Schulze schlägt Bündnis für Ernährungssicherheit vor

Der Ukraine-Krieg hat auch dramatische Folgen für weit entfernte Regionen: Das Land gehört zu den wichtigsten Weizenexporteuren der Welt, viele arme Länder sind Abnehmer. Ministerin Schulze schlägt ein Bündnis vor, um neue Hungersnöte zu vermeiden.

Berlin - Angesichts drohender Hungersnöte infolge des Ukraine-Krieges will Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ein neues Bündnis für globale Ernährungssicherheit ins Leben rufen. Die Ministerin sagte am Mittwoch in Berlin vor ihrer Abreise zur Weltbank-Frühjahrstagung in Washington: „Es droht die schwerste globale Ernährungskrise der vergangenen Jahrzehnte.“

So habe etwa das Welternährungsprogramm, das Nahrungsmittel zu Hungernden bringt, die Hälfte seiner Weizenlieferungen aus der Ukraine bezogen. Auch krisengebeutelte Länder wie der Libanon seien fast komplett abhängig von Weizen aus der Ukraine. Hinzu komme, dass Russland eigene Exporte gestoppt habe. „Unser Ziel muss sein, Millionen Menschen vor dem Hungertod zu bewahren“, sagte Schulze.

Das neue Bündnis soll ihren Angaben nach eine ähnliche Struktur haben wie die internationale Initiative Act Accelerator (Act-A) zur Beschaffung und weltweiten Verteilung von Diagnostika, Heilmitteln und Impfstoffen gegen Covid-19. Dabei könne die Weltbank ein „starker Partner“ bei der Umsetzung sein. Eine Steuerungsgruppe aus Regierungen, UN-Organisationen, Weltbank, Regionalbanken, dem Privatsektor, Stiftungen und Nichtregierungsorganisationen würde demnach die permanente Koordinierung übernehmen.

Kurzfristige Hilfen, aber auch krisenfeste Strukturen

Die Gruppe müsse das Thema immer wieder auf der Tagesordnung halten, auf betroffene Staaten zugehen, politische Empfehlungen abgeben und Wissen austauschen. Es gehe sowohl um kurzfristige Hilfen, als auch um die langfristige Schaffung von krisenfesteren Strukturen. Schulze nannte als Beispiel die afrikanische Sahel-Region, wo sich die Landwirtschaft schon wegen der Erderwärmung verändern müsse. Dort wäre es ihren Angaben nach möglich, stärker auf die robuste Hirse zu setzen.

Die Ministerin hofft, dass ihr Vorschlag eines globalen Bündnisses „so schnell wie möglich“ umgesetzt werden kann. Sie stoße auf „sehr viele offene Ohren“, betonte sie. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) habe zudem zugesagt, ihrem Ministerium 430 Millionen Euro zusätzlich für die Ernährungssicherheit in der aktuellen Krise bereitzustellen.

Kosten für Lebensmittel auf Rekordhoch

Der Vize-Vorsitzende des Bundestagsausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Christoph Hoffmann (FDP), erklärte, angesichts der „russischen Aggression muss es Ansporn der deutschen und internationalen Entwicklungszusammenarbeit sein, die Ernährung zu sichern“. Afrikanische Länder unterhalb der Sahara hätten bereits unter dem Klimawandel, anhaltend hohem Bevölkerungswachstum und politischer Instabilität zu leiden. Um die dortige Landwirtschaft krisenfester zu machen, plädierte er für eine effizientere Produktion durch das Züchten von Pflanzen inklusive Gentechnik sowie für eine Aufforstung, um das regionale Klima zu verbessern.

Im März sind die Kosten für Lebensmittel wegen des Ukraine-Krieges laut der UN-Landwirtschaftsorganisation auf ein Rekordhoch gestiegen: Der FAO-Index registrierte eine Preissteigerung für Lebensmittelrohstoffe von mehr als zwölf Prozent im Vergleich zu Februar, im Vergleich zum Vorjahresmonat sogar von etwa 33 Prozent. Der Index berechnet die monatlichen Veränderungen der Durchschnittspreise für Grundnahrungsmittel. Allein der Getreidepreis stieg wegen des Ukraine-Krieges im März laut Index um gut 17 Prozent im Vergleich zum Februar. Russland und die Ukraine zusammen waren in den vergangenen drei Jahren weltweit für etwa 30 Prozent des Weizenexports zuständig und für rund 20 Prozent der Mais-Ausfuhren.

Entwicklungsländer sind besonders betroffen: Nach Berechnungen der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (Unctad) sind ausgerechnet bei den ärmsten Staaten mehr als fünf Prozent der importierten Produkte solche, deren Preise nun ansteigen. Bei reicheren Ländern betrage dieser Anteil hingegen weniger als ein Prozent.

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