Die Wut richtet sich gegen illegale Goldschürfer

Johannesburg - Die eigentliche Tat spielt kaum noch eine Rolle: Ende Juli wurden in Südafrika acht Frauen von Dutzenden Männern vergewaltigt. Der brutale Übergriff erschütterte das Land, in dem sexualisierte Gewalt für viele Frauen Alltag ist. Doch das gerät in vielen Medienberichten und der öffentlichen Debatte in den Hintergrund. Und auch die Wut der Bevölkerung richtet sich gegen die sogenannten Zama-Zamas, wie die häufig aus dem Ausland stammenden Goldsucher genannt werden, die illegal in stillgelegten Minen schürfen und für die Tat verantwortlich gemacht werden.

Die Männer hatten die Frauen in einer stillgelegten Mine in Krugersdorp, einem Vorort von Johannesburg überfallen, als sie dort ein Musikvideo drehten. Die Polizei reagierte sofort und nahm etwa 80 Verdächtige fest. Nachdem sie mitgeteilt hatte, dass es sich um Bergleute aus dem Nachbarland Lesotho handelt, die ohne gültige Papiere im Land waren, kam es zu Ausschreitungen. Die Bewohner der Gegend randalierten und machten Jagd auf mutmaßliche Zama-Zamas. Häuser, in denen Minenarbeiter vermutet wurden, wurden angegriffen und niedergebrannt. Auch von Einwanderern betriebene Kioske wurden nicht verschont.

Immer wieder gingen nach der brutalen Tat Menschen, Männer wie Frauen, auf die Straße. Sie warfen der Polizei vor, die Kriminalität nicht in den Griff zu bekommen und forderten den Ausbau von Laternen, um die Straßen sicherer zu machen.

Doch der Schwerpunkt der öffentlichen Debatte liegt inzwischen auf dem illegalen Bergbau und den Einwanderern, die die Straftat begangen haben sollen. Präsident Cyril Ramaphosa etwa sagte lokalen Journalisten, dass Teams der Polizei gebildet worden seien, um gegen die Zama-Zamas vorzugehen, die die Gemeinde terrorisierten. Er wolle dem ein Ende setzen, „und zwar so effektiv wie möglich“, erklärte Ramaphosa.

Solche Äußerungen nähren das Narrativ, dass lediglich Ausländer für Verbrechen und Vergewaltigungen in Südafrika verantwortlich seien - und sie lenken ab von dem eigentlichen Problem, wie Aktivistinnen kritisieren. Der Fall Krugersdorp sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein, sagt Swaminathen Kavya von der „Tears Foundation“ in Südafrika. Jeden Tag berichteten vergewaltigte Frauen, dass sie auf der Polizeiwache abgewiesen worden seien. Ein Teil des Problems liege zudem im Justizsystem: „Vergewaltiger erhalten in der Regel nur minimale Strafen“, sagt die Interventionsspezialistin der Organisation, die sich um Überlebende sexualisierter Gewalt kümmert. Und auch die Regierung mache viele falsche Versprechungen, wenn es um den Kampf gegen Vergewaltigungen gehe.

Dabei ist die Rate der gemeldeten sexualisierten Gewalttaten in Südafrika extrem hoch. Nach offiziellen Angaben gab es allein in der ersten Hälfte dieses Jahres mehr als 20.000 Vergewaltigungen. Die tatsächliche Zahl ist wahrscheinlich höher, weil viele Fälle nicht gemeldet werden.

Die Frauenrechtlerin Kavya glaubt, dass viele Menschen angesichts der Häufung der Fälle des Problems überdrüssig geworden sind. Das gesellschaftliche Bewusstsein für das Problem müsse wieder geschärft werden, sagt sie. Dabei müsse den Männern klargemacht werden, dass Frauenfeindlichkeit falsch ist. Andernfalls werde der Kreislauf nicht durchbrochen, sagt Kavya.

Gelingt das nicht, geht es auch in Zukunft weiter wie bisher: Im ersten Moment erregen Sexualverbrechen in Südafrika große Aufmerksamkeit. Doch irgendwann verstummen die Geschichten und werden beiseitegeschoben - bis zum nächsten Verbrechen. So war es auch bei der Vergewaltigung und dem brutalen Mord an Uyinene Mrwetyana im August 2019. Die Studentin von der Universität Kapstadt wurde in einem Postamt vergewaltigt und ermordet, als sie ein Paket abholen wollte. Es gab einen Aufschrei und Demonstrationen im ganzen Land. Aber die Proteste klangen schnell ab und auch sie wurde zu einer Fußnote.

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