Akt werden lässt.“

Von Beginn an seien Fehler gemacht worden, betonte Melber. So seien nur kleine Vertretungen von Nachfahren der Opfer einbezogen worden. „Es wäre sinnvoll gewesen, vor den Verhandlungen mit Deutschland so viele Vertreter wie möglich an einen Tisch zu holen.“ Auch Deutschland hätte darauf achten müssen, um eine Situation wie der derzeitigen zu vermeiden. „Die namibische Regierung ist selber nicht mit dem Ergebnis zufrieden.“ Aber die wirtschaftliche Lage des Landes sei katastrophal, die von dem Geld finanzierten Entwicklungsprojekte sollten den Eindruck erwecken, dass die Regierung etwas erreicht habe.

Gesamte Opposition werde gegen das Abkommen stimmen

„Es ist unterschätzt worden, auf welche Ablehnung das stößt.“ Fast die gesamte Opposition im namibischen Parlament werde dagegen stimmen. „Sie spricht mehr für die Ovaherero und Nama als die Regierung, erläuterte Melber. “Das müsste auch der deutschen Regierung zu denken geben."

Auch die geplante Entschuldigung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Parlament sieht Melber kritisch. „Er müsste in die Gebiete reisen, wo die Ovaherero und Nama leben und sie direkt um Verzeihung bitten.“ Aber da sei die Gefahr von Protesten noch größer als in der Abgeordnetenkammer, wo Störungen ebenfalls wahrscheinlich seien.
 

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